Retro der Woche 04/2025

In der letzten Woche musste ich leider die Präsentation ausgezeichneter Aufgaben aus dem Retro-Preisbericht der Schwalbe 2022 aus aktuellem, traurigen Anlass unterbrechen; heute will ich sie nun fortsetzen mit einem sehr Lösefreundlichen Stück; ich lade euch jetzt schon explizit ein, das selbst zu lösen. So schrieb Preisrichter Richard Dunn dazu: „Ein reizvolles Problem und nicht allzu schwer zu lösen.“

Bernd Gräfrath
Die Schwalbe 2022, 1. ehrende Erwähnung, Yoav Ben-Zwi zum Gedenken
Beweispartie in 14,5 Zügen (14+15)

 

Sehr auffällig sind die fehlenden Steine: Bei Weiß fehlen die beiden Läufer, die wegen der Bauernstruktur nur zu Hause geschlagen worden sein können, und bei Schwarz fehlt „weit ab vom Schuss“ der a-Bauer, der auf seiner Linie geschlagen sein musste, da für ihn ja kein Schlagopfer zur Verfügung steht.

Bei Schwarz sehen wir im Diagramm nur vier Züge – zehn sind also frei! Aber wir wissen ja, dass beide weißen Läufer verschwinden müssen, und das benötigt einige Zeit. Es stehen ja auch zehn Züge dafür zur Verfügung – aber so viel ist das gar nicht?!

Weiterlesen

Stelvio 3.1

Reto Aschwanden hat heute die neue Version 3.1 seines Beweispartie-Prüfprogramms “Stelvio” bereitgestellt.

Das neue Release bringt weitere Verbesserungen der Strategie-Analyse sowie ein paar Fehlerbehebungen, unter anderem einen teuflisch schwer zu findenden. Das Herunterladen, das Aktualisieren von stelvio lohnt also wieder!

Und wie stets findet ihr die aktuelle Version auf der Stelvio-Seite hier auf meiner Site.

67. WCCC & 48. WCSC

Der 67. World Congress of Chess Composition (WCCC) und die 48. World Chess Solving Championship (WCSC) finden vom 5. bis zum 12. Juli 2025 in Alba Iulia / Rumänien statt.

Die offizielle Einladung mit ausführlichen Informationen findet ihr auf der WFCC-Seite; eine offizielle Website für die Veranstaltung wird kurzfristig eingerichtet.

Aber schon jetzt weisen die Veranstalter wegen der Hauptsaison im Juli darauf hin, dass Anmeldungen bis spätestens 5. Mai 2025 erfolgt sein müssen!

Retro der Woche 03/2025

Die Aufgabe, die ich heute vorstelle, hatte ich für den 2. Februar eingeplant – zum 80. Geburtstag des Verfassers. Nun ist Henrik Juel am 3. Januar verstorben – und so wird aus der Feieraufgabe ein Erinnerungsstück.

Henrik Juel
Thema Danicum 1997, 2. Preis
Ergänze einen Stein! Letzter Zug? (8+9)

 

Kaum zu glauben, dass die beiden Fragen eindeutig bei diesem Kindergarten-Problem (neben den Königen sind nur Bauern auf dem Brett – ein Begriff, den Peter Kniest eingeführt hatte) beantwortet werden können.

Machen wir uns zunächst einmal Gedanken über die erforderlichen Schläge: Wir sehen sieben schwarze Schläge mit seinen Bauern: d7xe6, g7xf6, h7xg6xf5xe4xd3xc2. Zusätzlich Wurde Lc1 zu Hause geschlagen, somit sind alle fehlenden weißen Steine erklärt. Damit ist übrigens auch schon klar, dass wir nur einen schwarzen Stein einsetzen können!

Bei Weiß sehen wir direkt drei Bauernschläge, die wir auch ziemlich genau verorten können: hxg3, exd3 sowie cxd. Wie konnte denn der fehlende [Ba2] verschwinden? Er musste sich auf d8 umwandeln, um sich anschließend schlagen zu lassen. Damit haben wir das Ceriani-Frolkin-Thema schon jetzt erkannt.

