Nicht so ganz einfach zu lösen erscheint mir die heutige Beweispartie. Warum? Weil sie sehr gut offensichtliche Löse-Hinweise zu verbergen mag. Und so ganz kurz ist sie auch nicht, was vielleicht subjektiv die Hemmschwelle noch einmal erhöht.
Aber einen gründlichen Blick verdient diese Aufgabe des finnischen Komponisten Unto Heinonen, der sich nicht nur auf Retros beschränkt, sondern auch ein bekannter und erfolgreicher Märchenschach- und Hilfsmattkomponist ist.
P0341 StrateGems 2012
Beweispartie in 28 Zügen (13+14)
Zählen wir die offensichtlichen Schlagfälle, nämlich solche, die eindeutig und sichtbar von Bauern durchgeführt worden sind, kommen wir auf zwei schwarze (dxe und gxh) und einen weißen (dxe3). Bei beiden Seiten bleibt also noch ein Schlag offen.
Da kommt aber zur Hilfe, dass die b- und die c-Linie beide komplett von Bauern frei sind. Alle Bauern können nicht von Figuren geschlagen worden sein, stattdessen muss es dort Umwandlungen gegeben haben – und die erfordern zumindest einen Schlag, damit die Bauern umwandeln können. Da auch in diesem Falle noch ein Schlag frei ist, können wir also schon einmal zumindest zwei Umwandlungen auf dem Damenflügel attestieren; darüber hinaus wurde der [Bg2] irgendwo geschlagen. Auch da besteht nun natürlich der Verdacht, noch nicht die Gewissheit, dass der sich ebenfalls umgewandelt hat.
Das Züge-Zählen scheint hier auch nicht weiter zu helfen: Auf dem Brett sehen wir 12 schwarze Züge (2xK, 2xT, 2xL, 1xS, 5xB) und 16 weiße (2xK, 2xD, 3xT, 4xL, 4xS, 2xB); damit sind noch 16 bzw. 12 Züge frei. Viel zu viel, um hilfreich zu sein?!
Nein, eigentlich nicht. Sowohl bei Weiß als auch bei Schwarz fehlen ausschließlich Bauern, die nicht allesamt von Bauern geschlagen worden sein können; allerdings haben wir eben schon gesehen, dass es zu mindestens einem zusätzlichen Schlag eines Bauern auf dem Damenflügel gekommen sein muss.
Nun ist etwas Löse-Psychologie gefragt: Wenn Weiß zwei Umwandlungen gemacht hätte, blieben (16+10) noch zwei Züge frei für diese Umwandlungsfiguren. Die müssen auch verantwortlich sein für die offensichtlichen Doppelbauern. Damit hätten wir als mögliche Umwandlungs- und Schlagfelder g8 (Schlag auf e6) und d8 (Schlag auf h4) – das käme genau hin. Auch wäre die Reihenfolge klar: erst d8, dann g8. Bei nur einer weißen Umwandlung hingegen blieben sieben Züge frei: Unwahrscheinlich, dass man das für korrekt halten könnte. Außerdem können wir davon ausgehen, dass jeweils Läufer erwandelt werden: Wenn auch Damen gingen, wäre das Stück defekt, Läufer lassen sich aber mit auszuschließenden Schachgeboten gegen den sK begründen. (Dieses Argument gilt natürlich nur für die Autorlösung, bei einer Suche nach Nebenlösungen wäre es unsinnig.)
Ähnlich schaut es mit den Umwandlungen bei Schwarz aus: bei nur einer Umwandlung blieben gleich elf Züge frei, bei zweien immer noch sechs, aber das ist deutlich plausibler.
Zumindest haben wir damit schon die Möglichkeiten deutlich eingeschränkt, aber es erfordert trotzdem noch einige Überlegungen und Versuche herauszufinden, dass neben den beiden erwarteten weißen Ceriani-Frolkin Läufer-Umwandlungen bei Schwarz zwei Damen-Umwandlungen erforderlich sind, die beide nach d8 ziehen (Pronkin-Thema), wobei die erste dann dort geschlagen wird für die weiße Läuferumwandlung.
1.g4 e5 2.Lg2 Dg5 3.Kf1 De3 4.dxe3 c5 5.Ld2 c4 6.La5 c3 7.Sd2 cxb2 8.c4 b1=D 9.c5 Db6 10.c6 Dd8 11.c7 b5 12.cxd8=L b4 13.Lh4 g5 14.Lb7 gxh4 15.g5 Lh6 16.g6 Lf4 17.g7 Sh6 18.g8=L f6 19.Le6 dxe6 20.Sgf3 OO 21.Tg1+ Kh8 22.Tg3 b3 23.Kg2 b2 24.Db3 Td8 25.Tg1 b1=D 26.Sf1 Td2 27.h3 Dd3 28.S3h2 Dd8.
Hier sind die beiden Elemente des Proofgame of the Future (CF(LL) & PR(dd)) bei Weiß und Schwarz durch den umwandelnden Schlag der Pronkin-Dame hübsch verknüpft.
Mario, Du solltest mal am Retro-Lösewettbewerb in Messigny teilnehmen! Dann kriegt Michel Caillaud großartige Konkurrenz…
Was Thomas als “Löse-Psychologie” bezeichnet, kennt man auch als “C+-induzierte Lösestrategie”: man geht von der Korrektheit des Problems aus (z.B. weil man weiß, daß die Aufgabe ‘C+’ ist), und leitet daraus Eigenschaften der Lösung ab (beispielsweise bei Thomas: die wUW-Figur d8 zieht nur noch einmal nach h4 und wird dann geschlagen, wäre es in der Lösung eine Dame, ginge dualistisch auch ein UW-L).
