Retro der Woche 05/2025

Preisrichter Richard Dunn hatte seinen Bericht zu den 2022er Retro-Urdrucken der Schwalbe in zwei Abteilungen aufgeteilt – nicht, wie man vielleicht erwarten könnte, in „orthodox“ und „Märchenaufgaben“, sondern in „Beweispartien“ sowie „Retraktoren und andere Typen“, und das halte ich für sehr sinnvoll: Eine Märchen-Beweispartie ist mit einer orthodoxen näher „verwandt“ als mit etwa einem Verteidigungsrückzüger gleicher Märchenart: die Forderung „Beweispartie in n Zügen“ ist unabhängig vom „orthodoxen“ oder etwas abgeänderten Regelwerk, während Madrasi-Retraktoren völlig andere Ideen verfolgen als Madrasi-Beweispartien.

Michel Caillaud
Die Schwalbe 2022, 3. Preis
Beweispartie in 14 Zügen, Circe Rex Inklusiv (15+16)

 

Die Regel, die Michel bei seiner heutigen Aufgabe anwendet, ist eigentlich selbsterklärend: „Ganz normales“ Circe, bei der aber auch die Könige geschlagen und wiedergeboren werden können. „Matt“ ist ein König erst, wenn er angegriffen ist, sein Schlag nicht zu verhindern ist (so weit „orthodox“) UND die Wiedergeburt zu Hause nicht möglich ist.

Wie kann man das Lösen solcher Aufgaben angehen? Etwa, indem man, wie Silvio Baier „thematisch“ denkt: „Was könnte Michel bei dieser Bedingung und den prägnanten Rochadestellungen wohl aufs Brett gezaubert haben? Dc1 und Dg8 suggerieren auch gleich noch zusätzlich die Idee. Diese ist nett, sparsam und lösbar hingestellt.“

Dass Michel solch eine Bedingung nicht nutzt als reines Hilfsmittel, um eine Aufgabe korrekt zu bekommen, kann man garantiert annehmen. Dass das Thema etwas mit Königen und Königsschlägen zu tun hat, liegt bei der Bedingung auch auf der Hand. Und so ging es dann auch Manfred Rittirsch beim Lösen: „Wenn man das Thema ahnt, fällt die Lösung trotz des vorausschauenden aktiven Läuferopfers nicht allzu schwer, zumal fast alle verfügbaren schwarzen Züge dem Diagramm zu entnehmen sind.“

Und dann macht auch die Bemerkung von Silvio zu den Diagrammfeldern der Damen Sinn: Sind das doch die Zielfelder der Könige bei Rochaden …

So selbstverständlich findet sich die Lösung dann trotzdem nicht, auch wenn man die Thematik erahnt, denn Circe und seine Varianten sperren sich durch die Wiedergeburten der Schlagopfer, bei Bauern auch auf anderen Linien, ziemlich geschickt gegen klassische retroanalytischen Überlegungen, wie wir sie im Blog auch häufig anstellen. Trotzdem kommt man hier auch mit Züge zählen recht weit, und die Lösung entschädigt dann sicher für die eine oder andere Löse-Mühe?

Lösung

1.d3 e6 2.Lg5 Lb4+ 3.Sd2 d6 4.e3 Ld7 5.Dh5 Lc6 6.0-0-0 D:g5 7.h3 Dg4 8.Th2 Dxd1[Th1] 9.Le2 Dxc1[Ke1]+ 10.Ld1 Se7 11.Se2 0-0 12.0-0 f6 13.Df7 Sd7 14.Dxg8[Ke8] 0-0-0

Manfred Ritirsch wieder: „Das ist wirklich ein Parademotiv für den Circekönig: beide Parteien führen in einer einzigen (erstaunlich kurzen!) Zugfolge jeweils beide Rochaden aus!“

Und wie steht ihr zu seiner kleinen Kritik an der Aufgabe? „Daß Schwarz beide Türme verwendet, während es bei Weiß zweimal derselbe ist, mindert ein wenig das Vergnügen am seltenen Spektakel.“ Stört euch das – ebenso wie vielleicht die unterschiedliche Rochade-Reihenfolge – oder ist das für euch erfreuliche Abwechslung?

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