Point Reflection

Im Rahmen der WCCT Treffen werden stets eine Kompositionsturniere ausgerichtet; für uns Retro-Freunde sind dort die Champagne-Turniere von Michel Caillaud besonders bekannt. Auch die japanischen Problemisten tragen schon seit vielen Jahren zu dieser Tradition bei — nicht zufällig unter dem Namen „Sake-Turnier“.

Bei dem von 2019 ging es um die neue Märchenbedingung „Point Reflection“, eine Erfindung von Hiryu Todoroki, mit der recht einfach ausschauenden Regel (zitiert aus dem Märchenlexikon der Schwalbe)

Stehen zwei Steine (beliebiger Farbe, Könige eingeschlossen) auf Feldern, die punktsymmetrisch bezüglich der Brettmittelpunkts zueinander sind (z.B. a1-h8, b3-g6), tauschen sie ihre Zug-, Schlag- und Wirkkräfte (behalten aber die Farbe, die Bauernzugrichtung und evtl. königliche Eigenschaften bei).

Dazu gibt es noch zusätzliche Festlegungen:

Ein Bauer auf der ersten Reihe kann nicht ziehen, sein korrespondierender Stein auf der achten Reihe daher auch nicht. Die Rochade ist nur mit nicht-gespiegelten Figuren (König, Turm) möglich. Nur nicht-gespiegelte Bauern können en passant schlagen.

Die Auswirkungen auf dem Brett sind allerdings recht heftig! Zum „Eingewöhnen“ empfehle ich euch den Preisbericht des genannten Turniers.

Und zum Selbstlösen zwischendurch lade ich euch mit einer kleinen Beweispartie ein:

Christian Poisson
562 Parties Justificatives Homebase
Beweispartie in 3,5 Zügen, Point Reflection (15+15)

 

Auf die Quelle hatte ich schon im Oktober letzten Jahres aufmerksam gemacht.

Wie üblich bringe ich in etwa einer Woche hier die Lösung; viel Spaß beim Knobeln!

… Und hier ist nun die Lösung:

Lösung

1.d4 e5 2.dxe5 Kxe5 (Damenkraft) 3.Dd4+ Ke8 (wieder Damenkraft) 4.Dd1

Rückkehr von wD und sK.

Retro der Woche 07/2020

Weshalb wirkt beispielsweise eine Beweispartie mit Allumwandlung auf uns „harmo-nisch“? Weil die vier Umwandlungen einfach „zusammenpassen“, da alle möglichen Offiziere genau einmal erwandelt werden. Und dabei wirkt eine einfarbige Allumwandlung oder eine, bei der zwei weiße und zwei schwarze Umwandlungen erfolgen, harmonischer als eine mit der Farbverteilung 1:3, denn hier wird das Spiel auf die Farben verteilt ein wenig uneinheitlich sein. Das ist es bei einer einfarbigen Allumwandlung offensichtlich noch mehr -– aber da entsteht die Einheitlichkeit aus der klaren Aufgaben- und Farbverteilung.

Ähnlich erscheint es auch bei der Verbindung unterschiedlicher Themen – und dafür habe ich heute ein, wie ich finde, sehr hübsches Beispiel herausgesucht.

Silvio Baier
Die Schwalbe 2013, 2. Preis
Beweispartie in 27 Zügen (14+14)

 

Der Versuch, sich der Lösung über das übliche Abzählen er sichtbaren Züge zu nähern, könnte zu grauen Haaren (solange noch nicht vorhanden) führen: Wir sehen bei Weiß 3+0+1+1+1+6=12, bei Schwarz 2+0+3+1+0+5=11 Züge – mehr als die Hälfte der Züge sind noch frei!

Allerdings hilft uns hier die Analyse der Schlagfälle und der Bauernstruktur schon entscheidend weiter.

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Lösungen Lateral Thinking

Hier noch einmal die Aufgabe, die ich am letzten Freitag für zwischendurch vorgestellt hatte:

Trevor Tao
facebook, Chess Endgame Studies and Compositions, 31.1.2020
(acht Forderungen) (15+10)

 

Die acht Forderungen dazu lauten(Copy&Paste Fehler korrigiert):

 


a) Matt in 1/7
b) Matt in 1/6
c) Matt in 1/5
d) Matt in 1/4
e) Matt in 1/3
f) Matt in 1/2
g) Matt in p/q mit 1/2<p/q<1 (Was ist der Wert von p/q?)
h) Matt in 1

Schwarz ist in Retro-Zugnot, das macht die Lösungszüge eindeutig. Hier nun die

Lösungen

a) Tg1-g7-g8#, davor L~-c1
b) Tg2-g7-g8#, davor Lb7-a6
c) Df3-f7-f8#, davor Lb7-a6
d) Te4-e7xe8#, davor Lb7-a6
e) Dd5-f7-g8#, davor Lb7-a6
f) Ta8-c8xe8#, davor Lc8-a6
g) Tb8-c8xe8# (p/r=2/3), davor Lc8-a6
h) Schwarz hat keinen letzten Zug; also Lc1-g5#

Das ist eine hübsche Aufgabe, finde ich; überzeugt euch selbst davon, dass die Lösungen jeweils eindeutig sind!

The Problemist I/2020

Gestern erhielt ich (zunächst in elektronischer Fassung) die Januar-Ausgabe des Problemist mit wieder höchst interessantem Lesestoff, aus dem ich nur zwei Beiträge besonders hervorheben will:

Bernd Gräfrath setzt sich in seiner „Proof Games and Retros“ Rubrik subjektiv, kritisch und lesenswert mit einem Preisbericht auseinander, und im „Supplement“ des Problemist findet sich ein interessanter Beitrag (ohne Retros!) von Vlaicu Crişan mit dem Titel „To Twin or Not to Twin?“ Und auch sonst gibt es natürlich wieder jede Menge interessanten Lesestoff.

