Retro der Woche 16/2025

In diesem Jahr habe ich es endlich geschafft, das “Sachsentreffen”an diesem Wochenende zu besuchen, das nun schon zum 33. Male stattfindet. Annaberg-Buchholz ist Große Kreisstadt im sächsischen Erzgebirgskreis, bevölkerungsreichste Stadt des Landkreises und dessen Verwaltungssitz. Hättet ihr gewusst, dass die Altstadt Annabergs sowie einige der umgebenden historischen Bergbaulandschaften seit 2019 zum UNESCO-Welterbe gehören?

Am Samstag habe ich einen kleinen Vortrag über “orthodoxe Märchenschach-Retros” gehalten: Ein Oxymoron, ein Widerspruch in sich? Ich glaube nicht!

Darum will ich an einer Aufgabe, die ich in Annaberg nicht gezeigt habe, erklären, was ich damit meine.

Günter Büsing
feenschach 1992, 1. Lob
Beweispartie in 20 Zügen, Duellantenschach (14+16)

 

Im Duellantenschach müssen beide Parteien mit dem jeweils zuletzt gezogenen Stein weiterspielen, solange das mit legalen Zügen möglich ist. Und mit “legal” sind “orthodox-legale” Züge gemeint, die also in jeder normalen Schachpartie auch zulässig sind.

Für einen Partiespieler ist natürlich kurios, dass man im Duellantenschach nicht einmal Sizilianisch eröffnen kann, auch nicht Nimzoindisch — aber jeder “Duellantenzug” ist gemäß den orthodoxen Regeln legal und führt immer auch zu einer legalen Stellung, wobei mit “legale Stellung” natürlich gemeint ist, dass es zu dieser Stellung eine Beweispartie gibt, dass sie also aus der Partiestellung heraus erspielbar ist.

Hier ist es nun spannend herauszufinden, wie Schwarz die weißen “Duellantenwechsel” erzwingt. Wir haben schon die Vermutung, dass dies alles der [Sg8] bewerkstelligt. Welche Arten gibt es, einen Duellantenwechsel zu erzwingen?

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Hilmar Ebert / Alquiros 75

Heute gehen unsere Glückwünsche weit in den Osten: auf den Philippinen feiert heute Hilmar Alquiros, den meisten sicherlich unter “Ebert” besser bekannt, seinen 75. Geburtstag.

Schon früh war Hilmar ein starker Partiespieler, der sich aber bald dem Problemschach zuwandte, seine neue Vorliebe gar zum Inhalt seiner Dissertation machte (das hat er übrigens mit Hans Gruber gemeinsam). In der Problemwelt bekannt ist Hilmar besonders durch seine Aktivitäten als Autor und Publizist um die Wenigsteiner herum (“Four Men Only” Serie, Wenigsteiner-Jahrespreis), aber auch für viele andere Aktivitäten, z.B. als Herausgeber der “he-chess” Reihe, als Begründer der Karl-Fabel-Sammlung, die er kurz vor seinem Umzug mir zu treuen Händen übergab.

Lieber Hilmar, für das nächste Vierteljahrhundert wünsche ich dir im Namen aller Leser hier alles denkbar Gute: gesundheitlich, privat und natürlich schachlich!

Unter seinen fast 1000 Aufgaben in der PDB finden sich auch 22 Retros — meist, wen sollte es überraschen, Wenigsteiner. Einen stelle ich hier für Zwischendurch vor; wie immer folgt die Lösung in einer Woche.

Hilmar Ebert
diagrammes 1979
Matt in 6 Zügen (2+2)

 

Retro der Woche 15/2025

Wenn dieses Retro der Woche erscheint, ist möglicherweise das neueste feenschach-Heft schon bei euch angekommen — abhängig davon, wie schnell die Post es zugestellt hat.

Das neue f-260 enthält u.a. die Lösungen aus dem Heft f-252 (Januar bis Mai 2023), und dessen Urdruckserie enthielt gleich 17 Retros! Sehr erfreulich; weniger erfreulich, dass diese Menge offensichtlich nicht zum Lösen und Kommentieren herausgefordert hat: Gar zu viele Retros? Nee, das kann doch gar nicht sein…

Ein hübsches Schlagschach-Retro möchte ich euch aus dieser Serie vorstellen; ich finde es sehr hübsch.

