Neben den bekannten Typen „Proca“ und „Høeg“ gibt es noch eine dritte, recht seltene Art des Verteidigungsrückzügers: Den „Pacific Retractor“. Der hat erst einmal nichts mit dem Ozean zu tun, allerdings stammen beide Begriffe vom lateinischen „pax“ – Friede ab.
Der Lösungsverlauf eine Pacific Retractors ist völlig schlagfrei – im Rückspiel darf nicht entschlagen, im abschließenden Vorwärtsspiel nicht geschlagen werden. Damit passt er doch ganz hervorragend in die (hoffentlich friedliche!) Weihnachtszeit. Aktuell, im gerade erschienen Dezemberheft der Schwalbe, wurde ein Exemplar dieses seltenen Spezies mit dem ersten Preis im Informalturnier des Jahres 2022 ausgezeichnet; dieses Stück möchte ich euch gern vorstellen.
Die Schwalbe 2022, 1. Preis
#1 vor 28 Zügen, Pacific Retractor (7+10)
Den zweizügigen Hauptplan zu finden ist nicht sonderlich schwer: die Halbbatterie sticht doch deutlich ins Auge. : R 1.Kd2-e2 e4-e3+ 2.Le2-d1 & 1.f4#?? Kh4! Wenn wir es schaffen, dieses Feld zu blocken oder zu decken, sind wir ja „schon“ fertig.
Das lässt sich mit R 1.Kd2-e2 e4-e3+ (1. Mal) 2.Ke3-d2 Le1-f2+ 3.Kd2-e3 Lf2-e1+ (2. Mal) 4.Ke3-d2 Le1-f2+ 5.Kd2-e3 e2-e1=L+ (wegen der Illegalität dreifacher Zugwiederholung erzwungen) 6.Ke1-d2 Th2-h1+ 7.Kf1-e1 e3-e2+ (1. Mal) 8.Ke2-f1 Th1-h2+ 9.Kf1-e2 Th2-h1+ (2. Mal) 10.Ke2-f1 Th1-h2+ 11.Kf1-e2 h2-h1=T+ (erzwungen) 12.Kg2-f1 h4-h3+
13.Le2-d1 & 1.f4# – fertig!?
Aber Schwarz hat eine Vorwärtsverteidigung: 6.– Th2-h1+ & 1.– e:d1=D,T/Da5# – also benötigen wir einen weiteren Vorplan, der diese Verteidigungsmöglichkeiten des Schwarzen verhindert, nämlich diese Matts ausschaltet.
R 1.Kd3-e2! Lb3-c2+ 2.Kc2-d3 La2-b3+ (1. Mal) 3.Kc1-c2 Lb1-a2+ 4.Kc2-c1 La2-b1+ (2. Mal) 5.Kc1-c2 Lb1-a2+ 6.Kc2-c1 b2-b1=L+ (erzwungen) 7.Kb1-c2 Ta2-a1+ 8.Kc1-b1 b3-b2+ (1. Mal) 9.Kb2-c1 Ta1-a2+ 10.Kc1-b2 Ta2-a1+ (2. Mal) 11.Kb2-c1 Ta1-a2+ 12.Kc1-b2 a2-a1=T+ (erzwungen) 13.Kc2-c1 b5-b4+. Die Ausführung des ersten Vorplans scheitert aber noch immer: 14.Kd2-c2 e4-e3+ (1. Mal) 15.Ke3-d2 Le1-f2+ 16.Kd2-e3 Lf2-e1+ (2.Mal) 17.Ke3-d2 Le1-f2+ 18.Kd2-e3 Ld2-e1+ (3. Mal!), und nun muss Weiß 19.c2-c4 zurücknehmen: Wegen des wBb4 scheitert das Remispendel, da Schwarz das e.p.-Recht für den Bauern reklamiert: Das Zugrecht ist auch im Pacific Retractor da –- es darf halt nicht ausgenutzt, gespielt werden. Deswegen benötigt Weiß einen weiteren Zwischenplan, um diese spezielle schwarze Verteidigung auszuschalten: R 14.Kb3-c2! a5-a4+ 15.Kc3-b3 b5-b4+. Nun kann der Vorplan zum Block der Flucht ausgeführt werden: R 16.Kd2-c2 e4-e3+ (1. Mal) 17.Ke3-d2 Le1-f2+ 18.Kd2-e3 Lf2-e1+ (2. Mal) 19.Ke3-d2 Le1-f2+ 20.Kd2-e3 e2-e1=L+ (nun erzwungen) 21.Ke1-d2 Th2-h1+ 22.Kf1-e1 e3-e2+ (1. Mal) 23.Ke2-f1 Th1-h2+ 24.Kf1-e2 Th2-h1+ (2. Mal) 25.Ke2-f1 Th1-h2+ 26.Kf1-e2 h2-h1=T+ (erzwungen) 27.Kg2-f1 h4-h3+. Und jetzt endlich klappt der Hauptplan: 28.Le2-d1 & 1.f4#.
Vier einheitliche Remispendel, die mit Entwandlung enden, sowie das Verhindern eines e.p.-Schlags sind nötig, damit der Hauptplan funktioniert –- das ist schon bemerkenswert!
Richter Richard Dunn meinte dazu: „Obwohl die Bedingung es etwas leichter macht, ist es immer noch ein sehr schönes Problem und verdient es, ins FIDE-Album aufgenommen zu werden.“
Ja, dem Pacific Retractor fehlt sicherlich ein spezifischer Reiz der meisten Retro-Aufgaben, nämlich der Entschlag; damit wird andererseits höchst elegant eine große Zahl von Remispendeln dargestellt. Ich könnte mir auch sehr gut vorstellen, das Stück im Album noch einmal sehen zu können.