Retro der Woche 18/2020

Üblicherweise denkt man bei „Märchen-Retros“ an Bedingungen wie beispielsweise Anticirce oder Duellantenschach, die allgemein die zugrunde liegenden Schachregeln ändern. Viel seltener sind Märchenretros, bei denen Märchensteine verwendet werden: Da muss man stets erklären, wie sie denn entstanden sind.

Gelegentlich trifft man auf Aufgaben, in denen in der Partieanfangsstellung bestimmte Stei-ne durch Märchenfiguren ersetzt werden; auf ein Beispiel P1240680 sei hier hingewiesen.

Eine Alternative ist, quasi als Märchenbedingung die Umwandlung in eine bestimmte Märchenfigur zuzulassen; so macht es Dmitrij Baibikov in unserer heutigen Aufgabe.

Dmitrij Baibikov
Julias Fairies 2018, 1. Preis 2017-2018
Letzte 20 Einzelzüge, Umwandlung in Grashüpfer erlaubt (13+11)

 

Kurz zur Erinnerung: Ein Grashüpfer zieht in Damenrichtung und hüpft für seinen Zug auf das Feld hinter dem ersten Stein in seiner Zugrichtung. Ist das Feld von einem Stein anderer Farbe besetzt, so wird der geschlagen; ist es von einem Stein eigener Farbe besetzt, so ist der Zug unmöglich, da das Zielfeld blockiert ist. (Beispiel: wKe1, wLf1, wGa1, sKf6, sBa5a6: mögliche Grashüpferzüge sind Gg7, Gxa6, aber nicht Gf1)

Wir können uns rasch überlegen, dass die Zulassung von Grashüpfern nichts an der üblichen Zählung von Bauernschlägen ändert, dass aber jeder im Rückspiel entstandene Grashüpfer wieder entwandelt werden muss.

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Preisbericht 5. Retroblog-TT

Am 31. März war Einsendeschluss für das 5. Retroblog-Thematurnier, in dem Beweispartien mit “Fuddled Men” gefordert waren. Elf Aufgaben gingen ein — die letzte am 31.3.2020 um 23:59 Uhr.

Heute schon hat mir Preisrichter Bernd Gräfrath das Urteil zukommen lassen; den Preisbericht könnt ihr natürlich hier anschauen oder herunterladen.

Allen Teilnehmern herzlichen Dank, dem Sieger Michel Caillaud herzlichen Glückwunsch!

Münchener Märchenturnier 2020

Der Münchener Problemkreis schreibt wieder ein Märchen-Kompositionsturnier aus, auf das ich hier gern hinweisen möchte, auch wenn es nicht um Retros geht.

Thema ist die neue Märchenart “Punktspiegelung” bzw. “Point Reflection”, die ich hier in der letzten Woche mit einer Beweispartien (nicht zufällig …) vorgestellt hatte.

Gefordert sind h#2 mit dieser Bedingung sowie zusätzlich genau einer der Bedingungen “Circe”, Anticirce” oder “orthodox”.

Die genaue Ausschreibung findet ihr auf der Ausschreibungsseite des mpk, Einsendeschluss ist der 10.10.2020.

Weshalb weise ich hier im Retroblog auf dieses Nicht-Retro-Turnier hin? Nun, ich finde die Bedingung sehr interessant — und der mpk hat mich eingeladen, dieses Turnier zu richten. Und daher freue ich mich besonders auf jede gute Einsendung, denn dann macht das Richten natürlich noch mehr Spaß!

Point Reflection

Im Rahmen der WCCT Treffen werden stets eine Kompositionsturniere ausgerichtet; für uns Retro-Freunde sind dort die Champagne-Turniere von Michel Caillaud besonders bekannt. Auch die japanischen Problemisten tragen schon seit vielen Jahren zu dieser Tradition bei — nicht zufällig unter dem Namen „Sake-Turnier“.

Bei dem von 2019 ging es um die neue Märchenbedingung „Point Reflection“, eine Erfindung von Hiryu Todoroki, mit der recht einfach ausschauenden Regel (zitiert aus dem Märchenlexikon der Schwalbe)

Stehen zwei Steine (beliebiger Farbe, Könige eingeschlossen) auf Feldern, die punktsymmetrisch bezüglich der Brettmittelpunkts zueinander sind (z.B. a1-h8, b3-g6), tauschen sie ihre Zug-, Schlag- und Wirkkräfte (behalten aber die Farbe, die Bauernzugrichtung und evtl. königliche Eigenschaften bei).

Dazu gibt es noch zusätzliche Festlegungen:

Ein Bauer auf der ersten Reihe kann nicht ziehen, sein korrespondierender Stein auf der achten Reihe daher auch nicht. Die Rochade ist nur mit nicht-gespiegelten Figuren (König, Turm) möglich. Nur nicht-gespiegelte Bauern können en passant schlagen.

Die Auswirkungen auf dem Brett sind allerdings recht heftig! Zum „Eingewöhnen“ empfehle ich euch den Preisbericht des genannten Turniers.

Und zum Selbstlösen zwischendurch lade ich euch mit einer kleinen Beweispartie ein:

Christian Poisson
562 Parties Justificatives Homebase
Beweispartie in 3,5 Zügen, Point Reflection (15+15)

 

Auf die Quelle hatte ich schon im Oktober letzten Jahres aufmerksam gemacht.

Wie üblich bringe ich in etwa einer Woche hier die Lösung; viel Spaß beim Knobeln!