Zwei Punkte möchte ich noch erwähnen: Ab 2020 gehören nun auch alle Märchen-Retro-Urdrucke in die Retroabteilung, was ich sehr begrüße – und The Problemist sucht ab 2021 einen neuen Chefredakteur. Wenn ihr Interesse habt, meldet euch doch einfach per Mail bei Ian Watson (ian(at)irwatson.demon.co.uk)!

Retro der Woche 06/2020

NACHTRAG SIEHE UNTEN!

Bernd Gräfrath hatte darauf hingewiesen, dass der Fünffach-Pendler von Michel Caillaud den 2. Preis im feenschach-Retro-Informalturnier 2015 belegt hatte. Ins FIDE-Album kam es übrigens mit („nur“?) 10,5 Punkten.

Daher möchte ich euch heute den ersten Preis dieses Turniers zeigen (den dritten Preis erschien im Retro der Woche 5/2018), eine Beweispartie mit einer interessanten Märchenbedingung: Im „#R Schach“ wird nach einem Mattzug als Teil des Zuges der mattgebende Stein entfernt (beim Doppelschach beide), und es wird „ganz normal“ weiter gespielt, als sei nichts passiert. Hierzu und zu weiteren, ähnlichen Bedingungen erschien in f-212, S. 54—77 der sehr interessante Artikel „New Fairy Types Based on a Twinning Form“ von Chris Tylor und Andrej Frolkin; hier wurde auch unsere heutige Aufgabe urgedruckt.

Andrej Frolkin
feenschach 2015, 1. Preis
Beweispartie in 18,5 Zügen, #R Schach (11+13)

 

Bei Weiß sind nur je zwei Dame- und Turmzüge sichtbar, bei Schwarz sehen wir 0+1+3+0-9+5= 18 Züge, dabei habe ich für sSb5 sieben Züge angesetzt: fünf für die Umwandlung, zwei für den Weg nach b5; das ist das Minimum an schwarzen Springer-Zügen und daher auch genau deren Wert, da ja alle schwarzen Züge erklärt sind.

Schwarz kann auf seinen Wegen [Bc2] und [Sb1] schlagen ([Bd7]-d3xBc2xSb1=S), sich aber nicht mehr zusätzlich um die Beseitigung der fehlenden drei weißen Bauern [Bf2], [Bg2] und [Bh2] kümmern – das muss Weiß schon selbst erledigen.

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Lateral Thinking

Diese Aufgabe habe ich heute im Internet bei Facebook gesehen — und die muss ich euch einfach zeigen, damit ihr euch damit „zwischendurch“ beschäftigen könnt. Der Autor meinte, die Aufgabe (schon die Forderung) erfordere „lateral thinking“, also Querdenken.

Trevor Tao
facebook, Chess Endgame Studies and Compositions, 31.1.2020
(acht Forderungen) (15+10)

 

Die Forderungen gebe ich hier einzeln an:

 

a) Matt in 1/7
b) Matt in 1/6
c) Matt in 1/5
d) Matt in 1/4
e) Matt in 1/3
f) Matt in 1/2
g) Matt in p/q mit 1/2<p/q<1 (Was ist der Wert von p/q?)
h) Matt in 1

Viel Spaß beim Querdenken (ich muss gestehen, dass ich zunächst fälschlich Duale reklamiert hatte); wie immer gibt es die Lösung in einer Woche hier.

Dieses Mal habe ich für die Lösungen einen eigenen Beitrag erstellt.

Pendel-Rekorde

Klaus Wenda hat mich heute auf einen Blog-Beitrag von Vlaicu Crişan aufmerksam gemacht; diesen Hinweis möchte ich euch nicht vorenthalten.

Vlaicu beschäftigt sich darin mit Verteidigungsrückzügern, die gleich fünf Pendelmanöver zeigen — das ist der aktuelle Rekord. Die erste und bisher einzige orthodoxe Darstellung gelang Michel Caillaud 2014; aus dem letzten Jahr stammen zwei Anticirce-Beispiele von Andreas Thoma sowie von Vlaicu Crişan selbst.

Das sind natürlich drei hervorragende und anspruchsvolle Aufgaben; die solltet ihr in aller Ruhe genießen! Und vielleicht bekommt ihr ja Ideen dabei, eine weitere Fünffach-Setzung darzustellen — oder gar den Rekord zu verbessern? Die Aufgabe hätte ich dann gern für Die Schwalbe! 🙂

Viel Spaß und Erfolg!

Retro der Woche 05/2020

Haben wir uns in den ersten Retros der Woche für das neue Jahr mit „geschichtlichen“ Stücken beschäftigt, so werden wir heute ziemlich aktuell: Die Lösung der heutigen Aufgabe ist im ersten StrateGems Heft des Jahres 2020 erschienen, sodass ich das Stück nun hier besprechen kann, ohne irgendwelchen Lösewettbewerbe zu beeinflussen.

Andrej Frolkin & Sergej Tkatschenko
StrateGems 2019
Beweispartie in 18,5 Zügen (13+12)

 

Das reine Zählen der sichtbaren Züge könnte einen zur Verzweiflung bringen: Bei Weiß sehen wir nur 2+1+1+2+1+1=8, bei Schwarz 4+1+1+1+3+2=12 — immerhin, aber auch allein noch nicht sehr hilfreich.

Aber schauen wir doch, ob wir erkennen können, was an fehlenden Steine wo geschlagen wurde? Auffällig sind besonders die Doppelbauern: Für wBa3 liegt natürlich der Verdacht nahe: sTa3 und bxTa3. So einfach ist das für den Doppelbauern auf b6 nicht!

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