Noch mal Ben-Zvi Gedenkturnier

NAch den beiden erstplatzierten Stücken des Yoav Ben-Ziv Gedenkturniers, die ich im Retro der Woche 02/2023 und 03/2023 vorgestellt hatte, möchte ich euch nun zum Selbstlösen “für zwischendurch” die kürzeste der dort ausgezeichneten Aufgaben vorstellen: Sie stammt vom kürzlich verstorbenen Mario Bonavolglia und ist gleichzeitig ein gutes Beispiel für seinen Kompositionsstil.

Marco Bonavoglia
Yaov Ben-Zvi Gedenkturnier 2022, 2. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 10 Zügen (16+14)

 

Bei Kenntnis der Thematik und dem abgegrasten Nordosten sollte das nicht allzu schwer zu lösen sein — mir gefällt die Aufgabe sehr gut. Und wie immer: Wer nicht selbst lösen will, muss sich nun noch etwa eine Woche gedulden!

Lösung


Sehr instruktiv, wie durch die beiden “Rückzüge” der Läufer im 9. und 10. Zug die Zweckreinheit der Bahnungen bewiesen wird!

Retro der Woche 03/2023

Habe ich euch mit dem letzten Retro der Woche schon neugierig auf den ersten Preis des Yoav Ben-Zvi Gedenkturniers gemacht? Wenn das noch nicht ausgereicht haben sollte, will ich die Ansicht des Preisrichters Hans Gruber zitieren: „one of the most exciting compositions that ever was created.“

Michel Caillaud
Yaov Ben-Zvi Gedenkturnier 2022, 1. Preis
Beweispartie in 45 Zügen (16+14)

 

45 Züge sind eine ganze Menge, und Michel erwähnt, dass man die Aufgabe mit 46.e4+ natürlich noch verlängern könnte, was Rekord für Beweispartien ohne Umwandlungen sei, aber der interessiere ihn nicht bei dieser Aufgabe.

Bei Weiß sind nach alle Mann an Bord, bei Schwarz fehlen [Bc7] und [Lc8], die offensichtlich auf c3 und auf b3 (Felderfarbe des schwarzen Läufers) geschlagen wurden. Das hilft für das Lösen nur bedingt weiter; spannender ist da schon die auffällige Ansammlung der Türme im Südosten.

Hier kann, hier muss man ähnlich versuchen zu lösen, wie man es bei Auflöse-Retros machen würde: „Löse den Knoten im Südosten auf!“

Weiterlesen

Retro der Woche 02/2023

In der Dezember-2022-Ausgabe von Variantim ist der Preisbericht des Yoav Ben-Zvi Gedenkturniers erschienen; sowohl meinen Nachruf als auch die Turnierausschreibung könnt ihr hier im Blog nachlesen; gefordert waren orthodoxe Beweispartien mit (zweckreinen) Bahnungsthematik.

Preisrichter Hans Gruber war mehr als angetan von der Qualität der 28 Aufgaben („this tourney was one of the strongest I ever have been judging“) — und da möchte ich natürlich hier auf dieses Turnier näher eingehen.

Heute beginne ich mit der Aufgabe, die Hans auf den zweiten Preis gesetzt hat:

Andrej Frolkin
Yaov Ben-Zvi Gedenkturnier 2022, 2. Preis
Beweispartie in 21 Zügen (12+15)

 

Bei Weiß fehlen [Lf1] sowie [Bc2], [Bg2] sowie [Bh2], bei Schwarz [Bg7]. Die Bauernstruktur verrät keinen Schlag durch Weiß und nur zwei durch Schwarz, nämlich dxc6 und exd6/5.

Wir sehen im Diagramm nur drei weiße Züge; zählen wir nun die sichtbaren schwarzen Züge: 0+1+6+3+3+9=22 — das ist einer zu viel! Wo können wir einsparen? Offenbar nur bei den Turmzügen. Hier haben wir je drei Züge gerechnet. Kommt aber [Ta8] über die a-Linie und schwenkt von dort in den Fernen Osten, kommt er mit zwei Zügen aus — damit landen wir punktgenau bei 21.

Weiterlesen

Stelvio

Große Dinge werfen ihre Schatten voraus: Reto Aschwanden wird hier in meinem Blog spätestens im Februar sein neues Beweispartien-Prüfprogramm Stelvio vorstellen, hier zum Download bereitstellen. Viel will ich noch nicht verraten, aber es wird nicht nur unter Windows laufen können — und es verspricht, in vielen Fällen schneller als Euclide oder Natch zu sein.

Reto hat eine kleine Vorstellung des Programms (auf Englisch) geschrieben, viel Spaß beim Lesen!

Und hier schon mal ein Screenshot:

Stelvio Screenshot

Andernach-Treffen 2023

Habt ihr euch schon den 18. bis zum 21. Mai 2023 in den Terminkalender eingetragen? Nein? Dann wird es nun höchste Zeit, denn da, am Christi-Himmelfahrts-Wochenende, treffen sich die feenschach-Problemfreunde wieder, schon zum 47. Male, in Andernach; dieses Mal im Parkhotel “Am Schänzchen”.

Organisator bernd ellinghoven hat alle relevanten Anmelde-Informationen zusammengestellt — bis zum 31. Januar 2023 sind zehn Doppelzimmer zum Sonderpreis im Tagungshotel vorreserviert.

