Wenigsteiner

Kürzlich bin ich wieder über ein paar Retro-Wenigsteiner gestolpert — und da möchte ich euch die Gelegenheit geben, „zwischendurch“ euch daran zu vergnügen!

Peter Kniest
feenschach 1983, 3. Preis
a) Weiß nimmt einen solchen Zug zurück, dass er sofort mattsetzen kann, Schwarz nach einem weißen Hilfszug; b) Duplex (2+2)

 

Neben dem dritten Preis im Informalturnier gewann das Stück, das dem SC Mülheim-Heißen 1908/31 e.V. zum 75. Jubiläum gewidmet war, noch den 2. Preis im Wenigsteiner-Jahrespreis. Der Verein gab eine tolle Monatszeitschrift mit zehnseitigem (!!) Problemteil, geführt von Hans-Christoph Krumm, heraus. Zu der Zeit war ich dort auch fleißiger Löser.

Wie immer findet ihr die Lösung in etwa einer Woche hier.

Peter Kniest hatte lange gezweifelt, dass sich diese Forderung im Duplex-Wenigsteiner darstellen ließe, dann allerdings konnte er sich selbst widerlegen!

Lösung

a) Weiß zurück Kg6xSh7 & v: (#1) D:d8# und (H#1) 1.Kh5 Dg5#
b) Schwarz zurück De8xLd8 & v: (#1) Dh5# und (H#1) 1.Kf7 Df5#

Längst schon ein Klassiker!

Retro der Woche 02/2021

Man kann schwerlich an Günther Weeth erinnern, ohne auf seine großartigen, phantasievollen und tiefgründigen Anticirce-Verteidigungsrückzüger einzugehen, die er mit vielen neuen Ideen versah. Meist sind sie von Wagner’scher Komplexität, doch ich habe für heute eine Co-Produktion von Günther Weeth und Klaus Wenda ausgesucht, die laut Preisrichter Thierry Le Gleuher „ausnahmsweise für diese Art von Problemen nicht sehr kompliziert“ ist. Aber elegant und witzig, das kann ich schon versprechen.
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Günther Weeth & Klaus Wenda
Die Schwalbe 2010, Korr.; 1. Lob
#1 vor 9 Zügen, VRZ Proca, Anticirce (4+8)

 

Die Aufgabe, ursprünglich von Günther Weeth im Oktober 2005 in der Schwalbe veröffentlicht, aber noch defekt, wurde dann von ihm zusammen mit dem Wiener Spezialisten komplett überarbeitet; die originell-witzige Idee (die sei hier schon verraten: Komplettverbau einer im Diagramm noch freien Linie) blieb natürlich erhalten.

Wir erinnern uns: Im Verteidigungsrückzüger will Weiß gegen die beste Verteidigung ein Matt vor der angegebenen Zügezahl erzwingen; Schwarz verteidigt sich. Beim Typ Proca entscheidet die Gegenpartei, ob ein Rücknahmezug ein Schlagfall war und welcher Stein entschlagen wurde — alles natürlich nur mit legalen (Rück-)Zügen.

Und bei der Anticirce-Bedingung entsteht der Schläger auf „seinem circensischen Ausgangsfeld“ neu; ist dieses besetzt, ist ein Schlag unmöglich. Für Retros heißt dies u.a., dass ein Stein unter der Anticirce-Bedingung nur entschlagen kann, wenn er auf seinem Partieanfangsfeld steht. Dies schränkt einerseits die potenziellen Schlagsteine ein, für die allerdings gibt es sehr viele Entschlagmöglichkeiten, da der Entschlag ja quasi „überall“ stattfinden konnte.

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Yoav Ben-Zvi †

Und noch eine traurige Nachricht: Wie mir sein Sohn mitteilte, ist Yoav Ben-Zvi am Silvestertag 2020 im Alter von 63 Jahren (* 3.6.1957) in seiner Geburtsstadt Jerusalem verstorben. Er hinterlässt Frau und je einen Sohn und eine Tochter; meine herzliche Anteilnahme gilt seiner Familie.

Schon als junger Mann gründete er mit zwei Partnern ein Hightech-Unternehmen, von denen sie sich 2012 trennten. Dies war für ihn der Übergang zum Ruhestand, wo er seine alte Liebe zum Problemschach wiederentdeckte; seit 2012 war er auch Schwalbe-Mitglied.

Yoav war ein vielseitiger Komponist, seine Vorliebe galt allerdings der Retroanalyse, und hier folgte er bewusst nicht irgendwelchen Modethemen, sondern er präsentierte stets klassischen Inhalt mit strategischem Tiefgang in eleganter Form; seine Vorliebe galt allen Arten von Linienspiel, häufig verbunden mit orginellen Fragestellungen in den Forderungen.