… Und hier ist nun die Lösung:

Lösung

1.d4 e5 2.dxe5 Kxe5 (Damenkraft) 3.Dd4+ Ke8 (wieder Damenkraft) 4.Dd1

Rückkehr von wD und sK.

Retro der Woche 06/2020

NACHTRAG SIEHE UNTEN!

Bernd Gräfrath hatte darauf hingewiesen, dass der Fünffach-Pendler von Michel Caillaud den 2. Preis im feenschach-Retro-Informalturnier 2015 belegt hatte. Ins FIDE-Album kam es übrigens mit („nur“?) 10,5 Punkten.

Daher möchte ich euch heute den ersten Preis dieses Turniers zeigen (den dritten Preis erschien im Retro der Woche 5/2018), eine Beweispartie mit einer interessanten Märchenbedingung: Im „#R Schach“ wird nach einem Mattzug als Teil des Zuges der mattgebende Stein entfernt (beim Doppelschach beide), und es wird „ganz normal“ weiter gespielt, als sei nichts passiert. Hierzu und zu weiteren, ähnlichen Bedingungen erschien in f-212, S. 54—77 der sehr interessante Artikel „New Fairy Types Based on a Twinning Form“ von Chris Tylor und Andrej Frolkin; hier wurde auch unsere heutige Aufgabe urgedruckt.

Andrej Frolkin
feenschach 2015, 1. Preis
Beweispartie in 18,5 Zügen, #R Schach (11+13)

 

Bei Weiß sind nur je zwei Dame- und Turmzüge sichtbar, bei Schwarz sehen wir 0+1+3+0-9+5= 18 Züge, dabei habe ich für sSb5 sieben Züge angesetzt: fünf für die Umwandlung, zwei für den Weg nach b5; das ist das Minimum an schwarzen Springer-Zügen und daher auch genau deren Wert, da ja alle schwarzen Züge erklärt sind.

Schwarz kann auf seinen Wegen [Bc2] und [Sb1] schlagen ([Bd7]-d3xBc2xSb1=S), sich aber nicht mehr zusätzlich um die Beseitigung der fehlenden drei weißen Bauern [Bf2], [Bg2] und [Bh2] kümmern – das muss Weiß schon selbst erledigen.

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Konstruktionswettbewerb und Jacobi

Auch im letzten Jahr hatte der Schachverband Württemberg e.V. wieder ein Konstruktionsturnier ausgeschrieben: Ich hatte offensichtlich vergessen, hier darauf hinzuweisen, da dieses Mal kein Retro gefordert war; es ging um eine Folge von Mattsetzungen: Nach einem Matt werden die schachbietenden Steine entfernt, und es geht weiter.

Ausschreibung und Preisbericht habe ich zusammengefasst; die sind nicht nur interessant, weil mit dem Team Andrej Frolkin und Chris Tylor echte Retrofreunde gewonnen haben, sondern von Chris stammt eine englische Beschreibung, wie sie das “Märchen-Beweispartie-Prüfprogramm Jacobi” hierzu intensiv genutzt haben. (Dank an Chris, dass er mir erlaubt hat, diesen Bericht hier vorzustellen.)

Das sollte sicher einige von euch interessieren. Viel Spaß bei der Lektüre!

6. Retroblog-Thematurnier

Kinder, wie die Zeit vergeht…

Ich freue mich, nun schon zum fünften Male in Folge am ersten Weihnachtstag zusammen mit Andreas Thoma ein neues Retroblog Thematurnier ankündigen zu können.

Gefordert sind, auch das ist ja schon Tradition, Verteidigungsrückzüger mit der Märchenbedingung Anticirce und einer speziellen, Anticirce-typischen Idee; die Details sind anhand einer Originalaufgabe in der Ausschreibung auf Deutsch und Englisch erläutert.

Schickt eure Beiträge — auch das ist Tradition — bis zum Ostersonntag, also bis zum 12. April 2020 an mich als Turnierdirektor (t.brand(at)gmx.net). Andreas Thoma wird das Turnier richten; für die Sieger stehen Buchpreise zur Verfügung.

Andreas und ich freuen uns auf eure Einsendungen!

Retro der Woche 52/2019

Im Retro der Woche 36/2019 hatte ich vom Murfatlar-Turniers anlässlich des diesjährigen WCCC in Vilnius berichtet: Dort waren Beweispartien mit der Bedingung „Duellantenschach“ gefordert. Ich hatte dort den ersten Preis hier vorgestellt, doch der wurde leider anschließend gekocht.

Nun möchte ich auf den zweiten Preis des modifizierten Preisberichts (dessen URL hat sich übrigens seit dem Retro der Woche 36/2019 geändert!) eingehen, der mir sehr interessant erscheint, weil er nämlich eine sehr typische Duellantenschach-Strategie thematisiert.

Michel Caillaud
Murfatlar Turnier 2019, 2. Preis
Beweispartie in 23 Zügen, Duellantenschach (15+14)

 

Noch einmal die Definition der Bedingung, entnommen dem Schwalbe-Lexikon: „Der einmal gewählte Stein des Startzuges einer Partei muss auch alle folgenden Züge seiner Partei bestreiten. Ist dies nicht mehr möglich, bringt ein neuer Startzug einen neuen Duellanten ins Spiel. Die Schachwirkung aller Steine bleibt normal erhalten.“ Alle Züge sind also auch unter den orthodoxen Schachregeln legal.

Während es in der Anfang September vorgestellten Aufgabe einige Schlagfälle gab, die, wenn der gerade aktive Duellant geschlagen wird, natürlich für eine ziemlich banale Art der Ablösung sorgen, geht es heute deutlich „strategischer“ zu.

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