Retro der Woche 03/2019

Heute möchte ich noch einmal auf das letzte Retro der Woche zurückkommen: Natürlich ist die Zeit nicht stehen geblieben, und heute wollen wir also betrachten, was 14 Jahre später Thierry Le Gleuher mit dieser Idee (“Aufspaltung des Bauerndoppelschritts”) gemacht hat; schaut euch also vielleicht vorher noch einmal die Beweispartie von Unto Heinonen an.

Thierry Le Gleuher
Probleemblad 2007
Beweispartie in 29,5 Zügen (9+15)

 

Auch hier fällt im Diagramm sofort ein schwarzer Umwandlungsstein auf, dieses Mal ein Läufer. Und auch er wird technisch dafür genutzt, schwarze Züge zu generieren — und, wie wir gleich noch sehen werden, auch Schlagfälle. Doch zunächst zählen wir die schwarzen sichtbaren Züge.

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Dezember-Schwalben

Mitte Dezember hatte ich darauf hingewiesen, dass die letzten 2018er-Ausgaben von Die Schwalbe und feenschach verspätet erscheinen würden.

Nun sind die Dezember-Schwalbe-Hefte erscheinen: Ja, der Plural ist richtig, das ist ein Doppelheft 294-1 und 294-2 mit insgesamt 104 Seiten! Es lagen so viele Beiträge vor, dass der Schwalbevorstand beschlossen hatte, dieses Mal ein Doppelheft zu veröffentlichen, anstatt über längere Zeit speziell einen Berg an Preisberichten vor sich her zu schieben.

So enthalten die beiden Hefte neben Berichten von Schwalbe-Treffen 2018 in Bad Segeberg viele Entscheide aus Informalturnieren, aber auch die der Geburtstagsturniere “Hans Peter Rehm 75” und “bernd ellinghoven 64”. Natürlich ist auch für uns Retrofrennde wieder eine Menge Lese- und Lösestoff dabei, darunter ein ausführlicher Beitrag von Bernd Schwarzkopf “Letzter Zug? — mit nur einer Steinart” sowie mein Segeberg-Vortrag.

Ich möchte aber euer besonderes Augenmerk auf zwei Beiträge jenseits der Retroanalyse richten, die ich beide begeistert verschlungen habe: Die Selbstmatt-Serie “Dies# fiel mir auf” von Hartmut Laue, zu der nun bereits der 17. Beitrag erschienen ist, sowie der Beitrag von Stephen Rothwell “Natürliche Eleganz — Die Studien von Hermann Mattison”.

Über Lesen und Genießen solltet ihr nun aber nicht das Lösen und Kommentieren vergessen: Zehn wie ich finde sehr abwechslungsreiche Urdrucke laden dazu ein.

Und wenn nun in den nächsten Tagen auch noch die letzten beiden feenschach-Hefte des Jahres 2018 (ebenfalls mit viel Retro-Lese- und Lösespaß, das kann ich schon versprechen) erscheinen…

Retro der Woche 02/2019

Am ersten Sonntag des neuen Jahres möchte ich euch eine schon etwas ältere und auch thematisch recht ungewöhnliche Beweispartie des Finnen Unto Heinonen (* 25.12.1946) zeigen. Wir kennen ja auch hier Unto als einen Komponisten, der ein wenig abseits des Mainstreams komponiert.

Unto Heinonen
Die Schwalbe 1993, 1. Preis
Beweispartie in 24 Zügen (16+10)

 

Ungewöhnlich ist hier schon der dritte schwarze Turm, der sofort auffällt und den wir gleich benutzen werden, um uns die ersten Schritte der Lösung dieser Aufgabe zu erarbeiten. Wir können zunächst einmal anhand der schwarzen Bauernstellung schnell feststellen, dass der aus [Bd7] entstanden sein muss.

Und nun zählen wir zunächst einmal die schwarzen sichtbaren Züge. Dabei lassen wir zunächst offen, welchen Turm wir als Umwandlungsturm ansehen und stellen fest, dass die beiden Original-türme mindestens fünf Züge gemacht haben müssen: Tf7 zwei, die beiden anderen jeweils drei, und wir zählen den dritten Turm zunächst nicht mit.

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facebook

Bei facebook erwartet man nicht unbedingt Urdrucke von Retroaufgaben, und doch hat der Argentinier Raul Ocampo dort im letzten Monat ein paar kleine Beweispartien erstmals veröffentlicht. Eine Aufgabe, die ich dort gesehen habe, hat mir besonders gut gefallen, drum möchte ich sie euch heute für zwischendurch vorstellen. Dieses Stück hat Raul nach eigenen Angaben schon im Oktober 2015 gebaut.

