Vor einigen Tagen ist die 40. Ausgabe von Quartz zum Download bereitgestellt worden. Neben Hilfsmatt- und Märchen-Preisberichten findet sich darin eine größere Übersicht von „some astonishing proof games“, zusammengestellt von Paul Raican.
Darin berichtet er u.a. vom Weihnachtsturnier 2007/2008 von France-Echecs, das Beweispartien mit der Märchenbedingung Lortap forderte. Die Bedingung ist leicht zu definieren: Ein Stein kann nur schlagen, wenn er nicht von Steinen seiner Farbe beobachtet ist. (Das ist sozusagen Anti-Patrol-Schach, und daraus ergibt sich auch der Name.)
Den ersten Preis möchte ich euch vorstellen und zum Studieren empfehlen.
France-Echecs Weihnachtsturnier I/2008 , 1. Preis
Beweispartie in 20 Zügen, Lortap (13+15)
Schwarz hat im Diagramm beinahe seine Partieausgangsstellung – und genau die Abweichung davon ist thematisch, denn wie kann unter der Lortap-Bedingung der Schag e7:Xf6 erfolgt sein? Dafür müssen die Steine auf d8 bis g8 verschwunden sein, denn sie decken alle e7 und verhindern damit diesen Schlag – also ein „Kampf gegen die Bedingung“, die hier offensichtlich nicht der Konstruktionserleichterung dient, sondern im Gegenteil das Lösungsgeschehen komplett bestimmt.
Man erkennt schnell, dass [sLf8] zu Hause geschlagen worden sein muss, denn er kann sich allein nicht der Beobachtung von e7 entziehen – wir wissen also schon, dass auf f8 ein Pronkin-Läufer, entstanden aus [sBh7], steht. Die drei anderen Steine müssen weg und wieder zurück gezogen haben.
Damit steht für das schwarze Spiel schon eine Menge fest; das weiße ist, wie bei zwei so exzellenten Verfassern nicht anders zu erwarten, auch sehr trickreich. Oder hättet ihr auch bei Weiß sofort eine Rückkehr und einen Geschwister-Stein vermutet?
1.d3 h5 2.Dd2 h4 3.Dh6 h3 4.Dh7 Sh6 5.Dg8 hxg2 6.Dxf8+ Txf8 7.h4 Th8 8.Th3 Kf8 9.Tf3 Kg8 10.Tf6 Kh7 11.f4 Dg8 12.Sf3 g1=L 13.Lh3 exf6 14.Lg4 Lc5 15.Le3 Dd8 16.Sbd2 Kg8 17.OOO Kf8 18.Th1 Ke8 19.Sg1 Lf8 20.Lc5 Sg8.
Eine tolle Demonstration der Möglichkeiten dieser Märchenbedingung, wie ich finde!
Ja, das ist eine interessante Ausgabe von “Quartz”! Zu den englischen Begriffen “Lortap” bzw. “Anti-Patrol” gibt es auch ein quasi-deutsches Pendant: “Elliuortap”.
In dem Quartz-Heft sind außerdem Probleme aus dem Osorio-55-JT abgedruckt, und zwar immer noch ohne Quellenangabe. So weit ich weiß, ist bis jetzt nur eine Kurzfassung des Preisberichts über die “Retro Mailing List” veröffentlicht worden (an einem Sylvestertag, damit die Probleme noch an das passende FIDE-Album geschickt werden konnten).
Na ja, das “quasi-deutsch” ist ja eigentlich eher französisch, und so findet es sich bei WinChloe, aber auch in der PDB. Aber egal: Spannend finde ich die Bedingung auch unabhängig vom Namen!
Ja, den Osorio55 Preisbericht hatte ich Silvester 2012 wegen des Albums hier in seiner vorläufigen form gebracht. Ich hatte kürzlich noch mit dem Jubilar darüber gemailt; eigentlich soll die endgültige Fassung bald kommen?!