Retro der Woche 09/2025

Bei den Einsendungen zum WCCI, der „Kompositions-Einzelweltmeisterschaft“ der Jahre 2022 bis 2024 überwiegen bei den Retros nicht wirklich überraschend die Beweispartien. Natürlich gibt es auch eine Menge Märchenretros zu beurteilen — nicht nur Anticirce-Procas! Und sehr erfreulich finde ich, dass auch gar nicht so wenige sehr schöne „klassische“ Auflöse-Retros dabei sind.

Eines davon, das der eine oder andere von euch sicherlich schon in der Schwalbe gesehen hat, möchte ich heute vorstellen und euch dabei zum Selbst-Lösen einladen, denn ich glaube, das ist genau dazu sehr gut geeignet.

Andrij Frolkin
Die Schwalbe 2022, Lob
Löse die Stellung auf (12+15)

 

Schauen wir zunächst nach der Schlagbilanz: Bei Schwarz fehlt genau der [Bh7]; Weiß hat axb geschlagen, also sicher nicht diesen fehlenden Bauer. Das muss sich also (auf g1 ) umgewandelt haben. Dann kommt sBc5 offensichtlich von e7, sodass nur noch ein Schlag durch Schwarz offen ist. Es fehlt bei Weiß noch [Bf2] – und der wurde auf der f-Linie geschlagen.

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Retro der Woche 06/2025

Vor einiger Zeit schon hatte ich mich bereit erklärt, als einer der fünf Richter der Retroabteilung des 12. WCCI (World Championship in Composing for Individuals) für die Jahre 2022 bis 2024 zu fungieren. Vor einigen Tagen erhielt ich die 126 (!) Aufgaben von 28 Teilnehmern, die ich nun in den kommenden Wochen „à la FIDE-Album“ bewerten muss.

Das Gute daran ist natürlich, dass ich dabei auch einige Aufgaben entdecke, die ich euch hier vorführen kann – und damit will ich gleich heute beginnen.

Vidmantas Satkus
Champagne-Turnier Batumi 2023, 2. Preis
Hilfsmatt in 2 Zügen, (11+15)

 

Wenn solch eine Aufgabe in einem Retro-Turnier auftaucht, ist es vielleicht ganz sinnvoll, anstatt sogleich mit Löseversuchen zu beginnen, die Stellung genauer zu betrachten. Beginnen wir also mit den Schlagfällen.

Schwarz fehlt nur ein Bauer, Weiß hat den fehlenden schwarzen Stein mittels axb geschlagen – das Schlagopfer kann kein Bauer gewesen sein. Also muss sich der fehlende Bauer umgewandelt haben.

Bei Weiß fehlt von jeder Steinart jeweils ein Vertreter, wir sehen aber nur zwei schwarze Doppelbauern im Diagramm. Nehmen wir einfach an, deren Schläge seien cxd und exf gewesen. Macht euch bitte am Ende unserer Überlegungen klar, dass die genauso bleiben, wenn gxf geschehen sein sollte. Also sind noch drei Schläge frei?

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Retro der Woche 03/2025

Die Aufgabe, die ich heute vorstelle, hatte ich für den 2. Februar eingeplant – zum 80. Geburtstag des Verfassers. Nun ist Henrik Juel am 3. Januar verstorben – und so wird aus der Feieraufgabe ein Erinnerungsstück.

Henrik Juel
Thema Danicum 1997, 2. Preis
Ergänze einen Stein! Letzter Zug? (8+9)

 

Kaum zu glauben, dass die beiden Fragen eindeutig bei diesem Kindergarten-Problem (neben den Königen sind nur Bauern auf dem Brett – ein Begriff, den Peter Kniest eingeführt hatte) beantwortet werden können.

Machen wir uns zunächst einmal Gedanken über die erforderlichen Schläge: Wir sehen sieben schwarze Schläge mit seinen Bauern: d7xe6, g7xf6, h7xg6xf5xe4xd3xc2. Zusätzlich Wurde Lc1 zu Hause geschlagen, somit sind alle fehlenden weißen Steine erklärt. Damit ist übrigens auch schon klar, dass wir nur einen schwarzen Stein einsetzen können!

