Retro der Woche 30/2024

Am kommenden Samstag beginnt im lettischen Jūrmala der 66. Weltkongress der Schachkomposition (WCCC) zusammen mit der 47. Löseweltmeisterschaft (WCSC) – allen Teilnehmern wünsche ich zunächst eine gute Anreise, dann eine schöne und erfolgreiche Zeit an der Ostsee!

Verschiedene Retro-Kompositionsturniere sind ja traditionell bereits angekündigt: Murfatlar, Champagne-Turnier, und da möchte ich uns alle mit einem erneuten Blick in den Preisbericht des letztjährigen Champagne-Turniers, bei dem es um die Rochade ging, „auf Jūrmala“ einstimmen.

Andrej Frolkin
Champagne-Turnier 2023, Abt. B., 4. ehrende Erwähnung
Minimale Zügezahl für wTh1? (14+12)

 

Schauen wir uns zunächst einmal die Diagrammstellung etwas genauer an: Zunächst einmal fällt auf, dass der schwarze König im Schach steht (damit ist klar, wer die Rücknahme beginnen muss) und dass beide Seiten über einen schwarzfeldrigen Umwandlungsläufer verfügen.

Auf beiden Seiten sehen wir einen Bauernschlag: h5xXg6 und d7xYe6. Für Schwarz bleibt noch ein Bauernschlag übrig – und der muss h2xZg1=L (oder h3xg2) gewesen sein, da nur [Bh7] umwandeln konnte und dabei die Felderfarbe wechseln musste.

Damit muss [Ba2] auf seinem Weg zur Läuferumwandlung dreimal geschlagen haben, da der direkte Weg a7xb8=L durch [Ba7] versperrt bleibt. Und damit sind alle Schläge erklärt, keine sind ehr frei.

Wie können wir nun die Stellung auflösen? Die funktioniert erst mit der Rücknahme von g2-g3, aber dafür muss erst [Lc1] zu Hause sein – und vorher noch [Dd1], da ihr durch wLc1 der Heimweg über das Westtor a2 versperrt ist.

Das allerdings muss sorgfältig vorbereitet werden, damit Schwarz Retropatt vermeiden kann, das schnell droht, wenn er ohne vernünftigen Plan h2xDg1=L zurücknimmt: Damit wäre dann die h-Linie komplett verbaut.

Daher muss Schwarz für diese erforderliche Rücknahme erst sTh3 „nach draußen bringen“, um mit dem manövrieren zu können.

Das lockt nun sicherlich unter Minimierung der Züge des wT zu versuchen?

Lösung

R.: 1.Sg7-e8+ Lg1-h2 2.Kf1-e1 Lh2-g1 3.Kg2-f1 Lg1-h2 4.Kf3-g2 Th2-h3 5.Sb3-a1 Tg2-h2 6.Sd4-b3 h2xDg1=L 7.Dd1-g1 Tg1-g2 8.La2-b1 Tg2-g1 9.Te1-h1! Tg1-g2 10.Kg2-f3 Th1-g1+ 11.Sf3-d4 Tf1-h1 12.Sg1-f3 a3-a4 13.Kh1-g2 h3-h2 14.Kh2-h1 a5-a4 15.Sf3-g1 Tg1-f1 16.Kh1-h2 Tg2-g1+ 17.Kg1-h1 Th2-g2+ 18.Tf1-e1 a6-a5 19.0-0 Tg2-h2 20.Sd4-f3 Th2-g2 21.Ld5-a2 Tg2-h2 22.Sb5-d4 Th2-g2 23.Lg2-d5 a7-a6 24.Lf1-g2 Tg2-h2 25.Sc3-b5 Th2-g2 26.g2-g3 etc.
Der weiße Turm h1 zog also mindestens zwei Mal (die Rochade zählt ja als Königszug): Tf1-e1 und Te1-h1.

Da mit haben sicher die wenigsten gerechnet – vielleicht höchstens durch das Thema des Turniers: wKe1 und wTh1 haben nach Rochade komplett die Plätze getauscht und nach „Rücknahme“ der Rochade wieder zurückgewechselt (Lois-Thema).

Hochoriginell, aber die Kritik des Preisrichters Michel Caillaud ist nachvollziehbar: “Some classical retro manoeuvers preparing the retraction of g2-g3 while avoiding black retro-stalemate. The thematic result would have been stronger with a ‘Solve the position’ stipulation (what was the composer’s initial intention) rather than the restrictive stipulation.”

Denn die Frage nach der minimalen Zügezahl ist natürlich nichts anderes als eine implizite Bedingung. Und dies ist hier natürlich konstruktionserleichternd (oder gar erst konstruktionsermöglichend).

Dennoch natürlich eine großartige Aufgabe, die mir sehr gut gefällt!

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