Raul Ocampo
facebook (Raul Ocampo), 29.12.2018,
Beweispartie in wie vielen Zügen? (15+16)

 

Ausnahmsweise möchte ich (wie der Autor) die genaue Zügezahl hier nicht angeben: Das würde zu viel verraten… Viel Spaß beim Lösen dieser recht inhaltsreichen Aufgabe!

 

Lösung
1.d3 h5 2.Lh6 e6 3.Kd2 Dg5+ 4.Kc3 Dc1 5.Dd2 Dxf1 6.h3 Dc1 7.De1 Dg5 8.Dd1 Dd8 9.Lc1 h4 10.Kd2 Th5 11.Ke1.

Christmas puzzles

Auf der Chessbase Website ist am Silvestertag ein Retro-Weihnachtspuzzle erschienen, in dem Frederic Friedel hauptsächlich Hilfsrückzüger vorstellt. Das ist auf dieser von Partiespielern stark frequentierten Website wieder einmal tolle Werbung für Retros — und der Beitrag ist lesenswert!

Nachtrag 2. Januar 2019:
Heute erschien ein weiterer Artikel auf der Seite: Problem chess with Noam Elkies. Dabei geht es auch um die Schwalbe und die PDB — auch sehr lesenswert!

2019

Allen Retrofreunden wünsche ich
ein gutes neues Jahr 2019!

Will man das neue Jahr “retroanalytisch” einordnen, so kommt man sicher kaum daran vorbei, es als Ceriani-Jahr zu bezeichnen: Luigi Ceriani, der vielleicht bedeutendste Retroautor, Verfasser vieler hochklassiger Aufgaben, Verfasser und Herausgeber der so bedeutenden Werke 32 Personaggi e 1 Autore (1955) und La Genesi della Posizioni (1961), wurde am 23. Januar 1894, also vor 125 Jahren geboren; er starb am 8. Oktober 1969, also vor 50 Jahren.

Auf ihn werde ich hier im Blog und auch an anderer Stelle noch ausführlich zurückkommen; heute aber schon einmal eine nette Kleinigkeit von ihm, die ihr sicher auch nach drei Punsch noch zwischendurch locker-leicht lösen könnt:

Luigi Ceriani
Problem 1954
Letzte vier Einzelzüge? (6+1)

 

 

 

Lösung
R: 1.e4-e5+ Kd6xBc6 2.dxc6ep+ c7-c5.

Retro der Woche 01/2019

Vorbemerkung: Heute folgt von Arnold Beine der zweite Teil zum Thema „Tacu-Enigma“, der im Nachspann zum Retro der Woche 35/2018 bereits angekündigt wurde — danke, Arnold! Diesmal wird es richtig märchenhaft, denn die Bedingung „Annanschach“ spielt eine wichtige Rolle. Hier zunächst eine knappe Einführung dazu; eine genaue Definition befindet sich am Ende.

Bei Annanschach zieht — kurzgefasst — der Vordermann in der Gangart des Hintermannes, solange zwei gleichfarbige Steine Kontakt in „Nord-Süd-Richtung“ haben. Der Vordermann ist dabei immer näher zur eigenen Umwandlungsreihe, der Hintermann näher zur eigenen Offiziersgrundreihe. Dies bedeutet, dass in der PAS alle Bauern wie die Offiziere in ihrem Rücken ziehen. Das hat enorme Auswirkungen bereits im ersten Zug, denn die Anzahl der möglichen Eröffnungszüge vergrößert sich von 20 auf 49. Annanschach ist vor allem deshalb sehr gewöhnungsbedürftig, weil die gewohnten Zugeigenschaften anders sind und sich auch ständig wieder ändern können. Die Vorstellung, dass in der PAS benachbarte Bauern ganz unterschiedliche Zugmöglichkeiten haben, will einem „Orthodoxen“ nur schwer in den Kopf. Dass der wBd2 wie eine Dame, der wBe2 aber nur wie ein König ziehen kann, ist schon ein starkes Stück; von denen daneben, die wie Turm, Springer und Läufer ziehen ganz zu schweigen. Es ist erlaubt, dass ein Bauer mit entsprechender Gangart auch die eigene Offiziersgrundreihe betritt; dort ist er selbst zugunfähig, kann jedoch seine Bauern-Gangart an einen Vordermann weitergeben. Jenes ist für Tacu-Enigmas eine sehr wichtige Eigenschaft, denn damit kann man eine Menge Spuren verwischen, was den Autor freut, aber dem Löser natürlich die Sache erschwert — es sei denn, er kalkuliert dies gleich in seine Überlegungen mit ein.