Beeilt euch also mit den Zimmer-Reservierungen — am Himmelfahrts-Wochenende ist es meist ziemlich voll in Andernach! Und wir sehen uns dann Mitte Mai am Rhein…

Retro der Woche 01/2023

Nach zwei orthodoxen Retros aus dem FIDE-Album 2016 — 2018 möchte ich das neue Jahr mit einem weiteren Beispiel daraus „märchenhaft“ beginnen. Ihr ahnt sicher, dass auch in diesem Album die Anticirce-Verteidigungsrückzüger den Märchenteil dominieren; ich möchte aber heute ein anderes Stück vorführen, eine Beweispartie mit der Bedingung „Madrasi“. 1979 erfunden, wurde sie schon als populärer Nachfolger der Circe-Familie angesehen, doch in den letzten Jahren ist es erstaunlich ruhig um Madrasi geworden. Dabei ist die Regel eigentlich ganz einfach:

“Ein Stein, welcher von einem gegnerischen Stein gleicher Gangart beobachtet wird, ist gelähmt. Wird der beobachtende Stein geschlagen oder die Beobachtungslinie unterbrochen, ist die Lähmung aufgehoben. Ein paralysierter Stein kann also nicht Schach bieten. Zwei Regeln muss man zudem wissen:
– ein doppelschrittig ziehender Bauer ist e.p.-schlagbar,
– eine Rochade (= Königszug) mit einem gelähmten Turm ist möglich.”
(zitiert aus kunstschach in begriffen)

Michel Caillaud
Die Schwalbe 2018, 4. Preis
Beweispartie in 29,5 Zügen, Madrasi (16+11)

 

Schauen wir uns die Stellung zunächst „mit orthodoxer Brille“ an: Bei Schwarz fehlen die fünf Bauern [Bd7] bis [Bh7], bei Weiß sehen wir fünf Bauernschläge: [Bc2] bis [Bg2] stehen auf dem Brett jeweils ein Feld weiter östlich. Das schließt nicht aus, dass z.B. [Bf2] nicht geschlagen hat, dafür [Be2] zweimal, die eigentliche Bilanz ändert das nicht.

Bei Schwarz die sichtbaren Züge zu zählen (1+0+0+1+1+0=3 mit vorausgesetzter Rochade) ist nicht der Mühe wert; bei Weiß ist das schon spannender: 2+1+4+4+6+13=30 — alle weißen Züge werden gebraucht, und die Züge von König, Dame und den Bauern (theoretisch bis auf wBh6) sind determiniert.

Weiterlesen

2023

Allen Retrofreunden wünsche ich
ein gutes und friedliches neues Jahr 2023!

Wie in den letzten Jahren möchte ich auch an diesem Neujahrstag mit euch zusammen in der Geschichte der Retroanalyse 100 Jahre zurück blicken.

Im Jahr 1923 taucht Thomas Rayner Dawson in der Liste der meist publizierenden Retro-Autoren wieder einmal ganz vorn auf, aber auch Niels Høeg und Hans Klüver, über den ich im letzten Jahr an dieser Stelle gesprochen hatte, veröffentlichten fleißig.

Dennoch zitiere ich von keinem der drei eine Aufgabe, denn das sicherlich bekannteste Retro des Jahres 1923, eines der bekanntesten Retros überhaupt, stammt vom Spanier Julio Sunyer (11.4.1888–27.11.1957).

Julio Sunyer
The Chess Amateur
Weiß und Schwarz nehmen je 1 Zug zurück, dann h#1. (1+1)

 

Diese Aufgabe erschien im Mai; im September veröffentlichte der Däne Knud Hannemann (16.2.1903–1.5.1981) in Skakbladet quasi einen Zwilling mit dem weißen König auf h6 und identischer Forderung.

In einer Woche werde ich hier die Lösungen bringen.

Lösung

Sunjer: R 1.Kg6xTh5 Th8xDh5 & vor: 1.O-O Dh7#
Hannemann: R: 1.Kg7xTh6 Td6xDh6 & vor: 1.Td8 De6#
(auf den Vorgänger hatte Werner Keym imn seinem Kommentar bereits hingewiesen.)

Retro der Woche 52/2022

Bleiben wir noch bei Aufgaben aus dem neuen FIDE-Album der Jahre 2016 bis 2018; heute möchte ich euch eine Beweispartie zeigen und dabei ganz besonders zum Selbstlösen animieren. Für extrem schwer halte ich sie nicht, dafür finde ich sie inhaltlich sehr interessant. Und dass ich nun die Aufgabe eines argentinischen Autors vorstelle, hat nichts mit dem FIFA-Weltcup zu tun…

Roberto Osorio
6. FIDE-Weltcup 2018, 1. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 24,5 Zügen (11+15)

 

Die Aussagen über die weiße Stellung erscheinen zunächst einmal wenig ergiebig: Wir erkennen zwei Turm- und vier Bauernzüge, es bleiben also 19 weiße Züge zunächst unerklärt. Gleichzeitig sehen wir, dass der einzig fehlende schwarze Stein durch axb3 geschlagen wurde.

Die sichtbaren schwarzen Züge zu zählen ist schon deutlich ergiebiger: 3+2+2+4+3+4=18 — aber auch damit sind noch sechs schwarze Züge offen.

Weiterlesen