Im letzten Retro der Woche hatte ich eine Aufgabe aus diesem Jahr vorgestellt — heute möchte ich genau 100 Jahre zurückspringen.
Bereits in ihrem dritten Heft im Oktober 1924 veröffentlichte Die Schwalbe einen mehr als zweiseitigen Artikel „Einführung in das Retroschach“ von Hans Klüver (4.3.1901–26.2.1989), den vielleicht der eine oder andere, der sich schon länger mit Problemschach befasst, noch von seinen Besuchen beim Andernach-Treffen und seinen dortigen Vorträgen oder Märchenturnieren persönlich kennt.
Allein das ist sicher bemerkenswert, aber auch die Länge des Beitrags, bedenkt man, dass das Heft damals einen Umfang von acht Seiten hatte.
Klüver war mit seinen 23 Jahren schon kein Problem- oder Retro-Greenhorn mehr; er hatte bereits verschiedene und bemerkenswerte Artikel zur Problemtheorie veröffentlicht, etwa seine Beiträge zur „Schnittpunkt-Systematik“ und zu „Schnittpunktphänomene in der retrograden Analyse“, ein 20-seitiger, immer noch lesenswerter Beitrag im Kongressbuch des Schachkongresses von Teplitz-Schönau 1922.
In seinem Schwalbe-Beitrag stellte er neben einem eigenen Urdruck die folgende kurz zuvor erschienene Aufgabe des Rumänen Léon Loewenton (6.1.1889–23.9.1963) vor, die didaktisch wegen ihrer Zwillingsbildung sicherlich gut für solch einen Artikel gewählt war.
Chess Amateur 1924
a) Der weiße K hat gezogen, b) Der weiße K hat nicht gezogen. In welchem Falle kann Weiß in 2 Zügen matt setzen? (13+14)
In seinem Artikel geht Klüver speziell auf die Retro-spezifischen Rückzugsweisen: den Entschlag, die Entwandlung, den Entwechsel (so nannte er die Rücknahme der Rochade) und den Entkreuzschlag (Rücknahme eines Schlagens im Vorübergehen) ein.
Den folgenden Teil, in dem er die Lösung des Loewenton-Stücks vorbereitet, möchte ich wörtlich zitieren, ebenso wie seine Darstellung der Lösung, die ich aber wie üblich zunächst „verstecke“:
Kommen im Verlaufe rückläufigen Zugfolgen Stellungen vor, in denen kein Retrozug mehr zur Verfügung steht, so sagt man , die betr. Partei ist retropatt . Retropatt ist natürlich immer zu vermeiden, da solche Stellungen im rechtläufigen Sinne partieunmöglich sind. Ein einfaches Beispiel ist folgender Dreisteiner von H. Schumann in Freiburg (D. Wsch. 1915) Weiß. Kf8, Bh7; Schwarz. Kh8. Weiß nimmt zurück und setzt in einem Zuge matt. Einzige Lösung: Bg6xLh7 zurück nebst g6-g7#. Die Rücknahme Bg6xBh7, die von fast allen Partiespielern zunächst versucht wird, ist falsch, da Schwarz keinen letzten Zug hätte , also retropatt ist.
Bei Ausführung von rückläufigen Zugfolgen ist stets darauf zu achten, keine, Figuren „auszusperren”. Z. B. Bauern nach b2 und d2 zurückzuführen, ohne den weißen Damenläufer nach c1 zu leiten (vorausgesetzt, daß nicht die Möglichkeit besteht, ihn dort zu entschlagen). Aehnlich dürfen auch T, D oder K von ihren Originalfeldern oder Figuren von ihren Entwandlungsfeldern nicht abgesperrt werden.
Eine Analyse unter Anwendung des retrograden Zugsystems wollen wir an unserer zweiten Aufgabe vornehmen.
Loewenton hat recht viele „Vorwärtsspiel-Retros“ gebaut, bei denen es natürlich meist um die (Nicht-)Zulässigkeit von Rochaden geht.
> über a8 und e8 nach g8
The white rook doesn’t have to go through a8 (Ra7-b7-b8) but he does need to go through e8.
“Th1 über a8 und e8 nach g8!” Soll das vielleicht “Th6” heißen?
Das Buch
‘J. Schorr (Herausgeber), Schachkongress Teplitz-Schönau im Oktober 1922’
mit den oben genannten Beiträgen von Hans Klüver sowie Beiträgen zu anderen Problemthemen läßt sich übrigens mit folgendem Link laden (gescannt und digital zur Verfügung gestellt von Google) und als pdf-Datei speichern:
https://books.googleusercontent.com/books/content?req=AKW5QafnX83iwCOFf2uHdhz5PdbdiCMLFP4ki5P3yueIVhcD3ruFrkAaaXNKLnIpEuVIPFAl8ernnodC8IY0VE06AYV9elpdPBXsUYwcrRX2YeHaIzjXoFmZ6oId6osLc-S4EK71BifnrQF4s-xQ123s0gERPm9-oV3AgEYagKg1GEdQ3U1-js0htx1tWO03SfeIZSZxJcukYO3sBU_gqzX0_hety_GNpdDBOUlF9RDPKTK8okQMgeiPsnjZa8fyUTzNdrs86rWm2A4Fh5bgJaWHlwMNS8FcvT5bG4IABSqIQHLYpROEVcY