Vorträge beim Schwalbe-Treffen

Bereits am gestrigen Donnerstag, dem ersten Tag des diesjährigen Schwalbe-Treffens in Sindelfingen, gab es schon interessanten Vorträge: Hartmut Laue (Selbstmatt-Schachbearbeiter der Schwalbe), stellte einige Selbstmatts aus dem gerade beendeten 9. WCCT vor und diskutierte dabei einige Fragen zur Ästhetik und Konstruktion von Selbstmatts; anschließend präsentierte Hubert Gockel, #2-Sachbearbeiter der Schwalbe und Organisator der Tagung, Zweizüger mit der Bedingung „Elliuortap“, bei der Steine nur dann Schlag- und damit (Schach-) Kraft haben, wenn sie nicht von einem Stein gleicher Farbe beobachtet werden.

In den Vorträgen des heutigen Freitags berichtete Dieter Kutzborski von neuen Ideen aus dem Umfeld der römischen Idee, und bernd ellinghoven stellte Beispielaufgaben für ein neues Thematurnier von Die Schwalbe und feenschach vor.

Ich selbst habe einige Aufgaben mit der elsässischen Bedingung vorgestellt, darunter auch eine von Hubert Gockel, die ich hier zeigen möchte:

Hubert Gockel
Die Schwalbe 1982
H# in 2 Zügen, Elsässisches Circe (7+10), Zeroposition: a) sLh5 nach f1; b) wSd6

 

In einer Zeroposition muss die Diagrammstellung nicht gelöst werden; zunächst müssen also die Stellungsänderungen vorgenommen werden.

In beiden Phasen kann eigentlich die schwarze Dame den Matt setzenden weißen Stein schlagen, und das sogar mit Schachgebot gegen den weißen König. Dies aber ist gerade das Dilemma: Dieses Schachgebot könnte schwarz orthodox nicht zurücknehmen, so dass dieser Schlagzug gemäß der elsässischen Bedingung nicht zulässig ist.

a) 1.Dd1 Dxd3 2.Sf5 Df3#

b) 1.Df1 Sf5 2.Sd1 f3#.

Einige weitere Aufgaben werde ich in einem kleinen Artikel für Die Schwalbe vorstellen.

(Update vom 5. Oktober 2013)

Elsässisches Circe

Vor in paar Tagen begann im Forum von MatPlus.net eine Diskussion über Elsässisches Circe. Diese Bedingung ist ziemlich genau ein Drittel Jahrhundert alt; sie wurde von Jean Zeller (er stammte aus dem Elsaß, daher auf Vorschlag von Michel Caillaud der Name der Bedingung) in 49 feenschach Januar-März 1980 (S.298-303) eingeführt.

Die Regel ist eigentlich ganz einfach, hat aber dann gelegentlich verblüffende Konsequenzen:

Nach jedem Circe-Zug muss die Stellung unter orthodoxen Gesichtspunkten legal bleiben. Auch muss das Diagramm selbst sowohl nach den Circe- als auch nach den orthodoxen Regeln legal sein.

Mit anderen Worten: Zur Diagrammstellung und nach jedem Zug muss es eine orthodoxe und eine circensische Beweispartie (die natürlich nicht eindeutig sein muss) geben, die zu dieser Stellung führt.

Das ist also eine Märchenbedingung, die für uns Retro-Freunde sehr interessant ist — und ich bin mir sicher, auf diesem Gebiet sind noch sehr viele interessante Sachen möglich!

Ein kleines und einfaches Beispiel aus dem oben zitierten Artikel möchte ich hier vorstellen:

Jean Zeller
feenschach 1980
Hilfsmatt in 3 Zügen, Elsässisches Circe (7+3)

Die Stellung ist orthodox legal (wLa6 ist ein Umwandlungsläufer), und es gibt auch keine Zweifel an der circensischen Legalität der Stellung. Wäre die sDh1 ein Turm, löste sich die Aufgabe auch ohne Circe in zwei Zügen (1.Th8 Ta1 2.Tb8 Lc8#), aber die schwarze Dame ist ein denkbar schlechter Block.

Aber irgendwie muss ja die neue Bedingung zum Tragen kommen — und dann finden wir ein Mattbild mit schwarzen Blocks auf a7 und b8 und Lb7#, wenn denn das Schlagen des Läufers aus irgendwelchen Gründen nicht möglich wäre. Das kann natürlich nur elsässisch begründet werden, und dann ergibt sich die Lösung

1.Dh2 f3 2.La7 Tf2! 3.Db8 Lb7#, denn nun entstünde nach einem Schlag des Läufers und dessen circensischer Wiedergeburt auf f1 eine illegale Stellung, da der wTf2 niemals orthodox in diesen Käfig hätte gelangen können — also Matt.

Übrigens lässt sich die elsässiche Bedingung auch mit anderen Bedingungen (z.B. Madrasi, Anticirce, etc.) verknüpfen, und da lassen sich bestimmt noch interessante Sachen entdecken!