Gregor Werner
feenschach 2023
Beweispartie in 23 Zügen, Schlagschach (15+16)

 

Ihr erinnert euch sicherlich? Beim Schlagschach muss, wenn die Möglichkeit da ist, geschlagen werden. Dabei wird auch keine Rücksicht auf Könige genommen, die hier keine königlichen Eigenschaften haben und wie jeder andere Stein geschlagen werden können — damit entfällt auch ihr Rochaderecht, andererseits dürfen durch Umwandlung Könige entstehen. Wenn ihr Schlagschach spielt, habe ihr gewonnen, wenn ihr alle eure 16 Klötze losgeworden sied oder patt steht.

Und so ist es hier: Nur ein einziger Stein fehlt, und beide Parteien müssen natürlich extrem aufpassen, dass sie nicht plötzlich zum ungewollten Schlag gezwungen werden.

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Retro der Woche 14/2025

Ofer Comay baut, da kann man sich drauf verlassen, stets strategisch anspruchsvolle und interessante Aufgaben, und so habe ich mich sehr gefreut, im Rahmen der Bewertung der Einsendungen zum 12. WCCI mit wieder einige Stücke von ihm intensiver anschauen zu können, die ich bisher noch nicht kannte. Eines davon möchte ich euch heute zeigen.

Ofer Comay
Variantim 2023
Beweispartie in 33 Zügen (14+14)

 

Ein recht langes Stück, und sicherlich kein leicht zu lösendes! Schauen wir zunächst einmal nach offensichtlichen Schlagfällen: Da sehen wir auf bei Weiß einen: axb. Und beide fehlenden weißen Steine wurden von Bauern geschlagen, wir sehen dxe6 und gxf. Bei Schwarz fehlt [Ba7] sowie [Lc8], bei Weiß [Bg2] und [Bh2]. Was bedeutet das für unseren weiteren Vorüberlegungen zur Lösung — was passierte vor allen Dingen mit den fehlenden Bauern? Kann vielleicht Schwarz auf der f-Linie den [Bg2] geschlagen haben?

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Retro der Woche 13/2025

Nachdem wir uns in den letzten Wochen hier intensiv mit ziemlich neuen Aufgaben beschäftigt hatten, wollen wir heute auch zeitlich einen echten “Blick zurück” werfen: Das Jahr 1972 — ich kann mich noch gut an die olympischen Spiele in München erinnern, an die wirklich fröhlichen Spiele bis zu dem grausamen Attentat auf das israelische Olympiateam, bis zu dessen schreckliches Ende in Fürstenfeldbruck.

In diesem Jahr, in diesem September erschien das heutige Stück, dessen eigentliche Geschichte aber noch weiter zurückgeht.

Josef Haas und Karl Fabel
The Problemist 1972
#1 vor 35 Zügen, Hilfsretraktor (11+12)

 

Hier spielen also Weiß und Schwarz abwechselnd Züge zurück, sodass nach der 35. Rücknahme von Weiß dieser einzügig Matt setzen kann. Und Schwarz hilft mit seinen Rücknahmezügen dabei, solch eine Stellung herbeizuführen.

Wir sehen gleich, dass Schwarz mit der Rücknahme beginnen muss, da der weiße König im Diagramm im Schach, sogar matt ist. Also nimmt Schwarz Tc7-c8# zurück — kann er dabei auf c8 geschlagen haben?

Zunächst einmal sehen wir, dass sowohl Weiß als auch Schwarz viermal mit ihren Bauern geschlagen haben: Schwarz bxc, dxc und fxexd, Weiß b2xc3xd4xe5 und h5xg6.

Dabei kann der [Ba2] nicht durch einen Bauernschlag verschwinden, er kann auch selbst nicht geschlagen oder schlagfrei umgewandelt haben — er wurde also von einem schwarzen Offizier geschlagen, und damit sind alle fehlenden Steine geklärt.

