Nicht nur die Beweispartien, wie wir das beispielsweise im letzten Retro der Woche gesehen hatten, waren in der US-amerikanischen Zeitschrift StrateGems bis zu deren Ende 2022 von exquisiter Qualität, sondern auch die klassischen Retros zeigten hohes Niveau und große thematische Bandbreite.
Das zeigte sich auch im letzten Informalturnier, von dem ich bereits den ersten Preis, ein unglaublicher Illegal-Cluster-Task und den zweiten Preis, ein klassisches Auflöse-Retro, vorgestellt hatte. Das auf Platz drei gelandete Problem ist ein höchst originelles Rebus-Problem, bei dem also aus den angegebenen Buchstaben erst einmal die Stellung rekonstruiert werden muss, bevor die Zusatzfrage beantwortet werden kann. Und, so viel kann ich schon verraten, die Zwillingsfassung hat es in sich!
StrateGems 2022 ‚Reflect‘– 3. Preis
Forderung siehe Text
Hier zunächst die Forderung: „Unterschiedliche Buchstaben bedeuten unterschiedliche Steinarten, Groß- und Kleinschreibung bedeuten verschiedene Farben. Bestimme die Stellung und den letzten Zug. – b) horizontal gespiegelt.“
Wie kann man solche Aufgaben lösen? Versuchen wir also, aus den Buchstaben Rückschlüsse auf die Steine zu ziehen. Vielleicht wird zwischendurch schon die Farbverteilung klar, vielleicht auch erst zum Schluss.
Hier ist die Klärung, was Könige und was Bauern sind, recht einfach. Die Bauern sind Cc – nicht etwa, weil gleich sieben Mal „C“ vorkommt, mit solchen “plausiblen” Überlegungen wäret ihr schon bei einigen Rebus-Aufgaben gescheitert! Nein, aber alle anderen Steine stehen mit mindestens einem Exemplar auf der ersten bzw. achten Reihe. Und auch die Könige können wir leicht als Rr identifizieren: Sie sind die einzigen Steine, die je Farbe exakt einmal vorhanden sind.
Nun wird es etwas schwieriger.
Ee sind Türme, denn anderenfalls gäbe es um R herum nicht erklärbare Doppelschachs. Damit steht r im Schach durch E. Ff können nicht Dame sein: beide Könige stünden im Schach. Ff können aber auch keine Läufer sein, da ansonsten R in einem illegalen Droppelschach stünde, Ff sind also Springer. Tt sind keine Damen, denn dann stünden wieder beide Könige im Schach (R durch t, r durch E). Also sind Tt die Läufer, womit für L noch die Dame übrig bleibt.
Nun können wir uns um die Farbverteilung und den letzten Zug Gedanken machen:
Nehmen wir an, dass in a) die Großbuchstaben für Weiß stehen: Dann war der letzte Zug c/e7xd8=T+. Wegen der Bauernstellung und der Offiziere auf der ersten Reihe könnte aber der weiße König die Grundreihe nicht verlassen können – also stehen die Großbuchstaben für Schwarz, und der letzte Zug war O-O-O+.
In b) funktioniert diese Rochade natürlich nicht, also stehen hier die Großbuchstaben für weiße Steine; der König konnte nach kurzer Rochade die erste Reihe verlassen. Dafür wurde [Lf1] zuhause geschlagen, auf der f-Linie starb [Ta1], der andere Bauer auf dieser Linie kommt also von f7, da nur zwei weiße Steine fehlen.
Bei Schwarz wurden Dame und sechs Bauern geschlagen; nur [Ba7] konnte (auf a1) umwandeln. Somit konnte Weiß nur zwei Offiziere schlagen, einen davon auf e8. Nun betrachten wir g3: War der Schlag dort h2xBg3, dann war der schwarze Schlag exTf. Wollte nun Weiß fxe8 spielen, hätte er auf e6, f7 und natürlich e8 Offiziere schlagen müssen, so viele hochrangige Schlagopfer stehen aber nicht zur Verfügung. Schlug er allerdings auf g3 einen Offizier, braucht Weiß ebenfalls auf f7 und e8 Offiziere als Schlagopfer – wieder eins zu viel! Also d7xXe8+. Und X kann kein Läufer sein (Felderfarbe!) aber auch wegen illegalen Schachgebots nicht Dame oder Turm. Also letzter Zug: d7xSe8=T+.
Das ist schon höchst originell, dass die Spiegelung an der Mittelachse über den bekannten Rochade-Trick die Farbvertauschung erzwingt – dass dies aber auf der anderen Seite auch den Rochadetrick braucht, ist schon bemerkenswert.