Retro der Woche 01/2016

Vielleicht habt ihr in den letzten freien Tagen auch einmal tun und lassen können, was ihr wolltet — und euch dann am Ende des Tages gefragt, wo die Zeit denn geblieben sei? So ungefähr könnte es dem Weißen in der heutigen Beweispartie auch gegangen sein, wenn er in der Schlussstellung überlegt, was er eigentlich die ganz Zeit gemacht hat?!

Rustam Ubaidullajew & Igor Wereschtschagin
The Problemist 2005-2006, 4. Preis
Beweispartie in 20.5 Zügen (13+14)

 

Bei Weiß fehlen ein Bauer und die beiden Springer, bei Schwarz zwei Bauern. Nur zwei weiße Züge können wir im Diagramm sehen, und die schwarzen wollen wir fix zählen und dann auch einige Überlegungen zur Reihenfolge der Züge anstellen.

Das Zählen ist einfach: 1+2+3+5+4+4=19 — nur ein Zug ist noch frei. Und dieser Zug muss g7-g5 gewesen sein, denn anders ist die Stellung des wBg5 nicht zu erklären.

Damit ist auch klar, dass Be5 direkt von e7 kommt (er kann nicht von f7 kommen, dann hätte er zwei Züge benötigt), und damit ist auch klar, dass [Bf7] zu Hause geschlagen werden musste.

Na ja, irgendwie wird ein Springer diesen [Bf7] abgeholt haben, meint ihr sicherlich zunächst. Das war natürlich auch mein erster Gedanke, doch wenn man sich über die Reihenfolge der schwarzen Züge Gedanken macht, dann stellt man fest, dass das gar nicht klappen kann: [Db8] muss so schnell wie möglich nach g1, um dann den schwarzen Damenflügel zu entwickeln, denn erst nach Tc5-h5 kann Schwarz e7 und g5 spiele, was notwendig ist für die Entwicklung seines Königsflügels.

Wenn man das erkannt hat, stellt man schnell fest, dass Weiß gar keine Gelegenheit hat, einen seiner Springer zu retten: Am schnellsten kommt die [Dd8] via b6 nach g1 auf folgende originelle Weise: 1.Sc3 c5 2.Sd5 Db6 3.Sb4 cxb4 4.f4 Dxg1, und dann kann der schwarze Damenflügel mit Läufer, Springer und Turm befreit werden.

Damit ist uns aber der Springer abhanden gekommen, der auf f7 schlagen sollte! Nun kommt dafür nur noch [Lf1] infrage, da [Ke8] nur den Zug nach f8 hat, so dass er bei einem Schlag auf f7 durch die [Dd1] im Schach bliebe.

Der Läufer allerdings ist von der schwarzen Dame gefesselt, also muss [Ke1] herausgespielt werden, um [Lf1] zu befreien. Dafür benötigt er allerdings auch die Hilfe der [Dd1], um ihm das Feld e2 zugänglich zu machen.

Und dann muss auch noch ein Plätzchen für [Ke1] gefunden werden, wo er nicht stört. Und wenn der [Lf1] auf f7 seinen Job erfüllt hat, muss bei Weiß alles wieder eingeräumt werden…

Nun ist es eigentlich recht einfach, die Lösung zu finden, wenn man noch berücksichtigt, das bei Lxf7 entweder der [Ke8] bereits auf f8 stehen muss oder dieses Feld frei sein muss, da ansonsten der Läufer Schach bietet. Das wieder macht die Zugfolge eindeutig bei der Befreiung des schwarzen Königsflügels nach Th5.

1.Sc3 c5 2.Sd5 Db6 3.Sb4 cxb4 4.f4 Dxg1 5.Tb1 b6 6.Ta1 La6 7.Tb1 Lxe2 8.Ta1 Lg4 9.Df3 Sa6 10.Ke2 Tc8 11.Kd3 Tc5 12.Ke4 Th5 13.Lc4 g5 14.fxg5 Lg7 15.Lxf7+ Kf8 16.Lc4+ Lf6 17.Lf1 e5 18.Kd3 Se7 19.Ke2 Sc6 20.Ke1 Scb8 21.Dd1..

Besonders zum übrigen Inhalt passend empfinde ich auch die weiße Tempoverschwendung durch [Ta1], bevor das Schlagmanöver Richtung f7 begonnen werden kann. Eine tolle Aufgabe auch ohne moderne Umwandlungsthematik!

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