Retro der Woche 15/2024

Ziemlich bald nach dem absoluten Zusammenbruch, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erschienen 1946 bereits wieder – teilweise improvisiert – die ersten Problemschachzeitungen in Deutschland. Carl Schrader hatte die Druckgenehmigung der britischen Militärbehörde in Hamburg für den Neustart der Schwalbe erhalten, und am 1. Oktober diesen Jahres erschien auch die erste Ausgabe von „Schachmatt“ als einzelne, handgeschriebene und handgezeichnete und dann hektographierte Blätter, herausgegeben und produziert von Albert H. Kniest; Schachmatt widmete sich, wen wundert das bei dem Herausgeber, hauptsächlich dem Märchenschach.

Mit Blatt 74 stellte sich Karl Fabel am 21. März 1948 als „Bearbeiter für das Retrogebiet“ vor; von und bei ihm erschienen mehrere hochinteressante Artikel. In der Folge „Retro-Rekorde für jedermann!“ griff er ein halbes Jahr später zunächst eine eigene Idee aus dem Jahr 1934 auf, die dann Ende 1948, am Geburtstag des neuen Mit-Herausgebers Peter Kniest, verallgemeinert vorstellte.

Schauen wir uns eine Aufgabe mit dem gegebenen Thema an:

Hugo August
Schachmatt 15.12.1948
33 Einzelzüge, 14 ableitbar (15+12)

 

Die Stellung schaut eher nach einer Beweispartie aus, und das war auch die Idee: Es sollten (nicht-eindeutige) Beweispartien konstruiert werden, bei denen eine Anzahl letzter Züge retroanalytisch eindeutig ableitbar waren. Das ist bei „normalen“ Beweispartien ja nicht der Fall: Allein durch die zeitliche Beschränkung wird die Zugfolge eindeutig; hier geht es aber darum, ohne diese Zugvorgabe eine möglichst hohe Anzahl an eindeutigen letzten Zügen zu erreichen, dabei soll dann eine mögliche Beweispartie, die zu der „u.s.w.-Stellung“ führt, möglichst kurz sein.

Hier ist also nach den letzten 14 eindeutigen Einzelzügen gefragt; die dann resutierende Stellung soll in 33-14=19 Einzelzügen erspielbar sein. Das Verhältnis der Gesamtzügezahl zur Anzahl der eindeutigen soll möglichst klein sein; hier haben wir 33:14=2,36.

Schwarz hat nur einen Rückzug mit Bb5, will er nicht [Ta8] ausschließen, ansonsten erst einmal nur Rückzüge mit dem auf h1 entwandelten Bauern. Und auch Weiß muss dafür sorgen, dass rechtzeitig einer seiner Türme entwandeln kann – das kann wegen der Schlagbilanz nur auf h8 passieren.

Schwarz kann nur einmal geschlagen haben, und dabei muss [Bd2] das Opfer sein, der also zweimal geschlagen hat. Und ansonsten hat [Bh2] um seinen schwarzen Kollegen auf der h-Linie herumgeschlagen, um schlagfrei auf h8 umzuwandeln.

Jetzt wollt ihr sicher die letzten 14 eindeutigen Züge selbst herausfinden?!

Letzte 14 Einzelzüge

R 1.Kg1-h2 b6-b5 2.Kf2-g1 h2-h1=L 3.Sg1-h3 h3-h2 4.Th5-g5 h4-h3 5.Th8-h5 h5-h4 6.h7-h8=T h6-h5 8.g6xTh7 Th8-h7.

Nun gilt es noch zu zeigen, dass die jetzt entstandene Stellung wirklich in 19 Zügen erspielbar ist und auch nicht kürzer. Dazu zählen wir einfach die notwendigen Züge: Wir sehen 1+0+2+0+0+4=7 Züge. Damit [Bd2] auf b6 geschlagen werden kann, benötigt er drei Züge – und damit braucht Weiß in Summe zehn Züge. Bei Schwarz sehen wir nur zwei Bauernzüge. Fünf Springerzüge sind erforderlich für d4xSc5xSb6; erst dann kann der schwarze Turm befreit nach g5 ziehen, um sich dort schlagen zu lassen – das sind neun Züge.

Eine mögliche Partie ist dann 1.d4 Sa6 2.h4 Sc5 3.dxc5 Sf6 4.Th3 Sd5 5.Tg3 Sb6 6.cxb6 axb6 7.f4 Ta5 8.Kf2 Tg5 9.hxg5 h6 10.g6 – 19 Einzelzüge.

Dieses Thema war noch eine Weile en vogue, es sind noch einige bemerkenswerte Aufgaben und auch Artikel damit entstanden. bis es dann, wie so häufig bei Task-Themen, irgendwann “erschöpft” war.

2 thoughts on “Retro der Woche 15/2024

  1. TT on this theme was organized in Šahovski Vjesnik, 1950. Editor Nenad Petrović called the theme ‘Fabel theme’. Judge Karl Fabel at the end of his report provided a graph with all 39 record ratios relevant at that time. The graph is available on Fabelschach 2.0 (low print quality): https://www.fabelschach.de/F%207.jpg

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