Am letzten Freitag feierte Bernd Gräfrath, nicht nur Vorsitzender der Schwalbe, sondern auch großer Retrofreund und -spezialist seinen 65. Geburtstag — nochmals herzliche Glückwünsche auch von dieser Stelle aus, lieber Bernd! Früher war das ja ein sehr einschneidendes Datum, aber heute müssen wir halt trotzdem noch ein wenig arbeiten…

Natürlich werde ich heute eine Aufgabe von Bernd vorstellen — obgleich (einziger) Preisträger in dem Turnier, aber vielleicht doch nicht so bekannt?!

Wer ein wenig die Aufgaben von Bernd und seine Vorlieben kennt, weiß, dass Schlagschach (Das Schwalbe-Lexikon definiert: “Es herrscht für beide Parteien Schlagzwang: Gibt es eine Möglichkeit zu schlagen, muss geschlagen werden. Bei mehreren Schlagmöglichkeiten besteht freie Wahl unter diesen. Die Könige sind nicht königlich; sie können geschlagen werden und durch Bauernumwandlung entstehen. …”) zu seinen Lieblingsbedingungen gehört und dass er gern “gegen die Bedingungen ankämpft” — also hier im Schlagschach möglicherweise versucht, Schläge (bzw. beim Rückwärtsspiel Entschläge) zu vermeiden?!

Betrachten wir erst einmal die Schlagfälle: Bei Weiß fehlen zwei Steine [Ba2] und [Ta1] — Th1 ist der Königsturm, er kann nicht von a1 kommen. Wegen der schwarzen Bauernschläge axb und b7xc6 muss also, um verschwinden zu können, [Ba2] schlagfrei auf a8 umgewandelt haben: Schwarz hat ja noch alle 16 Steine auf dem Brett.

Was kann denn auf a8 umgewandelt haben? Ein Springer nicht, da der nach seiner Umwandlung auf a8 auf c7 hätte schlagen müssen. Ein Läufer auch nicht: Er könnte schlagfrei sein Umwandlungsfeld gar nicht verlassen, da auf b7 oder c6 ein schwarzer Bauer steht: Bei einem Bauern auf b7 ist es eh klar, dass La8 auf b7 schlagen müsste (und als Bauer nicht einmal nach a8 gekommen wäre), aber bei sBb6 könnte doch ein Schutz (etwa in Form eines weißen Springers) den Schlag verhindern? Das aber geht nicht, da das nur von b7 auf passieren könnte, Weiß dieses Feld aber verlassen muss, damit der Läufer von a8 fortziehen kann — und dann muss er auf c6 schlagen!

Und auch mit einem Turm geht es nicht: der müsste ja erst einmal auf c6 entschlagen werden (b7xTc6) — aber wie hätte der Turm Schlagschach-legal nach c6 kommen können? (Selbst wenn das ginge, könnte die Umwandlung nicht legal zurückgenommen werden, denn dann wäre der (Vorwärtszug) Ba6-a7 mit schwarzem Bauer auf b7 illegal — siehe die Überlegungen zum Läufer).

Also bleibt nur die weiße Dame zum Entwandeln übrig, wenn die Stellung legal sein soll — das ist im ersten Moment schon überraschend! Und das aber verlangt gute Vorbereitung Wir haben schon gesehen, dass [Bb7] noch auf c6 stehen muss, und dafür muss und kann ein weißen Springer Schlagschutz geben. Und gegen Schlagmöglichkeiten auf der achten Reihe muss der weiße Läufer auf c8 sorgen. Warum geht das nicht auf e8? Und wieso kann nicht der andere Springer irgendwo auf der achten Reihe die Schlagmöglichkeiten der Dame auf a8 verhindern?

Dies ist alles eindeutig — wenn es denn geht, wenn also die Stellung legal ist. Man kann natürlich nicht erwarten, dass nun die Zugfolge der Lösung eindeutig ist, aber der Schutz durch Weiß bei gleichzeitiger Asylsuche schwarzer Offiziere auf dem Königsflügel ist auch so sehr beeindruckend, wie ich finde!

Nun wollt ihr sicherlich nicht sofort die Lösung nachspielen, sondern zuerst selbst Löseversuche anstellen? Viel Spaß und Erfolg dabei!

Bei der Lösungsangabe: “Schlagschutz durch den weißen Läufer bzw. Springer ermöglichen die friedliche = schlagzwangfreie Entwandlung der weißen Dame. Kurioserweise gelingt dies mit schwächeren Offizieren nicht!” Übrigens erfüllt die weiße Dame nebenbei noch das Pronkin-Thema, bei der (meist in einer Beweispartie) auf dem Partieausgangsfeld einer Figur eine Umwandlungsfigur gleicher Farbe und Art steht.

Ein Löser kommentierte: “A very complex scenario! My hat is off to the composer!” Ja, dem kann ich mich nur anschließen!