Arnold Beine
Die Schwalbe II/2018, Gregor Werner gewidmet
Stellung nach dem 4. Zug von Schwarz, #1 Annanschach; 30 unbestimmte Steine

 

In der heutigen Aufgabe gibt es wieder nur wenige Hinweise in der Stellung. Bis auf einen Stein stehen alle in Homebase-Stellung, zwei Steine fehlen, und das freie Feld g1 gibt wie bei Tacus Prototyp (siehe Retro der Woche 35/2018) einen Hinweis auf den weißen Mattstein. Wenn der wSg1 mattsetzen soll, dann dürfte er sich im schwarzen Lager befinden (oder er müsste sich auf der 2. Reihe mit einer starken Linienfigur im Rücken befinden, was aber auch nicht schneller geht), wofür er 4(!) Züge braucht, denn Annanschach kann Steine nicht nur stärker, sondern auch schwächer machen. Ein erster Versuch, den wSg1 ins feindliche Lager zu schaffen und weitestgehend die geforderte Stellung zu erreichen, könnte folgendermaßen aussehen: 1.Sf3? hxh2 (mit T-Kraft) 2.Sf4 (mit B-Kraft) Th3 3.Sg6 Te3 4.Sh8??. Das Feld d2 ist aber noch besetzt und ein Matt ist auch nicht in Sicht. Vielleicht klappt es mit dem anderen Springerzug und einem möglichen Damenmatt entlang der offenen d-Linie: 1.Sh3? hh5 (mit Turm-Kraft) 2.g4 hxg4 3.de3 (mit D-Kraft) gxh3 4.hg2 (mit T-Kraft) h2. Immerhin ist die geforderte Stellung erreicht, allerdings ist kein Damenmatt in Sicht. Dann wäre jetzt 1.de3 der nächste naheliegende Anfangszug, außerdem stellt sich die Frage, auf welchem Feld der sK in der Mattstellung steht. Ihn unter Beibehaltung der Stellungsvorgabe nach z.B. f8 zu bringen, würde aber fünf Züge dauern: 1.– ee6 2.– Le7 3.– Kf8 4.– fe8 5.– ef7. Bei d8 ginge es auch nicht schneller, es käme sogar noch das zusätzliche Problem hinzu, dass Schwarz ein Selbstschach durch den wBd2 (mit D-Kraft) vermeiden muss. Auf d7 stünde der sK aus den gleichen Gründen im Schach, außer wenn Schwarz vorher 1.– dxd2 spielen würde. Aber d2 muss am Ende frei sein. Allerdings hätte der sK auf d7 mit der sD im Rücken eine enorme Bewegungsfreiheit, die Weiß kaum kontrollieren könnte; und selbst mit einem sBd8 im Rücken des sKd7 hätte dieser zwar kaum noch Züge, aber Schwarz verblieben immer noch genügend Verteidigungsmöglichkeiten. Wie sieht es mit dem Feld e7 für den sK aus? Eine schwarze Zugfolge wäre 1.– ee6 2.– Ke7 3.– fe8 4.– ef7. Die Felder für ein Springermatt wären dann aber alle gedeckt und bei einem Damenmatt von g5 aus müsste das Feld e6 noch gedeckt werden. Bliebe als letztes noch das Nachbarfeld f7. Ein sKf7 hätte mit dem sLf8 im Rücken eine große Bewegungsfreiheit, aber bei genauer Betrachtung sind bis auf e6 alle Fluchtfelder gedeckt, wenn man davon ausgeht, dass e8 – wie im Diagramm angegeben – geblockt ist. Das Feld f7 ließe sich sogar ohne Spuren freimachen mit 1.– fxa2.

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ChessProblems.ca

Die von Cornel Pacurar herausgegebene kanadische Online-Zeitung ChessProblems.ca beschäftigt sich überwiegend mit Serienzügern, bietet aber uns Retrofreunden auch immer wieder interessante Beiträge.

In der neuesten Ausgabe finden sich auf 45 Seiten unter Anderem Aufsätze über Anticirce-Verteidigungsrückzüger mit der (recht wilden) Zusatzbedingungn “Assassin” von Vlaicu Crişan sowie drei “Neujahrs-Rebusse” (ja, ich habe extra im Duden nachgeschaut: Der Plural von “Rebus” ist wirklich “Rebusse” …) von Jeff Coakley und Andrej Frolkin.

Viele Spaß beim Lesen und Lösen!