Nachtrag 31.8.13:
Beim Blick in WinChloe fand ich die Nebenlösung 1.Lxf2 Ld3 2.La7 Tf7 3.Lb8 Le4# — ganz ohne Circe, von “elsässisch” ganz zu schweigen… Das lässt sich natürlich leicht reparieren, z.B. +wBf5 oder +sBe7.

Nach Hause…

Nicolas Dupont hat bei “chessproblems.ca” ein Thematurnier ausgeschrieben für Aufgaben mit der von ihm erfundenen Bedingung Back-Home (englischer Begriff, im französischen Original Retour) — und ich schlage vor, dass wir im Deutschen den französischen Original-Begriff verwenden.

Während E.T. nach Hause telefonieren wollte, müssen bei Retour-Aufgaben Steine, wenn dies legal möglich ist, auf ihr Ursprungsfeld in der Diagrammstellung ziehen, bei mehreren möglichen Retour-Zügen hat der Ziehende freie Auswahl. Für Umwandlungsfiguren gilt die Diagrammposition des Bauern, der sich umgewandelt hat.

Nach dem Willen des Erfinders hat diese Retour-Regel sogar Vorrang vor Schachgeboten; dies will ich an einem kleinen Beispiel erläutern: wTd1, wBf6, sKe8 — Schach in einem Zug, Retour.

1.Td8? ist kein Schachgebot, sondern nur eine Verführung, denn Weiß muss ja in seinem nächsten Zug zurück nach d1. Deshalb kann Schwarz ganz ruhig z.B. 1.– Kf8 ziehen, nicht jedoch 1.– Kd7??, denn dies wäre Selbstschach, da der König dem Turm seinen Rückweg nach d1 versperren würde. Somit löst nur 1.f7+, denn der Bauer kann nicht legal wieder nach f6 ziehen.

Ein Beweispartie-Beispiel aus der Ausschreibung:

Nicolas Dupont
J.-M. Trillon Gedenkturnier 2012, 1. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 13,5 Zügen, Retour (16+15)

Lösung: 1.e4 a5 2.e5 a5 3.e6 Ta5 4.La6 (versperrt den Rückweg) 4.– Te5+ 5.Se2 d5 6.0-0 Dd6 7.exf7+ Kd7 (die sD kann nun nicht nach Hause) 8.f4 Db6 (nicht sofort 8.– Kc6?? — und warum nun noch nicht 9.Kf2?) 9.f5 Kc6 (Und nun beginnt das Aufräumen bei Weiß.) 10.Kf2 Kb6 11.Th1 Ka7 12.Sg1 Ka8 13. Lf1 Ld7 14.Ke1.

Das Turnier ist in drei Gruppen ausgeschrieben, die dritte fordert Beweispartien, Richter hierfür ich Michel Caillaud. Die genaue Ausschreibung könnt ihr bei chessproblems.ca herunterladen, die Einsende-Formalitäten und Termine findet ihr wie üblich auch im Problemschach-Kalender.

Nun viel Spaß mit Experimenten mit dieser interessanten neuen Märchenart!

Marco Bonavoglia 60 Turnier

Zur Feier seines 60. Geburtstages schreibt Marco Bonavoglia ein Jubiläumsturnier aus; gefordert sind Beweispartien mit mehreren Lösungen und/oder Zwillingen, die zweifarbige Strategie zeigen. Märchenbedingungen sind erlaubt, aber keine Märchenfiguren. Abhängig von der Anzahl der Einsendungen können im Preisbericht zwei Gruppen (Orthodox und Märchen) gebildet werden.

Beispiele:

Marco Bonavoglia
Messigny 2008, 1. Preis
Beweispartie in 7,5 Zügen mit Varianten (13+13)

Lösung:
1.f4 a5 2.f5 a4 3.f6 a3 4.fxg7 axb2
a) 5.gxh8=L bxa1=S 6.Lhb2 Sb3 7.d4 Sxc1 8.Lxc1;
b) 5.gxh8=S bxa1=L 6.Sg6 Lag7 7.Sxf8 Lxf8 8.d4.

Pronkin auf c1 und f8. Turnier-Thema: Ein Umwandlungsstein schlägt einen Umwandlungsstein.

Marco Bonavoglia
StateGems 2006, Lob — Sara gewidmet
Beweispartie in 3,5 Zügen Andernach-Schach, 2 Lösungen (15+15)

Lösung:
I) 1.d4 Sf6 2.d5 Sxd5=wS 3.Sxe7=sS Sg8 4.c4;
II) 1.c4 e5 2.Sc3 e4 3.Sxe4=sS Sxd2=wS 4.Sb1.

Weißer und schwarzer Springer-Rundlauf.

