Retro der Woche 35/2024

Anfang des Monats war ich bereits kurz auf den damals noch vorläufigen Preisbericht des traditionellen Champagne Turnier beim WCCC in Jūrmala; nun liegt der komplette Preisbericht vor. Gefordert waren – zum Gedenken an Peter van den Heuvel — Retros, in denen ein Stein einem der anderen Farbe mindestens zweimal folgt, ausgeschrieben war es in zwei Gruppen (Beweispartien, andere Retros); Märchenbedingungen waren zugelassen.

In der zweiten Abteilung gab es (nur) fünf korrekte Bewerbungen. Den Preis vergab Richter Michel Caillaud an einen 33-zügigen Anticirce Proca-Retraktor von Vlaicu Crisan, Klaus Wenda und Andreas Thoma; ich möchte euch allerdings die ehrende Erwähnung von Andrej Frolkin präsentieren, die nicht so kompliziert ist.

Andrej Frolkin
Champagne-Turnier 2024, Abteilung B, Ehrende Erwähnung
Löse die Stellung auf (14+13)

 

Bei Schwarz fehlen drei Steine: die beiden Springer und [Lf8], die alle durch weiße Bauernschläge erklärt sind: g2xSh3, ferner schlug [Bc2] den anderen Springer sowie den Läufer. Bei Weiß fehlen die beiden Springer; der achte weiße Bauer hat sich in einen weißfeldrigen Läufer umgewandelt. Als Umwandlungsfeld steht nur a8 zur Verfügung.

Das bedeutet, dass [Ba7] und [Bb7] die beiden fehlenden weißen Springer geschlagen haben, sodass keine weiteren Entschläge im Rückspiel möglich sind.

Weiterlesen

Hans Gruber 64

Heute feiert Hans Gruber den rundesten aller Schach-Geburtstage — herzlichen Glückwunsch und alles Gute zum 64!

Über Hans muss ich eigentlich gar nichts erzählen: Ehrenvorsitzender der Schwalbe, feenschach-Macher, der vielleicht schnellste (und trotzdem stets gründliche!) Preisrichter für quasi alle Abteilungen, Betreuer verschiedener Sammlungen (S#/R# Miniaturen, Umwandlung in Märchensteine, Wenigsteiner, …) — besonders die Wenigsteiner-Sammlung und der Wenigsteiner des Jahres” verdient auch für uns Retrofreunde einen regelmäßigen Besuch!

Bei den Retros liebt Hans, nicht nur, weil das häufig auch Wenigsteiner sind, ganz besonders die Illegal Clusters — ihr wisst ja: Es ist eine illegale Stellung zu konstruieren, die legal wird, wenn man einen beliebigen Stein (außer den Königen natürlich) entfernt. Zum “Zwischendurch-Lösen” und Mitfeiern hier nun ein IC-Zwilling von Hans. Wie immer gibt es die Lösung in etwa einer Woche hier.

Hans Gruber
feenschach 1987,
Ergänze wL 2 wB zu einem Illegal Cluster b) Platzwechsel der KK (2+1)

 

 

Und hier gleich die Lösung:

Lösung

a) wLa2 wBb2b3 Der Läufer ist retroanalytisch eingeschlossen
b) wLc1 wBb2d2 Der schwarze König ist retroanalytisch eingeschlossen

Hübsch!

Retro der Woche 34/2024

Der Australier Peter Wong ist ein extrem vielseitiger Komponist, wie schon ein kurzer Blick auf die Übersicht in der PDB zeigt: Mit allen Genres (!) ist er dort vertreten; sein Schwerpunkt liegt allerdings auf Hilfsmatts und Retros. Und bei den Retros liegt sein Schwerpunkt auf Beweispartien, die er übrigens „Helpgames“ nennt – eine wie ich finde höchst passende Beschreibung der „Beweispartien“ die in ihrer künstlerischen Form nicht mehr nur ein Beweismittel für die Legalität einer Stellung sind.

Bei den Beweispartien hat er Vorlieben für Aufgaben mit mehreren Lösungen, für Rochade-Paradoxien und für Tempospiel, das häufig ebenfalls recht paradox wirkt.

Peter Wong
Phénix 1997 Version
Beweispartie in 24 Zügen (14+13)

 

Bei Weiß fehlen [Lf1] und ein Springer, bei Schwarz ein Springer und drei Bauern, von denen einer in einen Turm umgewandelt hat. Weiß hat offenbar hxg und gxf geschlagen; der dritte fehlende schwarze Stein muss wegen der Bauernstruktur also von einem Offizier geschlagen worden sein.

Wenn wir versuchen, thematisch zu lösen, so kommen wir rasch auf den Gedanken, dass Weiß schnell den schwarzen König befreien konnte, sodass der rasch nach b5 kommt, wo er dann quasi den kompletten weißen Damenflügel lahmlegt, da [Sc3] nur mit Schachgebot sein Domizil verlassen könnte. Das legt einen Beginn mit 1.Sf3, 2.Se5, 3.Sxd7 Kxd7 nahe.

Weiterlesen

Retro der Woche 33/2024

In den letzten Wochen und Monaten sind hier in den Retros der Woche die klassischen Auflöse-Aufgaben etwas zu kurz gekommen, darum will ich hier etwas „aufholen“. In völlig anderem Zusammenhang bin ich kürzlich über den Retro-Preisbericht in The Problemist von Henri Nouguier (März 1996) gestoßen: Aus heutiger Sicht beinahe ungewöhnlich bei solch einem großen Turnier, dass nicht zwischen Beweispartien und „anderen Retros“ unterschieden wird, dass dort keine Märchenretros auftauchen, die damals im Problemist in der Fairy-Abteilung einsortiert waren.

