Retro der Woche 23/2023

Neben dem in der letzten Woche gezeigten ersten Preis des Andernach-2023-Kompositionsturniers gab es dort noch ein weiteres Retro, ausgezeichnet mit einer ehrenden Erwähnung. Meine Lösungsangabe orientiert sich stark an der im Andernach-Bulletin, stammt also wohl vom Autor und von Hans Gruber.

Dirk Borst
in memoriam Marco Bonavoglia Andernach 2023, Ehrende Erwähnung
Welche Schlagfälle stehen eindeutig fest? Monochromes Schach (6+9)

 

Ein paar Details können wir schon aus dem Diagramm wegen der „monochrom“ Bedingung ableiten: sSb1 und sTe1 sind Umwandlungssteine. Beide Seiten haben kurz rochiert. [Dd1] schlug [Sg8]. Weiß ist matt; die letzten Züge waren R 1.– Tc1xe1# 2.Kh2-g1 Lh4-g3+.

Beim monochromen Schach ist es häufig eine gute Lösungsidee, die weißen und schwarzen Schlagfälle auf den weißen und schwarzen Feldern zu eruieren. Das wollen wir hier auch machen; vor dem Klicken auf „weiter“ könnt ihr das ja schon einmal versuchen:

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RIFACE am Pfingstwochenende

Hinweis 27.5.23: Die Erläuterungen zur Ausschreibung sind ergänzt worden!

Wie sich die Problem/Märchenschachwelt am Himmelfahrts-Wochenende in Andernach trifft, so findet traditionell am Pfingstwochenende das französische Problemisten statt, dieses Jahr in Genneviliers nahe Paris.

Traditionell gibt es dort ein Retro-Kompositionsturnier, das auch Nicht-Teilnehmern offen steht. In diesem Jahr geht es um eine (zumindest mir) neue Märchenschach-Art. die Ausschreibung legt auch den Einsendeschluss fest: Pfingstsonntag, 28.5.23 um 15:00 Uhr deutscher/französischer (Sommer)Zeit (UTC+2).

Übrigens: Wer sich für die Hilfsmatt- und Märchenturniere interessiert, findet die Ausschreibungen ebenfalls im Netz.

Viel Spaß und Erfolg bei der Teilnahme!

Retro der Woche 14/2023

Ich finde es immer wieder faszinierend, wie kleine Änderungen der Diagrammstellung große Auswirkungen auf die Lösungen haben können. Bei Retroaufgaben ist dies recht schwierig, dies mit wirklich signifikante Änderungen im Spiel interessant darzustellen, da ja „eigentlich“ zwei sehr ähnliche Stellungen eine sehr ähnliche Historie haben müssen.

Heute möchte ich euch ein Stück zeigen, in dem „unterschiedliches Retrospiel“ aus meiner Sicht sehr überzeugend demonstriert wird.

Bernd Gräfrath
feenschach 2003 , 5. Lob
Geringste Zahl der Königszüge? b) Df1>g1 Schlagschach (14+14)

 

Beim Schlagschach verliert ein König bekanntlich seine königliche Eigenschaft, darf also geschlagen und auch erwandelt werden. Und wie der Name schon andeutet, müssen mögliche Schlagzüge durchgeführt werden; bei mehreren Möglichkeiten besteht „freie Auswahl“.

Natürlich fällt sofort der schwarze König im weißen Lager auf, und schnell ist klar, dass er entweder der Originalkönig sein muss oder durch Umwandlung des [Bc7] entstanden ist. Und nun ahnen wir vielleicht schon, was die Zwillingsbildung nun bewirkt? Und noch ein Hinweis für eure eigenen Lösungsansätze: Überlegt euch auch, wie der weiße Springer unter der Schlagzwang-Bedingung nach a8 gelangen konnte?

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Knightmate

Eine relativ neue und auch einfach zu verstehende Märchenbedingung ist „Knightmate“, die ich schon einmal als Retro der Woche 20/2021 im Blog vorgestellt hatte: Hier tauschen Springer und Könige vollständig ihre Funktionen. Das Schwalbe-Lexikon definiert wie folgt:

„In der Partieanfangsstellung werden die Könige durch königliche Springer und die Springer durch nichtkönigliche Könige (=Erlkönige) ersetzt. Könige dürfen geschlagen werden und durch Umwandlung entstehen, die Umwandlung in Springer ist nicht zulässig.“

Ziemlich orthodox ist die Aufgabe von Stephan Dietrich, die er mir freundlicherweise für „Zwischendurch“ zur Verfügung gestellt hat. Das sollte nicht so schwer zu lösen sein?!

