Wieso die Spezialform des Serienzug-Hilfsmatts, mit der wir uns heute beschäftigen wollen, mit dem Attribut “konsequent” beschrieben wird, hat sich mir noch nie so ganz erschlossen. Vielleicht wegen “konsequenter Amnesie”? Jedenfalls definiert sie das Schwalbe-Problemschachlexikon so:
“Ein Serienzüger, bei dem nach jedem Zug die Retroanalyse der Stellung neu durchgeführt wird (also ohne Kenntnis früherer Züge und Analysen). Beispielsweise wird eine Rochade wieder möglich, wenn König und Rochadeturm auf ihre entsprechenden Felder ziehen (weil in der neuen Analyse ‘vergessen’ ist, dass beide bereits gezogen haben).”
Damit sind nette Spielereien mit Mehrfachrochaden möglich — aber auch tiefsinnigere Retro-Überlegungen, wie in dem Stück, das wir uns heute gemeinsam anschauen wollen:
The Problemist 2022, 3. Lob
Konsequentes Serienzughilfsmatt in 31 Zügen (7+11)
Weiß hat nach 31 schwarzen Serienzügen ja nur den Mattzug; das schränkt die Möglichkeiten des Mattsetzens schon deutlich ein. Der wLb6 taugt hier zum Mattsetzen überhaupt nicht, da dazu der schwarze König sein Eckfeld verlassen müsste — das aber funktioniert nur ohne den Läufer.
Das einzig vorstellbare Matt ist axb7#. Das aber setzt voraus, dass sTa7 das Mattfeld b7 nicht mehr deckt. Heraus kommt er aber nur, wenn er nicht den wBa6 schlagen will, nachdem wLb6 verschwunden ist. Dann aber muss a7 dem schwarzen König auf andere Weise unzugänglich gemacht werden. Weiß kann das Feld nicht selbst decken, also muss es durch Schwarz blockiert werden. Wer kommt dafür in Frage?
Turm und Dame offenbar nicht, denn sie decken b7. Auch kein Springer, da er ein Schachgebot gegen den weißen König gäbe — also muss es ein Läufer sein. Ein schwarzfeldriger schwarzer Läufer ist aber weit und breit nicht zu sehen, muss also durch Umwandlung entstehen — aber wie? Mögliche Umwandlungen auf b1, f1 oder h1 liefern bestenfalls weißfeldrige Läufer.
Und da kommt nun die “Konsequenz-Bedingung” ins Spiel: Können wir damit nicht irgendwie hxg3ep ermöglichen, sodass der Bauer auf g1, also schwarzfedrig umwandeln kann? Dazu müssten wir mit schwarzen Serienzügen eine Stellung erspielen, in der, wäre sie “normal” in einer Partie entstanden, g2-g4 nachweislich der letzte weiße Zug gewesen wäre. Dass wBg4 schon im Diagramm dort steht, haben wir dann wegen unserer Amnesie ja längst vergessen — oder sollte ich hier besser sagen “verdrängt”?
Wie können wir das erreichen? Dazu müssen wir einerseits des schwarzen König nach f4 bekommen, um g3-g4 als letzten Zug auszuschließen, und wir müssen natürlich den weißen König sowie den a-Bauern retroanalytisch patt setzen, dass sie nicht zurücknehmen können.
Das solltet ihr nun mal versuchen — anschließend die Zugfolge zum Matt zu finden, das wir ja schon prinzipiell entdeckt haben, sollte dann nicht mehr allzu schwierig sein.
Und nun zum Schluss noch die Frage, wozu der wBf5 gebraucht wird? Nun, nach dem 21. Zug muss die Stellung ja auch legal sein: Schwarz ist mit seinem 22. Zug an der Reihe, also braucht Weiß einen letzten Zug — und das kann nun g4xXf5 gewesen sein.
Interessante Strategien sind mit dieser eigentlich sehr einfachen Märchenbedingung möglich!