Pro Komponist ist eine beliebige Anzahl von Einsendungen erlaubt, allerdings höchstesn ein nicht Computer-geprüftes Stück. Bitte gebt für C+ Probleme das Prüfprogramm an.

Der Richter erhält alle Einsendungen in anonymisierter Form.

Einsendungen an Antonio Garofalo (perseus(AT)bestproblems.it) bis zum 31. Januar 2014; Richter ist Marco Bonavoglia.

Die Original-Ausschreibung findet ihr im Netz.

Andernach-Retro-Turnier

Am letzten Donnerstag hatte ich hier das Andernacher Kompositionsturnier angekündigt: Es geht um “Wurmlöcher”, die ich hier auch vorgestellt habe. Eine Kurzfassung der Definition, die vom Erfinder Hans-Peter Reich stammt, lautet:

Wurmloch zu sein ist die Eigenschaft eines Feldes. Endet der aktive Zug eines Steins auf einem Wurmloch, wird er in unmittelbar folgender Konsequenz in das Wurmloch gesogen und muss aus einem beliebigen anderen unbesetzten Wurmloch wieder austreten.

Die bis Samstagabend abgegebenen Aufgaben wurden in drei Abteilungen (direktes Spiel, Hilfsspiel und Retros) gerichtet. Es wurden sieben Retro-Aufgaben eingereicht, von denen vier in den Preisbericht aufgenommen wurden. Diese vier Aufgaben möchte ich hier vorstellen; Preisrichter waren übrigens Uli Ring, Torsten Linß und ich, die Kommentare zu den Aufgaben stammen von Uli.
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Andernach-Kompositionsturnier

Während des Märchenschach-Treffens in Andernach, das heute Mittag begonnen hat, findet traditionell ein Kompositionsturnier statt, bei dem die Teilnehmer sich bis Samstagabend meist mit einer neuen Märchenschach-Bedingung auseinander setzen sollen.

In diesem Jahr werden Aufgaben mit Wurmlöchern erwartet; die Regeln und auch ein paar Beispielaufgaben findet ihr zum Download hier auf meiner Site.

Wenn ihr schon nicht in Andernach seid, so habt ihr vielleicht Spaß daran, euch mit dieser interessanten “Felder-Bedingung” zu beschäftigen — (nicht nur) die feenschach-Redaktion freut sich über eure Urdrucke, und speziell freue ich mich natürlich auch auf die eine oder andere gute Retro-Aufgabe für Die Schwalbe!

Übrigens: Die neue Popeye Version 4.63 kann Aufgaben mit Wurmlöchern prüfen!

Retro der Woche 14/2013

Zunächst einmal wünsche ich euch ein frohes Osterfest! Und wenn ihr nun die Ostereier im Garten unter den Schneebergen gefunden habt, freut ihr euch vielleicht, im Warmen sitzend bei einem Glas Glühwein das neue Retro der Woche anschauen und lösen zu können?!

Im heutigen Retro der Woche verbirgt sich auch ein Osterei: e2 ist nämlich ein “magisches Feld”: Diese Erfindung von Albert H. Kniest ist ganz einfach erklärt: Betritt ein Stein (außer einem König) ein magisches Feld, ändert er seine Farbe. Das kann schon im Vorwärtsspiel zu interessanten Strategien und Lösungen führen, aber besonders interessant finde ich es in Retro-Aufgaben.

Günther Weeth hatte die magischen Felder speziell im Zusammenhang mit Anticirce-Procas (siehe zum Beispiel das Retro der Woche 11/2013) wieder belebt, nachdem sie eine Weile nicht so häufig genutzt worden waren, und so lag es nahe, im von feenschach ausgeschriebenen Turnier zur Feier seines 75. Geburtstages magische Felder zu fordern.

Aus dem Preisbericht, der im Heft 194 (Juli-August 2012) erschienen ist, möchte ich hier den 2. Preis vorstellen.

Dirk Borst
63. feenschach Thematurnier 2012, 2. Preis
Stellung nach dem 23. Zug (16+13); magisches Feld e2

Die Fragen, die der Autor dazu stellt, sind:

  1. Wurde der schwarze Turm a8 geschlagen?
  2. Welche Rochaderechte haben Weiß und Schwarz noch?

Irgendwelche Abzähl-Versuche der schwarzen oder weißen Züge sind zwecklos — welchen Ansatz für eine Antwort auf die Fragen könnten wir finden? Doch, den wesentlichen Hinweis gibt die Zügezahl! Weiß hat eine ungerade Anzahl von Zügen gemacht — das aber geht in der Partieausgangsstellung doch gar nicht?! Doch: Das geht hier wegen des magischen Feldes! Das bedeutet also, dass der weiße E-Bauer gezogen haben muss, dass also ein ehemals schwarzer Bauer nun auf e2 steht. Und das ist dann offensichtlich der sB von g7; ein anderer kommt nicht in Frage. Wen aber hat er (neben dem weißen e-Bauern) geschlagen?
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