Riesen-Erfolge beim WCCI

Heute sind die Ergebnisse des WCCI (World Championship in Composing for Individuals – Kompositionsweltmeisterschaft) für die Jahre 2016-2018 veröffentlicht worden, und sie zeigen aus deutscher Sicht gleich zwei fantastische Resultate:

Silvio Baier konnte das Ergebnis des vorangehenden WCCI umdrehen und nun den Weltmeister-Titel der Retro-Komponisten erringen, wobei der den bisherigen Weltmeister Dmitrij Baibikov auf den zweiten Platz verdrängen konnte. Platz drei belegt wie beim letzten Mal Nicolas Dupont.

Bei den Studienkomponisten belegte Martin Minski den großartigen zweiten Platz und ist damit Vizeweltmeister hinter Titelverteidiger Oleg Perwakow und vor Steffen Slumstrup Nielsen.

Ganz herzliche Glückwünsche sende ich – sicher auch im Namen aller Leser hier – an Silvio nach Dresden und an Martin nach Berlin!

Die kompletten Ergebnisse auch der anderen Abteilungen findet ihr auf der WFCC-Seite.

Habe ich mich hier eigentlich schon einmal geoutet? Vor gut 15 Jahren war mir klar, dass ich mich schon aus zeitlichen Gründen auf eine meiner beiden Lieblingsgebiete im Problemschach konzentrieren musste: Retros oder Studien! Lange blieb meine Entscheidung offen, bis mir Wolfgang Dittmann mit seiner Einladung, ihn beim Schreiben des „Blick zurück“ lektorierend zu unterstützen, 2004 diese Entscheidung quasi abgenommen hatte…

Die höchstplatzierten Aufgaben von Silvio hatte ich hier schon „nachgedruckt“: Retro der Woche 21/2018 (10,5 Punkte), Retro der Woche 07/2017 (10,5 Punkte). Den sechsfachen Ceriani-Frolkin (LLssDd), der mit 10 Punkten bewertet wurde, hatte ich hier noch nicht gebracht:

Silvio Baier
StrateGems 2016, 1. Preis
Beweispartie in 31,5 Zügen (12+12)

 

Mit dem Themenhinweis ist das vielleicht gar nicht mal soo schwer zu lösen? Vielleicht versucht ihr euch zur Feier des Tages / des Erfolgs einmal daran?!

Lösung
1.h4 e5 2.h5 e4 3.h6 e3 4.hxg7 h5 5.g4 h4 6.g5 h3 7.g6 h2 8.Sh3 Sh6 9.Tg1 h1=D 10.g8=L Dc6 11.g7 Dc3 12.dxc3 exf2+ 13.Kd2 f5 14.e4 f4 15.Le2 f3 16.Ke3 f1=S+ 17.Kf4 Sd2 18.e5 Sb3 19.axb3 Lb4 20.Ta6 La5 21.b4 f2 22.Lb3 f1=S 23.g8=L Sd2 24.Lgc4 d5 25.e6 Dd6+ 26.Kg5 OO 27.e7 dxc4 28.e8=D cxb3 29.Da4 Td8 30.Da2 bxa2 31.Sf2 Sb3 32.cxb3.

Aus den sechs von Martin für die Weltmeisterschaft eingereichten Studien habe ich die höchstbewertete (11,25 Punkte!) ausgesucht –- vor allen Dingen deshalb, weil sie relativ kurz ist und das recht klassische Thema (drei Ideal-Fesselpatts) auch für Nichtspezialisten nachvollziehbar ist.

Martin Minski
Schacholympiade Batumi 2018 , 2. Preis Remis-Studien
Remis (7+5)

 

Martin liebt spektakuläre Züge, und, so viel sei verraten, so beginnt auch die Lösung hier, wo der weiße König sehr unglücklich steht und sich heftigen Angriffen ausgesetzt sieht; es droht einfach 1.– De3#, und etwa 1.Lh2 hilft nicht wirklich wegen 1.– De3+ 2. Ke5 Lg6/xh7#.

Lösung
1.Dh5! [1.Lh2? De3+; 1.Lf4? Dxf4–+] 1.– Dxh5 2.h8D Lh7! [2.– Dg4 3.Dh2+ Lg2+ 4.Df4 Dd7+ 5.Ld6 exd6 6.De3+=] 3.Lf4 Kf2! [3.– Kf3/Kd1 4.De5=] 4.Df8! Batterie [4.De5? Dd1+ 5.Ld2 Dxd2# Matt mit Selbstblock auf e5;
4.Df6?? exf6–+ kein Patt] 4.– Dg4 5.Df6!! [5.Ke5? De2+ 6.Le3+ Kxe3–+] 5.– Kf1! [5.– Lb1 6.Dg5 Dd1+ 7.Ld2=] 6.Df8! [logische Verführung 6.Df7? Lg6! 7.Df8 Kf2! 8.Df6! Dd1+! 9.Ld2+ Ke2! 10.Dxe7+
(10.Dxg6 Dxd2+ 11.Ke5 De3+ 12.De4 Dxe4+ 13.Kxe4 Kd2 14.Kd4 Kc2–+)
10.– Kxd2–+ Position X mit sLg6] 6.– Kf2 [6.– Lb1 7.Ke5 De2+ 8.Le3+=; 6.– Kg2 7.Dh6! Dd7+ 8.Ld6! e5+! 9.Ke3!=] 7.Df6! [7.Dh6? Dd7+ 8.Ld6 e5+! 9.Kxe5 Df5+ 10.Kd4 De4#]

