Bis zu seinem Tod hatte Milan Velimirović (21.4.1952–25.2.2013) die Problemzeitschrift MatPlus herausgegeben — eine der bedeutendsten und besten Zeitschriften um den Jahrtausendwechsel. Seit 2007 führte dort Hans Gruber eine Retroabteilung, die sich dem hohen Niveau dort natürlich anpasste: nicht nur mit einem hervorragenden Urdruckteil, sondern auch mit bedeutenden Artikeln.
Den ersten Preis des ersten Retro-Jahrgangs möchte ich euch heute zeigen — den ersten Preis des Folgejahres hatte ich in der letzten Woche schon vorgeführt.
MatPlus 2007, 1. Preis
Beweispartie in 18,5 Zügen (14+15)
Das schaut schon überraschend aus, dass Weiß offenbar 18 Züge lang Zeit zu vertrödeln hat, denn er muss ja (neben e4 zu ziehen) nur seinen beiden fehlenden Steine [Dd1] und [Bc2] loswerden — die Dame wurde offenbar auf e6 geschlagen, da [Bc2] dort gar nicht hingelangen konnte, da bei Schwarz nur ein Stein fehlt: [Bg7].
Schwarz benötigte alle 18 Züge, um seine Position im Diagramm einzunehmen: Wir sehen 1+2+6+2+4+1=16 schwarze Züge im Diagramm, aber offenbar war auch Lc8-d7-c8 erforderlich, um [Ta8] vor die Tür zu lassen. Also wurde [Bg7] zuhause geschlagen — und das kann doch die Dame bequem auf ihrem Opfergang nach e6 erledigt haben? Nein, denn sie muss bereits im dritten Zug geschlagen werden, damit Schwarz nicht wegen der im Zentrum so verschlossenen Stellung in Zugnot gerät.
Na gut, dann halt z.B. [Sg1] in acht Zügen mit seiner Rückkehr nach Hause — das sollte doch kein Problem sein?
Doch, auch das funktioniert nicht: Wenn ein Springer auf g7 schlägt, steht natürlich noch der schwarze Läufer auf f8; dem Schachgebot des Springers kann der König also nicht nach f8 ausweichen — und damit die Diagrammstellung in 18 Zügen nicht mehr erreichen.
Damit bleibt nur ?? Richtig! Und was bedeutet das für das weiße Spiel? Sicherlich eine ziemliche Überraschung beim Blick auf das Diagramm, die aber nach diesen Vorübergegangen schon beinahe plausibel ist: Alles andere haben wir ja als Möglichkeit ausgeschlossen!
Michel zeigt mit dieser Aufgabe erstmals die komplette “Antirochade” also die komplette Rücknahme einer Rochade einschließlich der Rückkehr aller Figuren zwischen König und Turm. — zweckrein, um den [Bg7] zu beseitigen. Höchst subtil ist die Begründung für den Zug des [Lf1] — und auch das schwarze Manöver Lc8-d7-c8 passt hervorragend.
Preisrichter Wolfgang Dittmann schrieb dazu: “Es ist extrem beeindruckend, dass das Thema ohne Beuernumwandlung dargestellt werden kann. Eine großartige Leistung in einer atemraubend kurzen Lösung.”
A superb proof game.