Nicht nur die neueste Schwalbe bietet viel Lesestoff für uns Retrofreunde, auch die neue Ausgabe von StrateGems (April-Juni 2016): Neben dem reichhaltigen Urdruckteil gibt es den fünften Teil von Silvio Baier, Nicolas Dupont und Roberto Osorio über Weiterentwicklungen der „future proof games“, bei denen mindestens zwei Themen doppelt gesetzt sind. (Die Fortsetzung dieser Reihe, die für jeden Retrofreund, vor allen Dingen jeden Preisrichter ein „Muss“ ist, wird im Januar 2017 starten.)
Dieser Teil mit insgesamt 23 Aufgaben enthält drei Urdrucke, zwei davon von Nicolas, der in diesem Jahr Beweispartie-Preisrichter bei StrateGems ist; eine davon wollen wir uns heute anschauen.
StrateGems 2016
Beweispartie in 25,5 Zügen (14+13)
Man sieht sofort, dass nur Bauern im Diagramm fehlen, die jeweils beiden Doppelbauern konnten aber nicht durch Schlag dieser fehlenden Bauern entstanden sein. Damit wissen wir schon jetzt, dass wir in der Lösung vier Umwandlungen zu erwarten haben – so überraschend ist dies angesichts des Erscheinungsort dieser Aufgabe im Aufsatz natürlich nicht.
Auch der fünfte Schlagfall ist schon ziemlich klar: Für die erste Umwandlungsmöglichkeit musste [Bh2] oder [Bf2] auf g7 schlagen, um überhaupt eine Chance zu bekommen, auf die achte Reihe zu gelangen.
Nun zählen wir die sichtbaren weißen und schwarzen Züge: Bei Weiß sind das 0+1+1+0+3+5=10, bei Schwarz kommen wie auf 0+1+3+1+2+2=9. Mit den jeweils zehn für die Umwandlungen erforderlichen Züge bleiben sowohl bei Weiß als auch bei Schwarz noch sechs Züge übrig, um die jeweils zwei Offiziere loswerden zu können.
Stimmt das? Für Schwarz offensichtlich nicht, denn [Dd8] kann ja nicht einfach an [Ke8] vorbei nach g8 gezogen haben: Entweder muss [Dd8] einen Umweg gemacht haben (z.B. Dd8-d4-h8-g8) oder [Ke8] muss zur Seite gesprungen und dann zurückgekehrt sein. Beide Alternativen kosten also zwei zusätzliche Züge, sodass bei Schwarz nur noch vier Züge übrigbleiben.
Nun überlegen wir uns die möglichen Umwandlungsfelder: g8 haben wir schon identifiziert; die folgenden drei Umwandlungen müssen schlagfrei erfolgen. Damit verbleiben als mögliche weiße Umwandlungsbauern nur zwei von [Bh2], [Bf2] und [Bd2], bei Schwarz sind dies komplett schlagfrei [Bh7], [Bf7] oder [Bd7].
Damit ist klar, dass [Ke1] wegen Schachgebots durch einen der umzuwandelnden Bauer ziehen musste: — somit bleiben auch für Weiß nur vier Züge frei, die beiden überzähligen Offiziere loszuwerden.
Damit ist klar, dass wir vier Mal das Ceriani-Frolkin-Thema sehen: Originalsteine können wir nicht so schnell loswerden, dass ihr Phoenix-Ersatz so schnell auf notwendige Zielfelder ziehen könnte.
Ebenso wissen wir dadurch schon, dass Schwarz auf h1 und d1 umwandeln musste: Lf1 kann nicht gezogen haben. Und damit wissen wir, dass Be3 von d2 kommen musste, um seinem Kontrapart den Weg frei zu machen. Und damit haben [Bh2] auf g8 und [Bf2] auf f8 umgewandelt.
Wenn man nun noch überlegt, dass sTg4 vor e4 und dxe3 gespielt werden musste, fällt das Zusammenstellen der genauen Zugfolge jetzt sicher nicht mehr allzu schwer:
1.h4 d5 2.h5 d4 3.h6 d3 4.hxg7 h5 5.f4 h4 6.f5 Th5 7.f6 Sh6 8.g8=D h3 9.Dg4 Lg7 10.De6 fxe6 11.f7+ Kd7 12.f8=D h2 13.Df2 Dg8 14.Db6 axb6 15.g4 Ta4 16.g5 Tg4 17.e4 Ke8 18.Se2 Sd7 19.Tg1 h1=D 20.Sg3 Df3 21.De2 De3 22.dxe3 d2+ 23.Kf2 d1=D 24.Sc3 Dd5 25.Ke1 Db3 26.axb3.
Also doppelte schwarze und weiße Ceriani-Frolkin-Damen, verbunden mit Rückkehren der beiden Könige.
Nachdem wir uns in der letzten mit einer Beweispartie abseits der modernen „Umwandlungs-Wege“, befasst haben, heute also eine direkt „am Puls der Zeit“ bezüglich der Umwandlungs-Thematik und trotzdem „klassisch“.
Allerdings, das muss ich gestehen, stört mich doch ein wenig, dass die schwarzen Königszüge schon wegen Dd8-g8 erforderlich sind (da kommt wieder der „Neudeutsche“ mit den Gedanken der Zweckökonomie in mir heraus…). Mit der schwarzen Dame im Diagramm auf beispielsweise d6 gefiele mir die Aufgabe noch besser.
Before looking at the solution, I solved this in 2 hours because you can see all the moves (but not the order). But I was first stuck on f8=S>d7>b7 which did not work. Until I saw f8=D>f2>b6. So a very good problem for medium-good solvers!
Very nice proof game with clear-cut theme.
Euclide 1.01 found the solution in some 5 minutes, but could establish correctness in a reasonable time.
I was a little too fast…
C+ by Euclide 1.01 in 16 minutes.