7.– exf6 (1. Ideal-Fesselpatt)

7.– Dd7+ 8.Ld6+ exf6 (2. Ideal-Fesselpatt)

7.– Dd1+ 8.Ld2+ exf6 (3. Ideal-Fesselpatt) [8.– Ke2 9.Dxe7+ Kxd2 Position X mit sLh7 10.Dxh7 Dg1+ 11.Ke5 Dxc5+ 12.Ke6=].

(Ich habe die Lösung von Martins WCCI-Einsendung übernommen und eingedeutscht.)

Retro der Woche 25/2019

Vom Beweispartie-Informalturnier des Probleemblad 2009-2010 hatte ich hier bereits die beiden großartigen ersten Plätze (1. Preis und 2. Preis) vorgestellt. Aber auch der dritte Preis sollte nicht dem Vergessen anheim fallen; mit dem wollen wir uns heute beschäftigen.

Nicolas Dupont
Probleemblad 2009-2010, 3. Preis
Beweispartie in 30 Zügen (15+11)

 

Bei Schwarz sind wir mit dem Zählen der sichtbaren Züge sehr schnell fertig; wir haben ja beinahe eine Homebase-Stellung vor uns; nur ein Turmzug ist sichtbar.

Bei Weiß hingegen fallen sofort zwei Umwandlungsspringer ins Auge, und damit können wir auch schon die sichtbaren Züge zählen: 3+1+4+3+4+4(+10)=29 – nur ein weißer Zug ist noch frei – und auch das nur unter der Voraussetzung, dass die beiden Umwandlungsspringer jeweils nur einen Zug gemacht und der fehlende weiße Bauer zu Hause geschlagen wurde.

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Preisbericht R.I.F.A.C.E 2019 Retroturnier

Am Pfingstwochenende fand das Treffen der französischen Problemfreunde statt — traditionell wurde da wieder ein Retro-Kompositionsturnier ausgerichtet, die Ausschreibung konntet ihr hier im Blog finden; Thema wir die neue Bedingung “Knightmate”.

Nun ist der Preisbericht erschienen. Viel Spaß beim Studieren!

Teddy 1.8.1

Vor knapp drei Jahren hatte ich hier über zwei unterschiedliche Programme berichtet – und heute können sie zusammenarbeiten!

Die ursprüngliche Popeye-Grafikoberfläche Teddy kann seit einiger Zeit auch als Benutzungsschnittstelle für (Jacobi und) das Beweispartie-Prüfprogramm Natch dienen. Dabei können die Natch Parameter konsistent mit der Teddy Oberfläche eingegeben, die Stellung dann durch Klicken ins Diagramm oder Eingabe der FEN Notation geändert werden. Für letzteres muss das Eingabefeld für FEN zunächst über das „Einstellungen“ Menü aktiviert werden. Dann aber ändern Eingaben im Diagramm oder im FEN-Feld synchron die Anzeigen im jeweils anderen Feld -– sehr komfortabel!

Übrigens finde ich das Eingabediagramm auch sehr praktisch z.B. zum Nachspielen vom Märchen-Beweispartien, was mit vielen Programmen nicht möglich ist, da dort die „orthodoxe Legalität“ von Zügen überprüft wird, die beispielsweise das Spielen einer Circe-Beweispartie ausschließt. Die Partieanfangsstellung kann man einfach mit Klick auf den mit drei schwarzen und weißen Bauern markierten Knopf aufbauen; klasse!

Probiert Teddy doch einfach mal aus – mir gefällt es sehr gut, ich finde es extrem nützlich. Vielleicht lernt das Programm ja auch bald noch, mit Euclide umzugehen?!

Retro der Woche 24/2019

Dürfte ich nur ein einziges Heft einer Problemschachzeitung mit auf die berühmte „einsame Insel“ nehmen, wäre dies mit Sicherheit feenschach-Heft 192, III-IV/2012: 48 Seiten voll nur mit Preisberichten und großartigen Artikeln — alle über Retros, überwiegend über orthodoxe Auflöse-Aufgaben.