Weiterlesen

Henrik Juel 2.2.1945–3.1.2025

Sehr traurige Nachrichten kamen gestern aus Dänemark: Bjørn Enemark teilte mir mit, dass Henrik Juel (2.2.1945 bis 3.1.2025) am letzten Freitag verstorben sei, also vier Wochen vor seinem 80. Geburtstag.

Wer ein wenig diesen Blog verfolgt, weiß, dass Henrik von Anfang an einer der aktivsten Leser und Kommentatoren hier gewesen ist. Auch darüber hinaus haben wir im Austausch gestanden, und ich erinnere mich noch gern an seine Zeit als Schwalbe-Preisrichter für die Retro-Urdrucke 2016.

Auch als Komponist war Henrik sehr den Retros zugetan: Fast genau die Hälfte seiner Aufgaben in der PDB entstammen unserem Lieblings-Genre, von denen er die meisten natürlich in seiner „Heimat-Zeitung“ der Dänischen Problemschach-Vereinigung, Thema Danicum, veröffentlicht hat; darüber hinaus überwiegen Hilfsmatts und Märchen-Aufgaben. Auf der Seite finden sich auch ein Foto und mehrere Aufgaben von Henrik.

In meinen Gedanken bin ich bei Henriks Familie und seinen Freunden; wir werden ihn hier nie vergessen!

Mit einem sehr hübschen Illegal Cluster (Eine illegale Stellung, die legal wird, wenn man einen beliebigen Stein außer den Königen entfernt.) möchte ich an Henrik erinnern; ich lade euch herzlich ein, euch damit „zwischendurch“ zu beschäftigen; die Lösung kommt wie üblich in einer Woche.

Henrik Juel
Thema Danicum 1998
Ergänze die Könige und eine schwarze Dame zu einem Illegal Cluster (0+1)

 

 
 

Lösung

+wKg7 +sKe8 +sDg8

Henrik Juel bemerkte dazu in der PDB: “It is probably the first C+ IC problem ever.” Mario Richter hatte es mit seinem Programm rawbats getestet.

PROBLEM-SCHACH-KUNST

Er hat es schon wieder getan …

Nicht zum ersten Male hat Schwalbe-Ehrenmitglied Werner Keym die anderen Mitglieder der Vereinigung überrascht und erfreut, als er ihnen anlässlich des 100. Schwalbe-Geburtstags sein neuestes Buch PROBLMEM-SCHACH-KUNST schenkte – „eine subjektive Anthologie“, wie er im Untertitel gleich erläutert.

Und damit können sich viele sicher in etwa vorstellen, welch Lesegenuss sie da vorfinden: Auf 140 Seiten gibt es 250 Aufgaben in bunter Vielfalt zu bestaunen, lösen, genießen, von immer wieder gern gesehenen Klassikern bis zu Exoten, bei denen häufig „Retro“, „Konstruktion“ und „Textaufgabe“ im Mittelpunkt stehen, wie der Autor sie mag.

Lese- und lösefreundlich sind die Diagramme und Lösungen stets auf einer Doppelseite platziert; wer aber nicht zu früh nach der Lösung schielen möchte, findet dem Buch beigelegt eine raffinierte „Selbst-Löse-Hilfe“ zum temporären Abdecken.

Zum „zwischendurch“ lösen zeige ich euch die höchst originelle Nr. 165 aus dem Buch; hier ist schon Nachdenken erforderlich:

Werner Keym
Stuttgarter Zeitung 2020
Matt in 2 Zügen b) Drehe um 180 Grad (6+1)

 

Wie immer besteht die „Selbst-Löse-Hilfe“ hier im Blog darin, dass ihr erst in einer Woche werdet spicken können!

 

Lösung

Die Lösung habe ich direkt aus dem Buch übernommen:
a) Schwarz kann zuletzt nicht gezogen haben und ist am Zug. Daher nicht 1.Tc4? K d3 2.Tf3#, sondern 1.K d4! Sf4 2.Ke3/Ke5 Lc5#/Lc3#.
b) Kein Bauer ist sichtbar, keine mögliche Umwandlungsfigur steht auf der 8. Reihe, keine asymmetrische König-Dame-Position vorhanden, keine Rochade möglich – worin bitte soll der Unterschied zur Stellung a) bestehen?
Tatsächlich existiert jetzt ein letzter schwarzer Zug: sKc6 Bd6 c5 d6 e.p.+ d7- d5 L-e4+. Daher nicht 1.K e5? Sc5 2.Kd4/Kd6 2.Lf6#/Lf4#, sondern 1.Tf5! K e6 2.Tc6#.
Auf dem Brett stehen nur Offiziere, aber der unsichtbare Bauer ist der Held.
Erst- und Letztform!

