Am letzten Sonntag habe ich hier den dritten Preis der „klassischen Retros“ im Schwalbe Informalturnier 2003 gezeigt. Gern möchte ich bei diesem Bericht noch bleiben: Heute steht der erste Preisträger der Beweispartien auf dem Programm. Um die Spannung ein wenig zu steigern: Diese Aufgabe ist mit 11 Punkten ins FIDE-Album gelangt – hier könnt ihr also eine Menge erwarten!
Die Schwalbe 2003, Michel Caillaud gewidmet, 1. Preis
Beweispartie in 23,5 Zügen (13+16)
Schwarz hat noch alle Mann an Bord, während bei Weiß drei Steine fehlen: [Ba2], [Bg2] und[Lc1]. Das lässt viel Spielraum übrig. Erschreckend auch die Feststellung, dass nur drei weiße Züge sichtbar sind. Bei Schwarz schaut es schon optisch deutlich besser aus, bevor wir aber sinnvoll Züge zählen können, müssen wir ein paar Überlegungen anstellen.
So muss [Sg8] den [Th8] herausgelassen haben, sodass wir zumindest fünf Springerzüge erwarten müssen. Natürlich scheint Ba7-a5 am Zug-sparsamsten zu sein, das ist hier aber nicht der Fall:
Hat Schwarz nämlich a7xb6xa5 gespielt, würde sowohl Th3 als auch Db1 jeweils einen Zug einsparen können (wenn man von Dd8-g8-g1-b1 absieht) — also ein gut investierter Zusatzzug für den Bauern. Unter diesen Randbedingungen wollen wir also zählen: 3+3+3+5+5+4=23: Alle schwarzen Züge sind nicht nur abgedeckt, sondern wir wissen auch, dass Schwarz wirklich zweimal mit [Ba7] gezogen und geschlagen haben muss.
Damit sind alle fehlenden weißen Steine durch Bauernschläge auf b6, f6 und a5 erklärt. Damit ist klar, dass [Bg2] umgewandelt haben muss. Kann sich [Ba2] auf a5 geopfert haben? Nein, denn sowohl für das Manöver Ta8-a3-h3 als auch für Dd8-a8-a2-b1 muss die a-Linie komplett offen sein. Also kann [Ba2] nur verschwinden, nachdem er sich auf a8 umgewandelt hat.
Bevor Weiß den Bauernmarsch auf der a-Linie beginnen kann, muss z.B. der Turm bereits auf h3 stehen -– also muss Weiß recht früh auf b6 opfern. Kann das außer dem [Lc1] noch ein anderer weißer Stein gewesen sein?
Wir haben eben schon so viel von der a-Linie gesprochen, und da wird es euch nicht wundern, wenn sie für diese Beweispartie quasi die “thematische Linie“ ist. Und das werdet ihr auch schnell merken, wenn ihr selbst löst –- oder euch die Lösung in Ruhe anschaut:
Ein großartiges Stück – und das finde nicht nur ich, sondern auch die drei Albumrichter, die für diese Aufgabe 11 Punkte vergaben! Und auch Lösungsbesprechung und Preisbericht loben diese Aufgabe völlig zu Recht.
So schrieb Preisrichter Josef Kutscher zu der Aufgabe:
„Hier stimmt einfach alles: ein großartiges Thema, viele taktische Raffinessen und eine perfekte Darstellung. … Dass ein Turm sich opfert und ein Phönix auf sein Ursprungsfeld gelangt, ist heutzutage keine Sensation mehr. Geradezu unglaublich aber ist, dass nach kurzem Zwischenhalt der Phönix-Turm sich ebenfalls opfert und durch einen weiteren Phönix ersetzt wird. Ein höchst erstaunlicher Doppel-Pronkin!“
Ja, die Motivation für diesen „Zwischen-Pronkin“, nämlich die zweckreine Bahnung für die schwarze Dame, ist schon klasse -– und nun wundern euch sicherlich die elf Album-Punkte auch nicht mehr?!
Übrigens hat Gerd Wilts das Thema bereits 1991 (!!) mit zwei Damen dargestellt (P0002249), allerdings mit deutlich einfacherer Strategie.
Eine grandiose Komposition von Gerd Wilts!
Einen doppelten Pronkin mit dem Läufer auf c1 konnte ich 2004 darstellen.
https://pdb.dieschwalbe.de/P1066686
Gerd already showed a 3-fold Bishop Pronkin in 2003:
https://pdb.dieschwalbe.de/P1011782
Compare with https://pdb.dieschwalbe.de/P1000245 where the same rook creates a doubled Pronkin on a1. The mechanism for the first Pronkin is the same.
I wouldn’t be surprised if Gerd was inspired by Satoshi’s composition.
A wonderful proof game retro.
The double Pronkin on a1 and a7xb6xa5 is surprising.