Retro der Woche 02/2025

Eine meiner Lieblings-Märchenbedingungen ist „monochromes Schach“: Weil einerseits die Bedingung quasi mit einem Satz erklärt werden kann („Es sind stets nur Züge erlaubt und legal, deren Ausgangs- und Zielfeld von gleicher Farbe sind; Rochaden gelten als Königs- und Turmzug.“), sie gleichzeitig aber unglaublich tiefsinnige Aufgaben erlaubt.

Gerade „monochrome Retros“ besitzen häufig in „einfacher“ Stellung unerwartete Tiefe, wie vor allem die Spezialisten Thierry Le Grleuher und René J. Millour schon vielfach gezeigt haben. Heute möchte ich ein solches Stück aus dem 2022er Retro-Preisbericht der Schwalbe vorstellen.

Thierry Le Gleuher
Die Schwalbe 2022, 2. ehrende Erwähnung
Wo wurde sTa8 geschlagen? Monochromes Schach (8+5)

 

Aus der Definition ergibt sich beispielsweise sofort, dass Springer nie ziehen können, dass eine lange Rochade niemals möglich ist, dass ein Bauer mindestens vier Schläge bis zur Umwandlung benötigt.

Auch für Türme können wir wichtige Aussagen treffen: Weiße Türme können nur auf ungerade, schwarze nur auf gerade Reihen ziehen, bei Umwandlungstürmen ist es genau anders herum. Wir können also im Diagramm für jeden Turm eindeutig entscheiden, ob er durch Umwandlung entstanden oder der Originalstein ist.

So fällt hier also sofort auf, dass wTg4 erwandelt wurde, was allein schon vier Bauernschläge auf weißen Feldern erfordert hat.

Bei der Lösungsangabe orientiere ich mich an der hervorragenden Erklärung von Manfred Rittirsch aus der Schwalbe Dezember 2022.

[Sb1] kann nur von einem Umwandlungsstein mit Orthogonalwirkung geschlagen worden sein: Bauer, Läufer und Springer scheiden aus, [Ta8] kann nicht die erst Reihe erreicht haben, [Dd8] hat die falsche Felderfarbe. Das erfordert mindestens vier Schläge, und weil auch der [Lc1] zuhause geschlagen wurde, bleiben nur noch drei Schlagfälle für Schwarz übrig, was für eine zweite Umwandlung nicht ausreicht. [Lc1] wurde also durch die [Dd8] geschlagen. Nur der [Bf2] kann nach c5 gelangen und muss dazu die [Dd8], den [Lf8] und einen sB geschlagen haben, wofür nur [Bc7] in Frage kommt. Der wK kann die Grundreihe erst verlassen, wenn der [Bf2] gezogen hat. Deshalb kommt auch die [Dd8] nicht vorher auf die weiße Grundreihe. Das bedeutet, dass [Lf8] durch den befreienden Bauernschlag auf e3 geschlagen wurde (und [Dd8] auf d4). Dazu muss der [Be7] aufmachen und e5 besetzen, bevor der wK sowie [Ta1] die Grundreihe verlassen können. Mit sBe5 kommt aber keiner von beiden mehr auf die linke Bretthälfte, und es stellt sich die Frage, wer den [Ba7] geschlagen hat. Die Antwort ist der ep-Schlag durch den [Be2] auf seinem Weg zur Umwandlung auf dem Feld a8 in den Turm, der im Diagramm auf g4 steht (dieser kann ja offensichtlich nicht der [Th1] sein). Vor jenem ep-Schlag kann der [Ta8] nicht ziehen und danach auch nicht, weil der wBa6 im Wege steht. Dieser muss also erst nach b7 schlagen, entweder den [Bb7] oder jenen Umwandlungsstein, der auf b1 geschlagen hat. Eine Beweispartie zeigt jedoch, dass es anschließend ZWEI mögliche Schlagfelder für den [Ta8] gibt, nämlich a8 oder c8. Dies hat der Autor akzeptiert.

Manfred hält die Forderungsfrage für „ganz schön hinterhältig“, denn eigentlich sei nicht das Schicksal des sTa8 entscheidend, sondern die Antwort auf die Frage: “`Was geschah mit dem sBa7?”

Es ist immer wieder erstaunlich, welch subtilen und tiefsinnigen Schlüsse man aus so einfach ausschauenden Stellungen im monochromen Schach ziehen kann. Ihr versteht nun vielleicht, warum ich diese Bedingung so mag?

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