Retro der Woche 42/2024

Bleiben wir nach dem Retro der Woche 39/2024 und der „Zwischendurch“-Beweispartie von Retos gestrigen 50. Geburtstag noch einen Moment bei Aufgaben von ihm. Das heutige Stück ist wiederum recht typisch für den Komponstionsstil von Reto Aschwanden: Nicht besonders lang, aber strategisch mit Tiefgang und Überraschungen. Preisrichter Michel Caillaud hatte darüber gesagt: „A stunning masterpiece which I expect will be widely reproduced.“

Dann wird es auch höchste Zeit, dass wir es uns hier anschauen…

Reto Aschwanden
Messigny 2004, 1. Preis
Beweispartie in 18 Zügen (12+14)

 

Bei Weiß fehlen vier Bauern, bei Schwarz zwei; alle Offiziere sind noch an Bord. Zählen wir erst einmal die sichtbaren schwarzen Züge: 2+2+4+3+3+4=18 – alle schwarzen Züge sind also erklärt. Damit der König in zwei Zügen nach h8 kommen kann, muss er rochieren: Ohne Rochade brauchte er drei für diesen Weg, ohne dass damit ein Turm einen Zug einsparen konnte. Also müssen wir die Rochade als gesetzt nehmen.

Und wir wissen, dass die fehlenden Bauern auf ihren Partieanfangsfeldern geschlagen wurden, denn sie hatten keine Zeit zu ziehen. Damit ist klar, dass sie auf c7 und g7 geschlagen wurden.

Die fehlenden weißen Steine müssen auf Zwischen- oder Standfeldern der schwarzen geschlagen worden sein, da Schwarz keine „Umwege“ gemacht haben kann. Die Bauern auf d5 und f5 können nicht auch nicht geschlagen haben, da sie dann zweimal hätten ziehen müssen: Keine Zeit. [Bf2] kann auch nicht auf f6 geschlagen worden sein, da er nicht am schwarzen Bauern vorbei kommen konnte.

Also muss fxBg7 und dxBc7 gespielt worden sein. Diese Felder sind für Schwarz keine „Durchgangsfelder“; also müssen sich die Bauern umgewandelt haben. Damit sind zehn weiße Züge erklärt – acht Züge hat Weiß nun Zeit, seine überzähligen Offiziere loszuwerden.

Das ist aber gar nicht so einfach: Wir haben schon gesehen, das Schwarz rochieren muss. Wir müssen also dafür sorgen, dass die Umwandlungssteine die Rochade nicht behindern. Besonders kritisch ist hierbei der Umwandlungsstein auf g8: Die Umwandlung dort muss vor der Rochade erfolgen wegen des Zielfeldes h8 für den schwarzen König. Nach Wegzug vom Umwandlungsfeld g8 verhindert dieser Stein immer noch die Rochade.

Wohin kann er ziehen, wo sich schlagen lassen? Und was passiert mit dem anderen Umwandlungsstein auf c8? Theoretisch könnte ja zumindest einer einen weißen Originalstein ersetzen – aber wo starb der dann?

Ich lade euch herzlich ein, das herauszufinden: Mit unseren Vorüberlegungen sollte das machbar sein! Viel Spaß beim Knobeln!

Lösung


Irgendwie fand ich die Schlagfelder ziemlich überraschend, auch wenn sie komplett logisch sind — fast, um mit einer Altkanzlerin zu sprechen, „alternativlos“. Spannend finde ich auch die Manöver der Umwandlungssteine. In „schaCHkunst“, Bern 2016, wird die Aufgabe so beschrieben (ich habe eine Kleinigkeit abgeändert, um etwas weniger von der Lösung zu verraten): „Zwei weiße Ceriani-Frolkin-Steine vollführen erstaunliche Manöver, um das schwarze Spiel nicht zu behindern.“ Und wenn man es genau nimmt mit der Begrifflichkeit, könnte man auch von Prentos-Steinen sprechen.

Höchst erfrischend, auch wenn den Puristen die beiden technischen Schläge von Schwarz stören könnten.

2 thoughts on “Retro der Woche 42/2024

  1. Selten sind die guten Ideen, die einfach so zwanglos auf das Brett gestellt werden können. Meistens fehlen irgendwo Züge, es ist nicht eindeutig, es gibt NLs etc.
    Nicht hier: Es passte einfach alles, ich musste beim Komponieren fast nichts tun, alles liess sich einfach so erspielen. Ein Glücksfall.

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