Stephan Dietrich
Urdruck
Beweispartie in 10 Zügen, Knightmate (10+10)

 

Da sollte doch die Stellung direkt zur Beschäftigung damit einladen? Viel Spaß dabei — und in etwa einer Woche gibt es hier wie immer die Lösung!

Lösung

1.b4 h5 2.b5 h4 3.b6 h3 4.bxc7 hxg2 5.cxd8=L gxf1=L 6.Lxe7 Lxe2 7.Lxf8 Lxd1 8.Lxg7 Lxc2 9.Kxc2 Kxg7 10.Kd1 Kf8

Wie die Bauernstruktur schon beinahe verrät, haben wir es mit zwei Läufer-Umwandlungen zu tun; beide sterben a la Prentos. Soo märchenhaft war das doch gar nicht?!

WANTED by feenschach

WANTED  — dead or alive

Was ihr euch noch nie zu fragen trautet?!

Wolltest du nicht schon immer einmal Preisrichter in der Märchenschachzeitschrift feenschach sein, besaßest aber nicht den Mut, dich zu melden? Tue es JETZT!

Gesucht werden Preisrichter für folgende Abteilungen der Informalturniere von feenschach:

2022
– Selbstmatt (orthodox)
– Hilfsmatt bis 3 Züge (orthodox)
– Serienzüger
– Hilfsspiel (Märchenschach, außer Serienzüger)
– Hilfszwingspiel (Märchenschach, außer Serienzüger)

2023
– Hilfsmatt bis 3 Züge (orthodox)
– Retros (auch Beweispartien, auch Märchenschach)
– Serienzüger
– Direktes Spiel (Märchenschach, außer Serienzüger)
– Hilfsspiel (Märchenschach, außer Serienzüger)
– Hilfszwingspiel (Märchenschach, außer Serienzüger)

Geboten wird gute Bezahlung Betreuung, Zusendung der Hefte des Jahrgangs plus der Hefte mit den Lösungsbesprechungen dazu, Liste der zu beurteilenden Probleme, Ruhm.

Auf deine Zusage freut sich das gesamte feenschach-Team – schicke formlos eine E-Mail an Hans Gruber: hans.gruber(at)ur.de

Retro der Woche 08/2023

Ach wie gut, dass Schach, dass besonders Problemschach so seriös ist! Ach wie gut, dass auf dem Schachbrett keine vom Alkohol geförderten Feierexzesse, wie wir sie gerade in den Karnevalshochburgen nicht nur am Rhein erleben, denkbar sind!

Wirklich nicht? Spätestes 1987 hat auch das Problemschach seine alkoholische Unschuld verloren, als John Beasley entdeckte, dass auch Schachfiguren Alkoholprobleme haben könnten — Beasley nannte sie deswegen „fuddled men“ — beschwipste Steine: Sie sind dann nach einem eigenen Zug so angeschlagen, dass sie erst einmal einen Zug „Auszeit“ nehmen müssen — wahrscheinlich sich an einem Laternenpfahl festhaltend. In dieser Zeit können sie auch den gegnerischen König nicht bedrohen.

Irgendwann entdeckte Bernd Gräfrath, dass man die beschwipsten Steine überreden konnte, bei Beweispartien mitzuwirken — die Folge davon war ein Artikel hier im Blog, der mit der Ausschreibung des 5. Retroblog-Thematurniers verbunden war.

Und aus diesem Thematurnier, dessen Preisbericht am 10.4.2020, nicht einmal zwei Wochen nach dem Einsendeschluss, erschien, möchte ich am Karnevalssonntag das Preisproblem zitieren.

Michel Caillaud
5. Retroblog-Thematurnier 2020, Preis
Beweispartie in 23,5 Zügen, Fuddled men (15+15)

 

Der fehlende weiße Stein ist offenbar Bg2, er wurde auf c6 geschlagen. Offenbar nicht direkt, [Bg2] muss also umgewandelt haben, um sich selbst schlagen zu lassen oder das weiße Schlagopfer zu ersetzen.