Das am höchsten ausgezeichnete Stück dieses Turniers, das auch den Weg ins „FIDE-Album“ gefunden hat (H9 im Album 1992-1994) möchte ich heute mit euch anschauen.

Andrej Frolkin
The Problemist 1991-1992, 1. Preis
#1 (Wer?) (15+14)

 

Die naive Antwort auf die Frage in der Forderung lautet „Na ja, wer am Zug ist; ist das Weiß, dann Sa6#/Dxb7#/cxb7#, ist das Schwarz, dann Dg7#.“ Natürlich ist genau die Frage „Wer ist am Zug?“ die entscheidende für die Retroanalyse; dass nun für beide Seiten ein einzügiges Matt bereitliegt, ist für die Analyse der Stellung und die Lösung der Aufgabe eigentlich völlig irrelevant betont aber auch Sicht mancher die Nähe zum Normal-Schach.

Schauen wir uns zunächst einmal die Stellung genauer an: Bei Weiß fehlt nur [Ba2], der nicht umgewandelt haben kann, aber auch nicht von einem schwarzen Bauern geschlagen worden sein kann. Bei Schwarz fehlen der weißfeldrige Läufer und [Bh2], der ebenfalls nicht von einem Bauern geschlagen worden sein kann. Ergo wurde er von einer weißen Figur geschlagen, oder er hat sich schlaglos auf h1 umgewandelt, um dann geschlagen zu werden oder einen geschlagenen Stein zu ersetzen.

Wie können wir nun den riesigen Knoten im Norden des Bretts auflösen?

Weiterlesen

Champagne-Turnier

Neben dem Murfatlar-Turnier war beim WCCC in Jūrmala auch das traditionelle Champagne-Turnier ausgeschrieben. Gefordert waren Beweispartien, in denen ein Stein einem der anderen Farbe mindestens zweimal folgt. Der vorläufige Preisbericht (noch ohne Lösungen und Kommentare) von Preisrichter Michel Caillaud ist nun
veröffentlicht.

Der verleitet natürlich besonders zum Schmökern und Lösen! „Für zwischendurch“ möchte ich euch hier das 2. Lob anbieten: Sehr hübsch, wie ich finde!

Igor Wereschtschagin
Champagne-Turnier 2024, 2. Lob
Beweispartie in 7 Zügen (16+11)

 

 

Dass hier in etwa einer Woche die Lösung nachgetragen wird, muss ich gar nicht erwähnen?!

 

Lösung


Eine nette Kleinigkeit, die euch hoffentlich Spaß gemacht hat!

Retro der Woche 32/2024

Gelegentlich schreibe ich Beiträge für die Retros der Woche „am Stück“, etwa wenn es um die Besprechung mehrerer Aufgaben aus einem Turnier geht. Für heute hatte ich nicht auf Vorrat geschrieben – in der Hoffnung, dass rechtzeitig zumindest einer der Preisberichte zu den beiden Retro-Thematurnieren beim WCCC in Jūrmala fertig würde.

Und die Hoffnung hat nicht getrogen, wie der am Donnerstag veröffentlichte Preisbericht des 7. Murfatlar-Turniers zeigte. Hier waren Beweispartien mit der Bedingung „Anticirce“ gefordert, optional mit einer weiteren Märchenbedingung. Heute möchte ich mit euch die bestplatzierte Aufgabe der „orthodoxen Abteilung“ (für dieses Turnier – keine weiteren Bedingungen) anschauen.

Zur Erinnerung: Bei Anticirce verschwindet das Schlagopfer ganz orthodox; der Schlagtäter hingegen wird gemäß den Circe-Regeln auf seinem Partieursprungsfeld wiedergeboren. Ist dieses besetzt, so ist der Schlag nicht möglich.

Michel Caillaud
7. Murfatlar-Thematurnier 2024, 1. Preis Abt. A
Beweispartie in 12,5 Zügen, Anticirce – 2 Lösungen (12+16)

 

Bei Weiß lohnt es, die Züge zu zählen 0+2+4+3+2+2=13 – alle weißen Züge sind erklärt. Das heißt auf der anderen Seite, dass alle fehlenden weißen Steine, das sind [Ba2], [Bd2], [Be2] und [Bh2], zu Hause geschlagen wurden, da für sie keine Züge zur Verfügung stehen.

Und dann hilft uns auch die Parteianfangsstellung bei Schwarz weiter: Hier können wir nälich erste Überlegungen zu den schwarzen Schlagtätern anstellen.

Weiterlesen

Preisbericht 7. Murfatlar-Turnier

Der Preisbericht des 7. Murfatlar-Turniers, das traditionell zu WCCC ausgeschrieben wird, liegt schon vor!

Alt Thema waren Beweispartien mit der Bedingung “Anticirce” und optional einer weiteren Märchenbedingung (Ausschreibung) bis zum 15. Juli 2024 gefordert. Preisrichter Paul Rãican konnte sich nicht nur über 34 eingesandte Probleme freuen (neuer Rekord für das Turnier), sondern hatte dann natürlich auch viel Arbeit damit, den Bericht innerhalb von zwei Wochen zu erstellen.

Der Preisbericht findet sich seit heute auf der WCCC-Seite; ich werde hier auf das Turnier natürlich noch genauer eingehen.

WCSC — alle Ergebnisse

Hier findet ihr nun die endgültigen Ergebnisse der 47. World Chess Solving Championship (WCSC) vom 30. und 31 Juli 2024 in Jūrmala. Die gestellten Aufgaben und deren Lösungen hatte ich hier gestern schon vorgestellt.

Mannschaftsergebnisse
Mannschaftsergebnisse (Zusammenfassung)

Einzelergebnisse
Ergebnisse Damen
Ergebnisse Junioren
Ergebnisse Senioren