Im konkreten Fall ist aber gar nicht notwendig, mit solchen lösungserleichternden Hypothesen zu arbeiten, hier ein Versuch einer logischen Ableitung der wesentlichen Merkmale der vorliegenden BP:
Stein-Kontrolle: 13+14
=>
W hat zweimal geschlagen
– 1x Bd2xe3
– offen
* Bg2xh3, Bg3xh4
* BcxBb
* BbxBc
* ???
S hat dreimal geschlagen
– Bdxe
– Bgxh
– offen
* BcxBb (+ 2 sUW auf b1)
* BbxBc (+ 2 sUW auf c1)
* ???
wBgxh ist moeglich (Bereitstellung Schlagobjekt für sBgxh),
wBcxdxe aber nicht (Bereitstellung Schlagobjekt für sBdxe)
=> mindestens 1 wUW
sBcxdxe ist nicht möglich (Bereitstellung Schlagobjekt für wBd2xe3)
=> mindestens 1 sUW
Für die UWs kommen nur die BB b2/c2/g2 bzw. b7/c7 infrage.
Der wBg2 könnte schlaglos umwandeln,
die UW eines der sBBb7/c7 erfordert mindestens einen weiteren Schlag.
Wenn der wBg2 auf der h-Linie (als Bauer!) vom sBg7 geschlagen wurde,
erfordert dies eine zweite sUW, außerdem muß dann definitiv die
wUW des wBb2 oder c2 schlaglos erfolgt sein, was wiederum zur Folge
hätte, daß Sb8 oder Lc8 zwei Züge hätte ausführen müssen.
Zusammen mit den anderen notwendigen sZügen ergäbe dies aber mindestens
29 Züge.
=> Auf der h-Linie wurde nicht der wBg2 (als Bauer) geschlagen.
Da auf der e-Linie auch kein wB geschlagen werden konnte,
hat Weiß also zweimal umgewandelt.
Züge abzählen ergibt:
1 Bh2-h3
1 Bd2xe3
2 Lc1-d2-a5
2 Lf1-g2-b7
2 Th1-g1-g3
2 Ke1-f1-g2
2 Sg1-f3-h2
2 Sb1-d2-f1
1 Ta1-g1
1 Dd1-b3
5+x B2-8…e6/5
5+y B2-8…h6/5/4
———————-
26+x+y
=> die beiden UW-Figuren müssen das Feld, auf dem sie geschlagen werden,
jeweils in einem Zug erreichen.
Deshalb können nicht beide Bauern b2+c2 umgewandelt haben, denn da für deren UW maximal ein Schlag übrigbliebe, könnten nicht sowohl die e- als auch die h-Linie in einem Zug erreicht werden.
=> der wBg2 hat (schlaglos, wegen sBf7-6 und sBh7) auf g8 umgewandelt und wurde dann auf e6 geschlagen (also wUW-D/L)
Die einzige Möglichkeit, mit einer wUW-Figur, die aus einem der Bauern b2/c2 mit maximal einem Schlag hervorgegangen ist, auf die h-Linie zu gelangen, besteht in einer UW auf d8, und von dort zog die wUW-Figur dann nach h4.
Da dies einen weiteren Schlag erfordert, können wir präzisieren: wBc2 schlug auf die d-Linie, wandelte auf d8 um und zog dann nach h4. Erst danach konnte sBg5xh4 geschehen, die UW des wBg2 geschah also später, mithin auch der Schlag sBd7xe6.
Also zog der wBc2 zuerst nach c7 und schlug dann nach d8.
Weiter wissen wir nun: die sBBb7+c7 wandelten auf b1 um (nur so kommen sie dem wBc2 nicht in die Quere), wozu der sBc7 zunächst bis c3 zog, dann den immobilen wBb2 schlug und so auch den Weg für seinen Kumpan auf b7 freimachte.
Damit ist auch klar: auf e3 wurde eine schwarze Originalfigur geschlagen (erst danach konnte der wSb1 das Feld b1 freimachen). Ferner gilt: da beide weißen Schläge auf schwarzen Feldern stattfanden (e3+d8), ist sLc8 der Original-L. Da beide sUWs auf dem weißen Feld b1 stattfanden, ist auch der sLf4 ein Original-L.
Einen Original-S oder T nach e3 und die entsprechende UW-Figur zur 8. Reihe bzw. nach d2 zu führen, kostet zu viel Zeit, also wurde auf e3 die Original-sDd8 geschlagen.
Der sTh8 wird erst beweglich, nachdem g7-g5 geschah, was aber die vorherige wUW auf d8 (und damit das Verbringen eines sSteins nach d8), gefolgt von wUW-Figur_d8-h4 voraussetzt. Original-sT/L/S kommen nicht als Schlagobjekt auf d8 infrage, die Original-sD wurde auf e3 geschlagen, also wurde auf d8 die erste sUW-Figur, die auf b1 entstand, geschlagen.
In zwei Zügen schafft das nur eine sUW-D (nicht vergessen, auf d7 steht zu diesem Zeitpunkt noch ein sB, und e3 ist durch einen wB blockiert. Damit die sUW-D es in zwei Zügen nach d8 schafft, darf der sBb7 zu diesem Zeitpunkt noch nicht gezogen haben.
Das Zuggerüst beider Parteien steht damit in mehr als nur groben Zügen fest, der Rest ergibt sich mehr oder weniger automatisch.