„Klar, sieht man doch: 24.gxh8=T+!“ sagt uns das orthodoxe Auge, um beim zweiten Blick festzustellen, dass das illegal wäre — und das sogar aus mehreren Gründen: Bei Schwarz fehlt nur Lc8 — der aber kann nicht auf dem schwarzen Feld h8 geschlagen worden sein. Und selbst wenn: Wie käme denn [Bg2] bis nach g7 — an sBg6 vorbei? Dafür fehlen Schlagobjekte.

Also müssen wir irgendwie das Ausruhen am Laternenmast ausnutzen …

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Paul Bissicks

(20.2.23: Nachtrag des Geburtsdatums)
Wie ich erst gestern erfahren habe, ist Paul Bissicks (geboren am 25. Mai 1952) bereits im Januar verstorben; die Information über sein Geburtsdatum hat mir nachträglich Rainer Kuhn gegeben.

Er war ein engagierter Mitarbeiter des Problemist, der sich als Komponist auf „fuddled men“ (Ein Stein darf im nächsten Zug nicht noch einmal ziehen) sowie „growing“ bzw. „shrinking men“ (Der Zug eines Steins darf nicht kürzer bzw. nicht länger sein als sein eigener letzter).

Die kann zu ungewöhnlichem Spiel, zu ungewöhnlichen Mattbildern führen, aber auch zu interessanten Retros (eigentlich hat jede Aufgabe mit diesen Bedingungen Retro-Charakter).

Eine Beweispartie in Co-Produktion mit Bernd Gräfrath, der sich ebenfalls intensiv mit diesen Bedingungen beschäftigt, möchte ich euch präsentieren, die sicher nicht allzu schwer zu lösen ist:

Paul Bissicks & Bernd Gräfrath
The Problemist 2019
Beweispartie in 8 Zügen, shrinking men (15+15)

 

Wie immer findet ihr die Lösung in etwa einer Woche hier.

 

Lösung

1.g4 f5 2.gxf5 e6 3.f6 Ld6 4.f7 Dg5 5.f8=T+ Kd8! (Ke7?) 6.Tf7 Dg2 7.Tf6 Dxh1 8.Lg2 Ke8

Phoenix-Turm, Rückkehr des Königs.


Retro der Woche 01/2023

Nach zwei orthodoxen Retros aus dem FIDE-Album 2016 — 2018 möchte ich das neue Jahr mit einem weiteren Beispiel daraus „märchenhaft“ beginnen. Ihr ahnt sicher, dass auch in diesem Album die Anticirce-Verteidigungsrückzüger den Märchenteil dominieren; ich möchte aber heute ein anderes Stück vorführen, eine Beweispartie mit der Bedingung „Madrasi“. 1979 erfunden, wurde sie schon als populärer Nachfolger der Circe-Familie angesehen, doch in den letzten Jahren ist es erstaunlich ruhig um Madrasi geworden. Dabei ist die Regel eigentlich ganz einfach:

“Ein Stein, welcher von einem gegnerischen Stein gleicher Gangart beobachtet wird, ist gelähmt. Wird der beobachtende Stein geschlagen oder die Beobachtungslinie unterbrochen, ist die Lähmung aufgehoben. Ein paralysierter Stein kann also nicht Schach bieten. Zwei Regeln muss man zudem wissen:
– ein doppelschrittig ziehender Bauer ist e.p.-schlagbar,
– eine Rochade (= Königszug) mit einem gelähmten Turm ist möglich.”
(zitiert aus kunstschach in begriffen)

Michel Caillaud
Die Schwalbe 2018, 4. Preis
Beweispartie in 29,5 Zügen, Madrasi (16+11)

 

Schauen wir uns die Stellung zunächst „mit orthodoxer Brille“ an: Bei Schwarz fehlen die fünf Bauern [Bd7] bis [Bh7], bei Weiß sehen wir fünf Bauernschläge: [Bc2] bis [Bg2] stehen auf dem Brett jeweils ein Feld weiter östlich. Das schließt nicht aus, dass z.B. [Bf2] nicht geschlagen hat, dafür [Be2] zweimal, die eigentliche Bilanz ändert das nicht.

Bei Schwarz die sichtbaren Züge zu zählen (1+0+0+1+1+0=3 mit vorausgesetzter Rochade) ist nicht der Mühe wert; bei Weiß ist das schon spannender: 2+1+4+4+6+13=30 — alle weißen Züge werden gebraucht, und die Züge von König, Dame und den Bauern (theoretisch bis auf wBh6) sind determiniert.

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