Highlight in diesem Highlight-Heft ist für mich der beinahe 28 Seiten (!!) umfassende Artikel „Retrocages and Retroclusters: a Subjective Perception“ von Andrej Frolkin und Andrej Kornilow mit 78 ausführlich kommentierten Beispielen.

Heute habe ich daraus ein Stück, das nicht allzu schwer zu lösen ist, ausgesucht: Vielleicht motiviert euch das, selbst Löseversuche anzustellen, bevor ihr nachschaut…

Dragan Lj. Petrović
Pavlović Gedenkturnier 1981, 1. Preis Gruppe A
Welches waren die letzten Züge? (15+16)

 

Das Turnier war als 61. Thematurnier von der jugoslawischen Zeitschrift Problem zum Gedenken an Branko Pavlović (6.8.1906-21.5.1980) ausgeschrieben, der hauptsächlich Last Mover und Hilfsrückzüger komponierte.

Beim ersten Blick auf das Diagramm fällt gleich der riesige Knoten im Norden auf, ebenso das Schachgebot der weißen Dame gegen den schwarzen König — und dass nur ein einziger Stein fehlt, ein weißer Turm, der offensichtlich auf g6 oder g5 geschlagen wurde.

Wie aber können wir den Knoten lösen? Dazu muss [Ke1] herausgespielt werden, damit alles nach R: Sd/f6-e8 frei gespielt werden kann. Dazu aber muss [Ke8] ins Freie, und das kann er erst…

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Retro-Kompositionsturnier R.I.F.A.C.E 2019

Gerade eben ist die Ausschreibung zum diesjährigen Retro-Kompositionsturnier des R.I.F.A.C.E Treffens 2019 der französischen Problemfreunde veröffentlicht worden.

In diesem Jahr geht es um Beweispartien mit der Bedingung KnightMate, auch Nicht-Teilnehmer am Treffen dürfen (allerdings nur mit einer Aufgabe) am Turnier teilnehmen (per Mail an abrobecker(at)yahoo.com; Einsendeschluss ist Sonntag, 9. Juni um 18:00 Uhr.

Retro der Woche 23/2019

Heute möchte ich euch einen besonderen Verteidigungsrückzüger (VRZ) vorstellen und dabei mit euch einen Blick über den Zaun werfen: Natürlich gibt es die Übertragung verschiedener Themen aus „Vorwärts-Problemen“ in den VRZ schon lange und vielfach. Die Übertragung moderner, zyklischer Zweizügerthematik in den VRZ dürfte hingegen neu sein – zumindest, wenn dabei auch retroanalytische Überlegungen eine gewichtige Rolle spielen.

Joaquim Crusats
Problemas 2018
-2 & #1, VRZ Proca (15+9)

 

Beginnen wir wie üblich mit den Schlagbilanzen: Bei Weiß fehlt ein Turm, und der wurde auf der b-Linie geschlagen – ob nun vom [Ba7] oder vom [Bc7], wissen wir nicht.

Weiß hat selbst sieben Bauernschläge durchgeführt, nämlich einerseits axb, und andererseits haben die beiden Doppelbauern auf der e- und der h-Linie insgesamt sechsmal geschlagen: sie kommen von c2 und d2.

Damit sind alle fehlenden Steine erklärt.

Aber wie kann Weiß vor zwei Zügen Matt gegeben haben, was kann er drohen?

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Beginn des Andernach-Treffens

Heute beginnt das 45. Andernach-Problemschachtreffen, und dazu hatte mir Walter Lindenthal – vielen Dank, Walter! – ein sehr passendes Stück geschickt, das ich euch heute so vorstellen möchte, wie das in Andernach beim Lösungsturnier geschehen würde: Ohne Quelle und Angabe der Lösungsanzahl — diese Infos kommen dann erst mit der Lösung selbst, also in etwa einer Woche.



Beweispartie in 3,5 Zügen Andernach-Schach b) sTa8 statt sSg8 (15+15)

 

Beim Andernach-Schach wechselt im Schlagfall der „Schläger“ seine Farbe. Viel Spaß beim Knobeln – und ihr wisst ja, in Andernach dürfen Popeye und Co auch nicht mitlösen…

 

Lösung
Zunächst die kompletten Angaben zum Problem:

R. Turnbell & S. Emmerson
Variant Chess 1996
Beweispartie in 3,5 Zügen Andernach-Schach b) sTa8 statt sSg8, zwei Lösungen (NL) (15+15)

 

a) 1.d3 Sc6 2.s4Sxd4(wS) 3.Sc6 Tb8 4.Sxb8(s)
b) 1.d4 e6 2.d4 e6xd5(wB) 3.d6 Se7 4.dxe7(sB) und
(NL) 1.d4 Sf6 2.Dd3 Se4 3.Dxe4(sD) Dxd4(wD) 4.Dd1
Witziger Weise ist die NL auch „thematisch“! Auf solche Überraschungen muss man beim Andernacher Lösungsturnier gefasst sein!