In drei Teilen hatte Silvio Baier sich in den Heften 318-2 bis 320 der Schwalbe (Dezember 2022 bis April 2023) mit der Themenkombination “Je zwei Ceriani-Frolkins und Pronkins” in orthodoxen Beweispartien beschäftigt und uns 73 Beispiele vorgestellt. Nr. 1 aus dieser Reihe hatte ich im Retro der Woche 48/2022 bereits vorgestellt.
Nun möchte ich euch den Tipp geben, die Serie über die Feiertage noch einmal hervorzuholen, noch einmal zu lesen, zu genießen — durchzuarbeiten.
Bei gemischtfarbiger Darstellung des Themas bietet sich “2+2” bei der Farbverteilung an (eine “3+1” ist mir heute bei der Vorbereitung nicht eingefallen), und da kann ich erst einmal mit 2+2 Figurenarten spielen (4 ergäben natürlich eine Allumwandlung), und auch da gibt es prinzipiell verschiedene Möglichkeiten. Eine diese Möglichkeiten ist in Silvios Beitrag nur mit einem einzigen Beispiel vertreten, und dieses möchte ich euch heute vorstellen.
69 Die Schwalbe IV/2023
Beweispartie in 27 Zügen (13+14)
Zählen wir wie üblich die im Diagramm sichtbaren Züge, kommen wir “nur” auf jeweils acht — das ist erschreckend wenig: Bei insgesamt 27 Zügen sind für beide Parteien also noch 19!! Züge frei. Auch wenn wir das Thema nicht kennen würden, kämen wir wahrscheinlich sofort auf den Gedanken, dass wir hier jeweils zwei Umwandlungen im Lösungsverlauf antreffen werden.
Diese Überlegung wird noch durch die Bauernstruktur unterstützt: Alle fehlenden Steine wurden von Bauern geschlagen — Schlagopfer können aber keine Bauern selbst gewesen sein, da die fehlenden weißen nicht auf der f- oder h-Linie geschlagen worden sein können, und die fehlenden schwarzen können ebenso wenig auf der b- oder c-Linie geschlagen worden sein.
Daraus können wir über die Umwandlungen aber auch sofort schon eine Menge ableiten: Alle erfolgten schlagfrei; Weiß hat also auf e8 und h8 umgewandelt, Schwarz auf a1 und d1.
Bezüglich der Zügezahl ist dies auch beruhigend, denn das beweist, dass sowohl der weiße als auch der schwarze König gezogen und damit jeweils mindestens zwei Züge gespielt haben müssen.
Und auch ohne das Thema der Artikelreihe zu kennen, könnten wir schon erkennen, dass zumindest Schwarz über einen Pronkin-Stein verfügen muss, da sich ja ein Original-Offizier geopfert haben muss, um für seine erste Umwandlung eine Bresche schlagen zu lassen. Bei Weiß können wir das aus zwei Gründen nicht direkt ableiten: Erstens kann der Breschen-Schläger auch der im Diagramm fehlende [Lc1] gewesen sein, und zweitens könnten ja auch Tb6 und/oder Lh7 Phönix-Steine sein, ohne das zusätzliche “Pronkin-Attribut” zu tragen.
Vielleicht stellt ihr nun erst einmal Überlegungen an, welche Umwandlungs-Typen in Frage kommen könnten, bevor ihr euch ans Selbst-Lösen macht?
Silvio stellt im Zusammenhang mit dieser Aufgabe gleich zwei Fragen zur Ästhetik:
“Ohne Rückkehr des zweiten Königs kann man das Schach in der Diagrammstellung und zwei Halbzüge einsparen: 25. Te3 g4 26. Tf3 gxf3” — was haltet ihr davon, wie würdet ihr priorisieren?
Zum über Kreuz vertauschen der Figurentypen: “Hier stellt sich vielleicht die Frage, wie viel Harmonie noch in der Aufgabe steckt. Möglicherweise aus diesem Grund hat sich bislang wohl noch niemand damit beschäftigt.”
Was meint ihr? Das zweite Argument träfe auf eine Figurenverteilung “3+1” sicherlich erst recht zu?!
Interessante Fragen, wie ich finde …
Die Harmonie finde ich völlig ausreichend, eine gewisse Asymmetrie kann auch spannend sein. Und den König hätte ich auch zurückkommen lassen.