Haben wir uns in den ersten Retros der Woche für das neue Jahr mit „geschichtlichen“ Stücken beschäftigt, so werden wir heute ziemlich aktuell: Die Lösung der heutigen Aufgabe ist im ersten StrateGems Heft des Jahres 2020 erschienen, sodass ich das Stück nun hier besprechen kann, ohne irgendwelchen Lösewettbewerbe zu beeinflussen.
StrateGems 2019
Beweispartie in 18,5 Zügen (13+12)
Das reine Zählen der sichtbaren Züge könnte einen zur Verzweiflung bringen: Bei Weiß sehen wir nur 2+1+1+2+1+1=8, bei Schwarz 4+1+1+1+3+2=12 — immerhin, aber auch allein noch nicht sehr hilfreich.
Aber schauen wir doch, ob wir erkennen können, was an fehlenden Steine wo geschlagen wurde? Auffällig sind besonders die Doppelbauern: Für wBa3 liegt natürlich der Verdacht nahe: sTa3 und bxTa3. So einfach ist das für den Doppelbauern auf b6 nicht!
Bei Weiß fehlt nur ein Offizier, nämlich [Lf1]. Der aber kann als weißfeldriger Läufer nicht auf dem schwarzen Feld b6 geschlagen worden sein. Schlussfolgerung also: Weiß muss umgewandelt haben; entweder wurde dieser Umwandlungsstein auf b6 geschlagen oder ein Originalstein, der dann durch Umwandlung ersetzt wurde. Die Alternative, dass sich [Be2] fressend nach b6 durchschlägt, lässt sich schnell wieder ad acta legen: Dafür müssten auch [Bg7] und [Bh7] von den weißen Bauern auf dem Damenflügel geschlagen werden bzw. entsprechende Original-Steine ersetzen, müssten sich also beide umwandeln. Dafür aber reichen die (nur…) sechs freien schwarzen Züge nicht aus.
Damit relativieren sich auch die freien Züge bei Weiß: Weiß braucht einen Excelsior, muss aktiv auf b6 opfern, dann auch noch irgendwie für das Verschwinden der anderen fehlenden schwarzen Steine sorgen.
Schwarz hingegen muss in sechs Zügen den Doppelbauern auf a3 ermöglichen und [Be2] und [Lf1] abräumen. Dafür würden genau sechs Züge reichen: Ta3 und [Bd7]xBe2xLf1=X – und X hätte dann keine Zeit mehr wegzuziehen. Ein Schnoebelen-Stein also? Den wegzuräumen würde noch zusätzliche Zeit kosten.
Damit könnt ihr nun vielleicht zu lösen versuchen? Ganz einfach erscheint es mir immer noch nicht…
Das ist eine Menge an Thematik: Ein Schnoebelen-Stein wird von einem Pronkin-Stein gleicher Art geschlagen. Beachtenswert ist auch, dass der Schnoebelen-Stein zwölf Züge lang auf seinem Umwandlungsfeld verharrt, bis er endlich thematisch geschlagen wird. (Damit haben wir auch noch das Prentos-Thema geschenkt bekommen.)
Die Autoren legen Wert darauf, dass der Pronkin-Stein nicht erst durch den Schlag diese Eigenschaft bekommt, sondern schon vorher auf seinem (virtuellen) Feld der Partieausgangsstellung gestanden hatte. Dies ist nach Ansicht der Autoren ein wesentlicher Unterschied zu P1192186.
Stimmt, das ist ein Unterschied! Noch wichtiger ist mir aber ein anderer: Hier haben wir ein richtig gutes Problem vor uns, während das Vergleichsstück eher ein Schema ist – oder wie empfindet ihr das?
Und noch eine Löse-Feinheit: Auch 5.g8=T, 6.Tg6 7.Tb6, [Th1]xh7-h1xf1-d1 würde zeitlich funktionieren – wieso ist das keine Nebenlösung?
Noch toller wäre es, wenn am Ende auch noch 19…Tf1 hinzugefügt werden könnte (Anti-Pronkin-Thema); aber das wäre wohl inkorrekt.
Yes, adding 19… Th1 gives an incorrect proof game in 19.0, e.g.
1.Bh2-h4 Bd7-d5 2.Bh4-h5 Lc8-e6 3.Bh5-h6 Ke8-d7 4.Bh6xg7 Kd7-c8 5.Bg7xh8=D Bh7-h5 6.Dh8-d4 Sb8-d7 7.Dd4-b6 Bd5-d4 8.Th1xh5 Ba7xb6 9.Th5-e5 Ta8-a3 10.Bb2xa3 Bd4-d3 11.Lc1-b2 Bd3xe2 12.Dd1-c1 Be2xf1=T 13.Ke1-e2 Kc8-b8 14.Ke2-d3 Kb8-a8 15.Te5-e1 Le6-g4 16.Kd3-e3 Dd8-b8 17.Lb2-f6 Be7-e5 18.Sg1-e2 Sg8-e7
19.Te1-d1 Se7-c8
I meant to write 19… Tf1, of course