Bei Weiß sehen wir direkt drei Bauernschläge, die wir auch ziemlich genau verorten können: hxg3, exd3 sowie cxd. Wie konnte denn der fehlende [Ba2] verschwinden? Er musste sich auf d8 umwandeln, um sich anschließend schlagen zu lassen. Damit haben wir das Ceriani-Frolkin-Thema schon jetzt erkannt.

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Retro der Woche 02/2025

Eine meiner Lieblings-Märchenbedingungen ist „monochromes Schach“: Weil einerseits die Bedingung quasi mit einem Satz erklärt werden kann („Es sind stets nur Züge erlaubt und legal, deren Ausgangs- und Zielfeld von gleicher Farbe sind; Rochaden gelten als Königs- und Turmzug.“), sie gleichzeitig aber unglaublich tiefsinnige Aufgaben erlaubt.

Gerade „monochrome Retros“ besitzen häufig in „einfacher“ Stellung unerwartete Tiefe, wie vor allem die Spezialisten Thierry Le Grleuher und René J. Millour schon vielfach gezeigt haben. Heute möchte ich ein solches Stück aus dem 2022er Retro-Preisbericht der Schwalbe vorstellen.

Thierry Le Gleuher
Die Schwalbe 2022, 2. ehrende Erwähnung
Wo wurde sTa8 geschlagen? Monochromes Schach (8+5)

 

Aus der Definition ergibt sich beispielsweise sofort, dass Springer nie ziehen können, dass eine lange Rochade niemals möglich ist, dass ein Bauer mindestens vier Schläge bis zur Umwandlung benötigt.

Auch für Türme können wir wichtige Aussagen treffen: Weiße Türme können nur auf ungerade, schwarze nur auf gerade Reihen ziehen, bei Umwandlungstürmen ist es genau anders herum. Wir können also im Diagramm für jeden Turm eindeutig entscheiden, ob er durch Umwandlung entstanden oder der Originalstein ist.

So fällt hier also sofort auf, dass wTg4 erwandelt wurde, was allein schon vier Bauernschläge auf weißen Feldern erfordert hat.

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Retro der Woche 01/2025

Nachdem wir uns in der letzten Woche mit dem ersten Preis der Abteilung B (Retraktoren und andere Typen) des Schwalbe-Retro-2022-Preisberichts beschäftigt hatten, möchte ich euch heute den ersten Preis der Abteilung A (Beweispartien) vorstellen. Und typisch für den Autor: Ein ziemlich kurzes, aber sehr inhaltsreiches Stück; das kann ich euch schon versprechen.

Reto Aschwanden
Die Schwalbe 2022, 1. Preis
Beweispartie in 18 Zügen (13+13)

 

Unsere übliche Zählung der sichtbaren Züge ist bei Weiß schon beendet, bevor sie begonnen hat (Homebase); Bei Schwarz sehen wir 3+2+2+3+2+6=18 Züge – alle sind erklärt!

Und damit können wir schon eine Menge von der Lösung erschließen: Auf alle Fälle sind die Züge der schwarzen zwei Läufer, der Dame und des Springers sowie aller schwarzen Bauern erklärt.

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Wiederholte Pronkins

Update 29.12.24: Kleiner Fehler in der Forderung der 2 korrigiert.

Wenn sich zwei Koryphäen wie Andriy Frolkin und Michel Caillaud zusammentun, um ein Thema zu erforschen, kann man hervorragende Ergebnisse erwarten. Und so auch hier:

Die beiden haben sich mit dem Pronkin-Thema beschäftigt: ein nicht allzu ungewöhnliches Thema — zumindest nicht in Beweispartien. Hier aber haben sie sich auf klassische Auflöse-Aufgaben konzentriert, und dabei auf die Darstellung des Themas so, dass der “Pronkin-Stein” sein Ursprungsfeld mehrfach betritt; dies ist auch in Beweispartien nicht allzu häufig zu sehen.

Auf dem Gebiet der klassischen Retroanalyse ist das Pronkin-Thema noch ziemlich wenig erforscht; irgendwann wurde beiden klar, dass das “intensivierte Pronkin-Thema” neue Horizonte öffnen könnte. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen stellen sie uns hier vor.

Andriy und Michel herzlichen Dank dafür — und euch allen viel Spaß beim lesen und studieren!

