Retro der Woche 36/2024

Nachdem wir uns in der letzten Woche den ersten Preis in der Abteilung B (andere Retros als Beweispartien) angeschaut hatten, möchte ich euch heute die bestplatzierte orthodoxe Beweispartie des Turniers präsentieren.

Ofer Comay
Champagne-Turnier 2024, Abteilung A, 3. Preis
Beweispartie in 19,5 Zügen (16+13)

 

Wenn man sich den Knoten im Südwesten anschaut, könnte man beinahe an ein klassisches Retro und weniger an eine Beweispartie denken?! Irgendwie müssen der schwarze Turm und seine beiden Läufer-Kollegen ja dorthin gelangt sein, und auch das offensichtliche „Herumgeschiebe“ der weißen Damenflügel-Offiziere wirkt schon interessant.

Die Analyse der Schlagbilanz ist schnell erledigt: Bei Schwarz fehlen [Bf7] und [Bg7] sowie ein Springer; Weiß ist komplett.

Jedoch sehen wir, dass die fehlenden schwarzen Steine nicht von Bauern geschlagen worden sein können, daher muss mindestens ein weißer Offizier bei Schwarz „abgeräumt“ haben.

Das Zählen der sichtbaren schwarzen Züge (1+2+7+4+2+1=17) zeigt, dass noch zwei schwarze Züge übrig sind – dafür haben wir vielleicht schon den Verdacht, dass sie irgendwo im Südwesten verbraucht werden mussten? Die „nur“ acht (0+0+2+2+0+4) sichtbaren weißen Züge sind natürlich der Tatsache geschuldet, dass mindestens ein Offizier auf große Tour gehen musste – und dass auch bei Weiß licherlich der eine oder andere Zug im Südwesten zusätzlich verbraucht werden musste.

Allein schon der wBa4 legt die Vermutung nahe, dass [Ta1] auf der (idealisierten) Route a1-a3-f3xf7xg7xg8-g3-a3-a2-c2 die nötigen Schläge erledigt hat – das wären neun zusätzliche Züge, wonach dann allerdings immer noch fünf frei sind: Die beiden oben gezählten Turmzüge dütfern wir natürlich nicht doppelt rechnen.

Und wenn wir nun ein wenig thematisch zu lösen versuchen, kommen wir schnell auf die Idee, dass sTc1 genau dem wTc2 hinterher gelaufen ist. Er kann auch nicht überholt haben – das wird deutlich, wenn man sich die anderen Offiziere in dem Südwest-Käfig anschaut, wer da wen in welcher Situation blockert haben muss – besonders, damit die schwarzen Läufer noch eindringen können, denn erst dann dürfen die weißen b- und c-Bauern ja die „Tür zu“ machen. Das ist besonders fatal mit [Bb2], da er ja gleichzeitig erst [Lc1] die „Tür auf“ machen kann.

Und damit zeigt sich, dass die beiden Türme über die erste Reihe einsteigen müssen, denn wenn sLa2 noch nicht dort steht, muss ja [Bb2] noch zu Hause stehen – mit anderen Worten: die Zweite Reihe ist für die Türme nicht direkt nutzbar. Und das wiederum bedeutet, dass [Sb1] Platz gemacht haben muss – auf a3, wo er wiederum recht hinderlich ist.

Nun haben sich die freien Züge deutlich reduziert, da habt ihr nun sicher den Ehrgeiz, den Rest noch selbst zu finden?!

Lösung


Interessant ist der Kommentar des Preisrichters Michel Caillaud, den ich hier gern vollständig zitieren möchte:

„The most convincing orthodox realization featuring 2 main thematic pieces, one following the other.
7 thematic squares for 2 Rooks. It is important that there is no extra square visited by one Rook and not by the other. In order to reach this goal, a nice point is the tempo move 9.Ta2!
A third Rook follows on 2 squares.
Some composers tried to pack as much thematic elements as they could but I considered for the ranking only what appeared as the « main line » to me.
(here the composer indicates that squares b1 and a3 are thematic for white Knight and black Rook, which I didn’t notice; fortunately the problem can be appreciated without that…).“

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