Zu seinem Gedenken zeige ich eine sehr kurze, leicht zu lösende, aber sehr hübsche Beweispartie, die euch zum Lösen anregen sollte, daher verrate ich auch nichts zum Inhalt.

Yoav Ben-Zvi
The Problemist 2012, 5. Lob
Beweispartie in 10,5 Zügen (13+16)

 

Im Südwesten deutet sich bestimmt schon der Inhalt an?

 

Lösung

Yoav kommentierte selbst in der PDB:

The moves WRa1-a5 (crossing a4 for WQ) and BBc2-g6 (crossing f5 for BQ) are “Turton” clear-ances. The move Qd1-a4 (crossing b3 for WB) must precede WBd5-b3 so it is a third Turton (called a “Loyd-Turton” because the clearance is by the stronger piece). The first 2 moves of WPa2 (crossing a4 for the WQ) are an additional Turton. In all these cases the occupation of the critical square is delayed. The moves WQa4-a1 (crossing a2 for WR), BQf5xb1 (crossing c2 for BB) and WPa2-a4-a5-a6 (crossing a5 for WR) are impure “Bristol” clearances. The move WBb3-d1 (cross-ing c2 for BB) is “Anti-Critical”. The move BBg6-c2 is a Switchback. The Try 5.WBf1-h3? is refuted because of Anti-Bristol effect of WBh3-e6.

Lesestoff zum Jahresanfang

Briefkasten und Mailbox brachten in den letzten Tagen wieder eine Menge Lesestoff — langweilig wird es damit nicht!

Schon vor eine Weile hatte die Britische Problemschachvereinigung ihr Centenary Review 1918-2018 an ihre britischen Mitglieder verschickt; Corona-bedingt hat sie den für die Mitglieder kostenfreien Versand jenseits der Insel erst jetzt gewagt. 242 Seiten interessante Informationen über die BCPS mit 463 nachgedruckten Problemen, nicht überraschend überwiegend #2 und #3. Dieses Buch ist natürlich in gewisser Weise mit dem Flug der Schwalbe vergleichbar, legt aber weniger Wert auf die Darstellung der Vereinsgeschichte und ihren Entwicklungen, sondern mehr auf die Darstellung von Preisgewinnern vieler durchgeführter Kompositionsturniere, wobei sich die Auswahl der Aufgaben fast vollständig auf britische Komponisten beschränkt.

Pünktlich wie immer lag auch die erste Ausgabe 2021 von StrateGems in meinem Briefkasten. Dieses Mal hauptsächlich orthodoxer Inhalt mit einem hübschen Artikel über “The Amasing Jorges”: Jorge Joaquin Lois und Jorge Mercelo Kapros mit 12 Gemeinschafts-Hilfsmatts. Den ersten Jorge kennen wir natürlich auch als Autor toller Beweispartien.

Chessproblems.ca widmet sich hauptsächlich den Serienzügern, enthält aber in der neuesten Ausgabe (im Internet frei verfügbar) einen VRZ Proca Anticirce Artikel von Andreas Thoma und neue Ideen zu Rebus-Problemen von Jeff Coakley und Andrej Frolkin: Lesenswert!

Besonders ans Herz legen möchte ich euch die neueste Ausgabe von Problemas: Viermal im Jahr erscheint hier kostenfrei im Internet eine hervorragend zusammengestellte und layoutete Zeitschrift mit aktuellen und historischen Themen und hochklassigen Artikeln zu allen Gebieten des Schachproblems und traditionell recht großem Retro-Anteil, dieses Mal mit Beiträgen von Andrej Frolkin (Retro und Hilfsselbstmatt), Per Olin (Schach-960), Jeff Coakley (Lastmover mit Grashüpfern und Nachtreitern) sowie Andrew Buchanan (Beweispartien mit Märchenfiguren).
Problemas erscheint gemischt überwiegend in englischer und spanischer Sprache. Bequem könnt ihr euch per Mail über das Erscheinen einer neuen Ausgabe informieren lassen — absolut empfehlenswert!

Retro der Woche 01/2021

Günther Weeth war in der Retrowelt besonders bekannt für seine tiefgründigen und phantasievollen Anticirce-Verteidigungsrückzüger, die er mit vielen neuen Ideen versah. Dabei wird oft vergessen, dass er gelegentlich auch auf klassischen Retrowegen unterwegs war — ein solches Beispiel möchte ich in Erinnerung an Günther heute vorstellen.

