Am gestrigen Samstag hat auf der Mitgliederversammlung der Schwalbe, deutsche Vereinigung für Problemschach e.V. deren bisheriger Vorsitzende Bernd Gräfrath nach zehn Jahren im Amt nicht erneut kandidiert.
Ich hoffe, dass er nach einer verdienten Ruhe- und Erholungspause in Zukunft wieder vermehrt speziell Beweispartien komponiert, da ich seine Aufgaben sehr mag – besonders seine Märchen-Beweispartien, die häufig bei eingängigen Bedingungen einen „Kampf gegen die Forderung“ zeigen: Manchmal werden Märchenbedingungen genutzt, um Aufgaben korrekt zu bekommen – Bernd nutzt sie hingegen, um eben die naheliegenden Möglichkeiten der Bedingungen außen vor zu lassen, im Gegenteil die Schwierigkeiten zu betonen, die sich durch Zugeinschränkungen oder andere “Störungen des Betriebsablaufs” aufgrund der Bedingung ergeben können.
So auch in unserem heutigen Beispiel: Beim Längstzüger muss Schwarz den geometrisch längsten legalen Zug ausführen; bei mehreren gleichlangen hat er freie Auswahl. Die Länge eines Zuges wird von Feldmittelpunkt zu Feldmittelpunkt gemessen – und das zeigt zum Beispiel „nach Pythagoras“, dass a1-f6 länger ist als a1-a7. Bei der Rochade werden die Längen beider Teilzüge addiert.
König & Turm 2011, 4. Preis
Beweispartie in 13 Zügen, Längstzüger (16+10)
„Thematisches Lösen“ kann auch die ursprüngliche Veröffentlichungsquelle berücksichtigen, und der Titel der Zeitschrift, die Hanspeter Suwe lange Zeit als „Einzelkämpfer“ herausgegeben hat, sagt schon eine Menge über deren thematischen Schwerpunkt aus: Die Rochade. Und auch der Blick aufs Diagramm zeigt die „Lange-Rochade-Stellung“ bei Weiß, und Schwarz steht spungbereit – dazu müsste Weiß nur die Überdeckungen von d8 und c8 beseitigen?
Stellen wir aber zunächst einmal grundsätzliche Überlegungen zu Längstzüger-Partien an: Solange nicht etwas Besonderes passiert, kann Schwarz nur seine Springer ziehen. Daher verwundert es nicht, dass die bei Schwarz im Diagramm fehlen. Sind die verschwunden, sind erst einmal Bauern-Doppelschritte angesagt, die dann aber normalerweise Langschrittlern Bahn geben, sodass sich dann ein „richtiges Spiel“ entwickeln kann.
In diesen „richtigen Spiel“ fehlen bei Schwarz neben den Springern noch die Dame, der weißfeldrige Läufer sowie [Ba7] und [Bd7], die ja wegen des „weißen full house“ auf dem Brett nicht geschlagen haben können.
Zählen wir die weißen sichtbaren Züge, so kommen wir auf 11: 1+1+0+1+3+5. Damit sind noch zwei Züge frei. Bei Schwarz hilft das Zählen erst einmal nichts, da wir nur zwei Züge im Diagramm sehen.
Können wir schon einmal Hypothesen entwickeln, wo Steine geschlagen werden konnten? Für die Springer bieten sich, weil es so am schnellsten geht und wBf6 das nahelegt, die Felder e5 und f6 an: Da kommt Schwarz mit drei Zügen aus.
Was war mit [Lc8]? Für den gibt es neben seinem Ausgangsfeld eigentlich nur zwei mögliche Sterbefelder: d7 nach einer Schach-Abwehr über die Diagonale a4-e8 oder h3 aufgrund der Längstzügerbedingung. Und das würde sofort zusätzliche Züge von Weiß erfordern.
Unmd was kann der letzte schwarze Zug gewesen sein? Aufgrund der Bedingung nur Kd7-e8 (warum nicht Kd8-e8?) nach einem Schachgebot oder Td8-a8 (warum nicht Tc8-a8?). Und damit hat sich die Vermutung „Schwarz steht bereit zur Rochade“ zerschlagen!
Was dann, wie ist die Stellung unter der Längstzüger-Bedingung entstanden? Bei 13 Zügen und nach unseren Vorüberlegungen sollte das nicht mehr allzu schwer sein zu lösen?
Und mal wieder eines der Lieblingsthemen von mir, für das sich Bernd auch immer wieder begeistern kann. Sehr hübsch, sehr sparsam, wie ich finde!
Ist euch übrigens etwas aufgefallen? Längstzüger-Züge sind immer auch legale, also „orthodoxe“ Züge; diese Bedingung ist also insofern einfach, dass sie die Anzahl der legalen Züge echt einschränkt, aber keine zusätzlichen Züge oder Zugwirkungen zulässt. Fallen euch hierzu noch weitere Bedingungen ein? OK, natürlich analog „Kürzestzüger“ – aber auch noch “richtig” andere?
> diese Bedingung ist also insofern einfach, dass sie die Anzahl der legalen Züge echt einschränkt, aber keine zusätzlichen Züge oder Zugwirkungen zulässt. Fallen euch hierzu noch weitere Bedingungen ein?
All (non-ultra) reflex-conditions (mustmate, mustcapture, forced field).
For a somewhat related example, see ‘Half Proof Games’ (Problemas 22, April 2018, p. 617). In that case, White’s proofgame moves are restricted to those that make Black’s sequence of moves unique. Note, however, that this condition implies knowledge of future moves. Under this restriction, otherwise impossible orthodox proofgame themes can be shown.
(…) diese Bedingung ist also insofern einfach, dass sie die Anzahl der legalen Züge echt einschränkt, aber keine zusätzlichen Züge oder Zugwirkungen zulässt.
I had also thought about this. These diagram positions can be seen as ‘conditional problems’ (i.e., we know that the game was played, or is going to be played, under certain restrictions). In this regard, all conditional problems can be equivalently formulated so as to obey a given fairy condition.