Ein Buch z.B. für das Nachtschränkchen, falls ihr keine Sorge um euren Schlaf habt, das nicht systematisch durchgearbeitet werden muss: Einfach aufschlagen, schmökern, sich festlesen! Das ist natürlich auch ein ideales Geschenk für Freunde, ein toller Preis im Vereinsturnier: Es kann direkt beim udo degener verlag (Mail: Udo-Degener(at)gmx.de) für 12 EUR bestellt werden – ins Ausland kommen noch Versandkosten von 3 EUR hinzu.

Übrigens gibt es auf der auch immer wieder besuchenswerten Websete von Ralf Binnewirtz eine Leseprobe des Buches.

Nachtrag: Das Buch kann nun auch als E-Book (pdf-Datei) kostenfrei von der Schwalbe-Seite heruntergeladen werden!

Aktuelles aus dem Internet

Wie immer pünktlich am ersten Tag eines neuen Quartals, letzte Woche also am Neujahrstag, ist die neue Ausgabe der spanischen Online-Zeitschrift Problemas erschienen. Problemas beschäftigt sich mit allen Bereichen des Problemschachs, die Artikel dort erscheinen überwiegend auf Englisch und Spanisch. Auch in dieser Ausgabe (Nummer 49) findet sich wieder ein höchst interessanter Beitrag von Andriy Frolkin über das uncooking von Beweispartien.

Kurz vor dem Jahreswechsel erschien die achte Ausgabe von The Hopper Magazine aus Singapur. Auch hier ist natürlich Englisch “Amtssprache”; gleich zwölf Artikel in dieser neuen Ausgabe, hauptsächlich “märchenhaft”, laden zum Studieren ein, darunter aber auch einer über “Zweckreinheit” in orthodoxen Mehrzügern, also eine klassisch Neudeutsche Fragestellung — bemerkenswert! Gerade für uns Retro-Fans ist erfreulich, dass sich gleich fünf(!) Artikel mit Retroanalyse beschäftigen, zwei zusätzliche mit Schachmathematik.

Beide Zeitschriften kann ich euch nur ans Herz legen — nicht nur diese Ausgaben, sondern ich empfehle euch einen regelmäßigen Blick auf diese Seiten!

Retro der Woche 02/2025

Eine meiner Lieblings-Märchenbedingungen ist „monochromes Schach“: Weil einerseits die Bedingung quasi mit einem Satz erklärt werden kann („Es sind stets nur Züge erlaubt und legal, deren Ausgangs- und Zielfeld von gleicher Farbe sind; Rochaden gelten als Königs- und Turmzug.“), sie gleichzeitig aber unglaublich tiefsinnige Aufgaben erlaubt.

Gerade „monochrome Retros“ besitzen häufig in „einfacher“ Stellung unerwartete Tiefe, wie vor allem die Spezialisten Thierry Le Grleuher und René J. Millour schon vielfach gezeigt haben. Heute möchte ich ein solches Stück aus dem 2022er Retro-Preisbericht der Schwalbe vorstellen.

Thierry Le Gleuher
Die Schwalbe 2022, 2. ehrende Erwähnung
Wo wurde sTa8 geschlagen? Monochromes Schach (8+5)

 

Aus der Definition ergibt sich beispielsweise sofort, dass Springer nie ziehen können, dass eine lange Rochade niemals möglich ist, dass ein Bauer mindestens vier Schläge bis zur Umwandlung benötigt.

Auch für Türme können wir wichtige Aussagen treffen: Weiße Türme können nur auf ungerade, schwarze nur auf gerade Reihen ziehen, bei Umwandlungstürmen ist es genau anders herum. Wir können also im Diagramm für jeden Turm eindeutig entscheiden, ob er durch Umwandlung entstanden oder der Originalstein ist.

So fällt hier also sofort auf, dass wTg4 erwandelt wurde, was allein schon vier Bauernschläge auf weißen Feldern erfordert hat.

Weiterlesen