Retro der Woche 39/2024

Zu Beginn des Jahrtausends tauchte plötzlich ein junger Stern aus der Schweiz am Beweispartien-Himmel auf, der schon zehn Jahre zuvor als Teenie mit orthodoxen Zwei- und Dreizügern aufgefallen war, dann ein paar Jahre später mit extremen Märchenschach-Aufgaben auf sich aufmerksam machte, und nun rasant mit seinen Beweispartien begeisterte: Reto Aschwanden, der vor einiger Zeit das sehr schnelle und auf quasi allen Rechnerplattformen laufende Prüfprogramm Stelvio für Beweispartien vorgestellt hatte, das er fleißig weiterentwickelt.

Heute will ich seine Debüt-Beweispartie in der Schwalbe in Erinnerung rufen:

Reto Aschwanden
Die Schwalbe 2001
Beweispartie in 19,5 Zügen (15+14)

 

Bei Weiß fehlt ein Springer, bei Schwarz die e- und f-Bauern. Der einzig sichtbare Schlagfall ist b2xXc3. Dort kann keiner der schwarzen Bauern direkt gefallen sein – dafür hätte etwa [Be7] zweimal schlagen müssen, wofür die weißen Schlagopfer fehlen. Also muss sich einer der beiden schwarzen Bauern umgewandelt haben, um dann selbst geschlagen worden zu sein oder einen Original-Offizier zu ersetzen. Der andere Bauer ist dann auf seiner Linie geschlagen worden. Damit haben wir alle Schlagfälle geklärt, denn der Umwandlungsbauer muss ja, um hinter die weiße Bauernkette zu kommen, den weißen Springer geschlagen haben.

Zählen wir die sichtbaren schwarzen Züge, so kommen wir auf 1+1+4+2+3+1=12 – hinzu kommen die fünf des Umwandlungsbauern. Damit bleiben nur zwei Züge, um das Schlafopfer nach c3 zu bringen; gleichzeitig bleibt für den direkt geschlagenen schwarzen Bauern kein Zug mehr übrig; er starb also zuhause. Für das Phönix-Thema bleibt keine Zeit, also verschwand der Umwandlungbauer à la Ceriani-Frolkin.

Nun zählen wir die sichtbaren weißen Züge: 1+3+0+4+1+3=12; gleich acht Züge bleiben also frei?! Da müssen wir also etwas tiefer in die Stellung einsteigen, dazu sollten wir uns überlegen, wie denn die lange Rochade vorbereitet werden konnte?

Wir sehen, dass [Lc1] sein Startfeld erst nach bxc3 verlassen konnte – also erst nach dem Schlag des Umwandlungssteins auf c3. Dabei darf der Umwandlungsbauer den weißen König nicht mit einem Schachgebot gestört haben. Kann das funktionieren?

Nehmen wir an, [Be7] hat umgewandelt: Der musste dann an [Be2] oder [Bf2] vorbeikommen. Das aber klappt nur, wenn [Be2] noch zuhause ist, also mit dem Schlag hinter [Bf2]. Das kann aber nur e3xf2+ sein. Und diesem Schachgebot müsste der König ausweichen, womit sich die folgende lange Rochade erledigt hat. [Bf7] gar müsste irgendwann hinter den weißen e-Bauern schlagen, um sich dann auf e1 umzuwandeln: Dafür müsste der König nach f2 ziehen, womit sich auch in diesem Fall die lange Rochade erledigt hat.

Also „langer Marsch“ des Königs nach c1? Das geht nur „außen herum“ über f2, was sieben Königszüge erfordert, hinzu kommt der Zug Ta1-d1, den ich oben wegen der Rochade nicht mitgezählt hatte. Passt – bis uns auffällt, dass ja [Sg1] verschwinden muss, und dann reichen plötzlich die so viel erscheinenden freien Züge doch nicht mehr aus.

Also auf direktem Wege (Ke1-b2, Td1, Kc1), was nur fünf Züge braucht; das reicht also. Dafür muss aber die Dame früh ihren Platz räumen: Wie passt das? Vor allen Dingen: Was spielt eigentlich Weiß, bis La3 möglich ist, was ja auch erst die Dame befreit?

Das erfordert also höchst intelligentes Rangieren – oder geht das gar nicht und erfordert eine ganz andere Idee??

Lösung


Aha, also eines meiner Lieblingsthemen bei Beweispartien, gewürzt mit weiteren interessanten Elementen — ist euch die Auswahl für den Lf1 aufgefallen? Intelligent sind auch die verräterischen Themenfelder verbaut; und nur ein Purist würde träumen, dass der Königsweg über e1 führen würde.

Diesem „Schwalbe-Erstling” sind ja erfreulicherweise noch viele Beweispartien in der Schwalbe gefolgt – und euch kann ich nur den (sicherlich überflüssigen, weil ihr das sowieso selbst wisst) Hinweis geben, dass sicherlich jede Reto-Beweispartie zu lösen oder zumindest nachzuspielen lohnt.

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