Andrej Frolkin & Günther Weeth
Die Schwalbe 2010
Löse die Stellung auf! (13+14)

 

Die beiden fehlenden schwarzen Steine wurden Opfer des Doppelbauern auf der c-Linie; der seinen Ursprung in [Ba2] oder [Be2] hat. Damit muss der fehlende [Bg7] umgewandelt haben, was einen Schlag kostet; die beiden anderen Schläge durch Schwarz waren exd sowie im letzten Zug Db3xXb2+. Auch der fehlende weiße Bauer muss umgewandelt haben, um geschlagen werden zu können. Das muss also [Be2] gewesen sein, da die beiden a-Bauern nicht aneinander vorbeikommen konnten.

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2021

Allen Retrofreunden wünsche ich
ein gutes neues Jahr 2021!

Beinahe schon traditionell schauen wir am Neujahrstag 100 Jahre zurück: Die PDB weist für dieses Jahr genau 16 Retros auf, immerhin ein Drittel mehr als noch für das Jahr 1920. Allerdings tauchen im Jahr 1921 elf Autoren auf, von denen nur ein einziger für mehr als eine Aufgabe steht — und das ist nicht weiter überraschend Thomas Rayner Dawson.

Von ihm heute ein etwas komplexeres Stück, bei dem es natürlich nicht nur um die Vorwärtsforderung geht! Viel Freude beim Lösen des vielleicht ersten Retros im neuen Jahr — und natürlich gibt es die Lösung wieder in einer Woche hier.

Thomas R. Dawson
The Times 1921
#2 (16+12)

 

 

 

Lösung

1.f5xe6ep+ Lxb8 2. Txf6#

Schwarz ist fast retropatt; als letzte Züge gehen nur R: 1.– e7-e5 2.Te5-e3+ Se3-g4+ 3.g4xLf5+ Ld7-f5 etc. Hünsche Folge von Kreuzschachs

Und wieso geht nicht R: 1.– e7-e6? Weil dann 2.Te5-e3+ Se3-g4+ 3.Bg4xSf5+?? illegal wäre, da Schwarz seinen dritten Springer nicht entwandeln könnte.

Günther Weeth †

Von Werner Keym erhielt ich die traurige Nachricht, dass Günther Weeth am Montag (28.12.2020) nach längerer Krankheit verstorben ist. Ich wusste, dass es ihm nicht gut ging, hoffte aber, dass sich sein Gesundheitszustand stabilisieren würde. Mein tief empfundenes Mitgefühl gilt seiner Frau Gudrun, die ihn oft zum Beispiel nach Andernach begleitet hat, und seiner ganzen Familie.

Erst anlässlich seines 85. Geburtstages am 13. August diesen Jahres war ich noch auf seine Leistungen und Erfolge als Problemist eingegangen. Als starker Löser und pensionierter Lehrer lag ihm immer daran, seine Lieblings- und Spezialgebiete etwa in der Retroanalyse (Verteidigungsrückzüger mit der Anticirce-Bedingung) nicht nur kompositorisch (und erfolgreich!) zu bearbeiten, sondern in vielen Vorträgen und Aufsätzen zu erklären und popularisieren. Hier hatte er auch viele, sich oft als fruchtbar erwiesene Ideen wie etwa die Nutzung der Høeg-Version des VRZ zusammen mit Anticirce, in der letzten Zeit besonders die Verbindung von Anticirce und Circe im VRZ. Hierzu will ich auf seinen Artikel im Dezemberheft der Schwalbe (“Anticirce plus Circe im Verteidigungsrückzüger”, 306-2 Die Schwalbe XII/2020, S. 821–824) verweisen.

In der nächsten Zeit werde ich hier im Blog noch auf die Kompositionsleistungen von Günther zurückkommen.

ffff-f

Nachdem pünktlich zur Schwalbe-Tagung in Chemnitz Mitte Oktober 2020 der feenschach-Jahrgang 2019 abgeschlossen werden konnte, ist das nun, noch im “richtigen” Jahr, für den 2020er Jahrgang gelungen — und nicht nur das: auch das erste Heft 2021 (sic!) ist bereits erschienen!

Am 23. Dezember kamen die fünf Hefte in sechs Kisten vom Drucker bei bernd ellinghoven an, der dann ganz schnell der Versand vorbereitet und die Hefte sofort, als die Post es zuließ, auf die Reise geschickt hat. Und so sind bereits heute bei den ersten Abonnenten die Hefte f-239 bis f-243 eingetrudelt.

Wenn ich euch verrate, dass es für uns Retrofreunde natürlich wieder jede Menge Lesestoff gibt, überrascht euch das sicher nicht — aber besonders f-243 ist ein fast reines Retroheft geworden…

Viel Spaß beim Schmökern und Lesen, beim Lösen und Kommentieren!