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Retro der Woche 12/2025

Wieso die Spezialform des Serienzug-Hilfsmatts, mit der wir uns heute beschäftigen wollen, mit dem Attribut “konsequent” beschrieben wird, hat sich mir noch nie so ganz erschlossen. Vielleicht wegen “konsequenter Amnesie”? Jedenfalls definiert sie das Schwalbe-Problemschachlexikon so:
“Ein Serienzüger, bei dem nach jedem Zug die Retroanalyse der Stellung neu durchgeführt wird (also ohne Kenntnis früherer Züge und Analysen). Beispielsweise wird eine Rochade wieder möglich, wenn König und Rochadeturm auf ihre entsprechenden Felder ziehen (weil in der neuen Analyse ‘vergessen’ ist, dass beide bereits gezogen haben).”
Damit sind nette Spielereien mit Mehrfachrochaden möglich — aber auch tiefsinnigere Retro-Überlegungen, wie in dem Stück, das wir uns heute gemeinsam anschauen wollen:

Thierry Le Gleuher
The Problemist 2022, 3. Lob
Konsequentes Serienzughilfsmatt in 31 Zügen (7+11)

 

Weiß hat nach 31 schwarzen Serienzügen ja nur den Mattzug; das schränkt die Möglichkeiten des Mattsetzens schon deutlich ein. Der wLb6 taugt hier zum Mattsetzen überhaupt nicht, da dazu der schwarze König sein Eckfeld verlassen müsste — das aber funktioniert nur ohne den Läufer.

Das einzig vorstellbare Matt ist axb7#. Das aber setzt voraus, dass sTa7 das Mattfeld b7 nicht mehr deckt. Heraus kommt er aber nur, wenn er nicht den wBa6 schlagen will, nachdem wLb6 verschwunden ist. Dann aber muss a7 dem schwarzen König auf andere Weise unzugänglich gemacht werden. Weiß kann das Feld nicht selbst decken, also muss es durch Schwarz blockiert werden. Wer kommt dafür in Frage?

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Retro der Woche 11/2025

Zum WCCI 2022-2024 werden natürlich auch eine Menge Märchenretros eingeschickt, auch einige, die je nach Ansicht des Richters unter Märchen fallen oder nicht. Manche rechnen Einfärbe-Retros zu den Märchen, für mich ist das eine klassische Forderung — nicht im Sinne von “mindestens 100 Jahre alt”, sondern eine Fragestellung, die sich gemäß der orthodoxen Schachregeln retroanalytisch beantworten lässt — auch wenn das Diagramm natürlich nicht besonders orthodox ausschaut.

Dimitrij Baibikov
Phénix 2024
Färbe die Steine! Letzte 27 Einzelzüge (30)

 

Speziell bei der Ableitung der Argumente für die Einfärbung orientiere ich mich stark an der vom Autor angegebenen Lösung.

Alle 16 Bauern stehen im Diagramm, es gab also keine Umwandlungen. Auf der b- und der f-Linie stehen je drei Bauern; daher wurden die beiden fehlenden Steine von Bauern auf diesen Linien geschlagen. Auf den c-, d-, e-, h-Linien gab es keine Schläge (es fehlen nur zwei Steine), also sind die Bauern c3, d2, e2, h2 weiß und c4, d6, e7, h5 schwarz.

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Jubiläum der Lüneburger Landeszeitung

16.3.2025: Update der Ausschreibung!

Es gibt nur noch wenige Tageszeitungen mit einer regelmäßigen Problemschach-Rubrik. eine davon ist die Lüneburger Landeszeitung. Die dortige Problem-Rubrik wird von Carsten Ehlers geleitet, und von ihm erhielt ich die Ausschreibung zum Jubiläumsturnier anlässlich des 3000. Urdrucks dort, wobei es “irgendwie” auch um Retro gehen kann, denn gefordert sind Drillinge, die auf diese Phasen verteilt den Valladao-Task (Umwandlung, Rochade und e.p.-Schlag) zeigen.

Details findet ihr in der Ausschreibung; Einsendungen bis zum 10. Juni 2025 an Carsten Ehlers, Richter ist Andreas Thoma, dem ein Preisfonds von 400 EUR zur Verteilung bereitsteht.