Retro der Woche 50/2024

Die erste Hälfte der 1990-er Jahre war vielleicht eine (bisher) letzte Hoch-Zeit der klassischen Retroanalyse, bevor sie zunächst von Beweispartien, später dann auch von Märchenretros zumindest quantitativ in den Schatten gestellt wurde. Dass das nicht unbedingt eine Aussage über die Qualität heutiger klassischer Retros ist, zeigt sich immer wieder. Kleine Anregung: Schaut euch noch einmal den letzten Retro-Preisbericht von StrateGems zum Jahr 2022 an.

Der Eindruck eines Höhepunkts um diese Zeit wird vom Blick ins FIDE-Album 1992-1994 gestützt: 23 von (nur) 38 Retros in diesem Album sind orthodox, es folgen 13 Beweispartien und zwei Märchenretros. Auch wenn man die Aussagekraft dieser Gewichtung in Zweifel ziehen kann (zwei der Richter, nämlich André Hazebrouck und Nikita Plaksin, sind dediziert „orthodox“; dritter Richter war Michel Caillaud, Direktor Wolfgang Dittmann), so zeigt das Album natürlich sehr gute klassische Retros; eines davon möchte ich euch heute zeigen.

Thomas Volet
Phénix 1994, 1. Preis
Was war der letzte Schlagzug? (13+11)

 

Bevor wir uns Gedanken um den letzten Schlagfall mach, schauen wir erst einmal, welche Aussagen wir zu Schlagfällen allgemein machen können. Da sehen wir schnell, dass die fehlenden weißen Steine (Dame und die Türme) durch e7xf6 sowie hxg und gx7 verschwanden. Drei Schläge weißer Bauern sind auch sichtbar: e2xf3, fxg und c3xd4.

Dann fällt einem anschließend sofort die Bauernkonstellation auf dem Damenflügel auf.

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Thierry Le Gleuher 65

Heute gehen unsere herzlichen Glückwünsche nach Montreal in Kanada, wo Thierry Le Gleuher sein 65. Lebensjahr vollendet. Thierry ist eine der profiliertesten Retro-Persönlichkeiten der Gegenwart: Ein großartiger, vielseitiger und sehr produktiver Komponist, Sieger des WCCI 2001-2003, damit Retro-Weltmeister, internationaler Kompositionsmeister seit 2010, der mit über 450 Retros in der PDB vertreten ist, seit vielen Jahren Retro-Sachbearbeiter bei Phénix, gesuchter Preisrichter (der FIDE seit 2014), seit 1998 “Indexer” der Retroabteilung im FIDE-Album …

Trotz der vielen Retros von ihm ist es mir schwer gefallen, für diesen Glückwunsch eine Aufgabe herauszusuchen, die in die “Zwischendurch”-Serie hier passen kann, denn die meisten seiner Aufgaben sind hoch komplex. Neben den orthodoxen “Eindeutige letzte Züge?” will ich besonders auf seine sehr tiefgründigen, schwierigen und gleichzeitig sehr logischen Monochrom-Stücke hinweisen.

Dann bin ich üb er dieses “Ohneschach” Stück gestolpert — und das sollte auch “zwischendurch” lösbar sein; die Lösung natürlich wieder in einer Woche hier. Beim “Ohneschach” sind Schachgebote nur zulässig, wenn sie gleichzeitig mattsetzen.

Thierry Le Gleuher
Messigny 2012, 9. Platz
Letzte 6 Einzelzüge? Ohneschach (14+13)

 

 

Übrigens ist der 28. November ein ganz besonderer Problemschach-Geburtstags-Tag: Hans Peter Rehm feiert heute seinen 82. Geburtstag, und wir denken auch an den 135. Geburtstag von Thomas R. Dawson.

Lösung

Die fehlenden weißen Steine wurden von Bauern auf dem Königsflügel geschlagen, und nach der erzwungenen Schlag-Rücknahme im ersten Zug können [Bb7] und [Bd7] nicht (schlagfrei) umgewandelt haben, sie wurden also auf ihren Linien geschlagen.
R: 1.a5xb6ep# b7-b5 2.e5xd6ep (Schwarz ist in Zugnot!) d7-d5 3.Sd6-e8 De8-f8
1.– b7-b6 und 2.– d7-d6 wären wegen der “Ohneschach”-Bedingung illegal.