Retro der Woche 03/2025

Die Aufgabe, die ich heute vorstelle, hatte ich für den 2. Februar eingeplant – zum 80. Geburtstag des Verfassers. Nun ist Henrik Juel am 3. Januar verstorben – und so wird aus der Feieraufgabe ein Erinnerungsstück.

Henrik Juel
Thema Danicum 1997, 2. Preis
Ergänze einen Stein! Letzter Zug? (8+9)

 

Kaum zu glauben, dass die beiden Fragen eindeutig bei diesem Kindergarten-Problem (neben den Königen sind nur Bauern auf dem Brett – ein Begriff, den Peter Kniest eingeführt hatte) beantwortet werden können.

Machen wir uns zunächst einmal Gedanken über die erforderlichen Schläge: Wir sehen sieben schwarze Schläge mit seinen Bauern: d7xe6, g7xf6, h7xg6xf5xe4xd3xc2. Zusätzlich Wurde Lc1 zu Hause geschlagen, somit sind alle fehlenden weißen Steine erklärt. Damit ist übrigens auch schon klar, dass wir nur einen schwarzen Stein einsetzen können!

Bei Weiß sehen wir direkt drei Bauernschläge, die wir auch ziemlich genau verorten können: hxg3, exd3 sowie cxd. Wie konnte denn der fehlende [Ba2] verschwinden? Er musste sich auf d8 umwandeln, um sich anschließend schlagen zu lassen. Damit haben wir das Ceriani-Frolkin-Thema schon jetzt erkannt.

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Retro der Woche 02/2025

Eine meiner Lieblings-Märchenbedingungen ist „monochromes Schach“: Weil einerseits die Bedingung quasi mit einem Satz erklärt werden kann („Es sind stets nur Züge erlaubt und legal, deren Ausgangs- und Zielfeld von gleicher Farbe sind; Rochaden gelten als Königs- und Turmzug.“), sie gleichzeitig aber unglaublich tiefsinnige Aufgaben erlaubt.

Gerade „monochrome Retros“ besitzen häufig in „einfacher“ Stellung unerwartete Tiefe, wie vor allem die Spezialisten Thierry Le Grleuher und René J. Millour schon vielfach gezeigt haben. Heute möchte ich ein solches Stück aus dem 2022er Retro-Preisbericht der Schwalbe vorstellen.

Thierry Le Gleuher
Die Schwalbe 2022, 2. ehrende Erwähnung
Wo wurde sTa8 geschlagen? Monochromes Schach (8+5)

 

Aus der Definition ergibt sich beispielsweise sofort, dass Springer nie ziehen können, dass eine lange Rochade niemals möglich ist, dass ein Bauer mindestens vier Schläge bis zur Umwandlung benötigt.

Auch für Türme können wir wichtige Aussagen treffen: Weiße Türme können nur auf ungerade, schwarze nur auf gerade Reihen ziehen, bei Umwandlungstürmen ist es genau anders herum. Wir können also im Diagramm für jeden Turm eindeutig entscheiden, ob er durch Umwandlung entstanden oder der Originalstein ist.

So fällt hier also sofort auf, dass wTg4 erwandelt wurde, was allein schon vier Bauernschläge auf weißen Feldern erfordert hat.

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Retro der Woche 01/2025

Nachdem wir uns in der letzten Woche mit dem ersten Preis der Abteilung B (Retraktoren und andere Typen) des Schwalbe-Retro-2022-Preisberichts beschäftigt hatten, möchte ich euch heute den ersten Preis der Abteilung A (Beweispartien) vorstellen. Und typisch für den Autor: Ein ziemlich kurzes, aber sehr inhaltsreiches Stück; das kann ich euch schon versprechen.

Reto Aschwanden
Die Schwalbe 2022, 1. Preis
Beweispartie in 18 Zügen (13+13)

 

Unsere übliche Zählung der sichtbaren Züge ist bei Weiß schon beendet, bevor sie begonnen hat (Homebase); Bei Schwarz sehen wir 3+2+2+3+2+6=18 Züge – alle sind erklärt!

Und damit können wir schon eine Menge von der Lösung erschließen: Auf alle Fälle sind die Züge der schwarzen zwei Läufer, der Dame und des Springers sowie aller schwarzen Bauern erklärt.

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Wiederholte Pronkins

Update 29.12.24: Kleiner Fehler in der Forderung der 2 korrigiert.

Wenn sich zwei Koryphäen wie Andriy Frolkin und Michel Caillaud zusammentun, um ein Thema zu erforschen, kann man hervorragende Ergebnisse erwarten. Und so auch hier:

Die beiden haben sich mit dem Pronkin-Thema beschäftigt: ein nicht allzu ungewöhnliches Thema — zumindest nicht in Beweispartien. Hier aber haben sie sich auf klassische Auflöse-Aufgaben konzentriert, und dabei auf die Darstellung des Themas so, dass der “Pronkin-Stein” sein Ursprungsfeld mehrfach betritt; dies ist auch in Beweispartien nicht allzu häufig zu sehen.

Auf dem Gebiet der klassischen Retroanalyse ist das Pronkin-Thema noch ziemlich wenig erforscht; irgendwann wurde beiden klar, dass das “intensivierte Pronkin-Thema” neue Horizonte öffnen könnte. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen stellen sie uns hier vor.

Andriy und Michel herzlichen Dank dafür — und euch allen viel Spaß beim lesen und studieren!

Retro der Woche 50/2024

Die erste Hälfte der 1990-er Jahre war vielleicht eine (bisher) letzte Hoch-Zeit der klassischen Retroanalyse, bevor sie zunächst von Beweispartien, später dann auch von Märchenretros zumindest quantitativ in den Schatten gestellt wurde. Dass das nicht unbedingt eine Aussage über die Qualität heutiger klassischer Retros ist, zeigt sich immer wieder. Kleine Anregung: Schaut euch noch einmal den letzten Retro-Preisbericht von StrateGems zum Jahr 2022 an.

Der Eindruck eines Höhepunkts um diese Zeit wird vom Blick ins FIDE-Album 1992-1994 gestützt: 23 von (nur) 38 Retros in diesem Album sind orthodox, es folgen 13 Beweispartien und zwei Märchenretros. Auch wenn man die Aussagekraft dieser Gewichtung in Zweifel ziehen kann (zwei der Richter, nämlich André Hazebrouck und Nikita Plaksin, sind dediziert „orthodox“; dritter Richter war Michel Caillaud, Direktor Wolfgang Dittmann), so zeigt das Album natürlich sehr gute klassische Retros; eines davon möchte ich euch heute zeigen.

Thomas Volet
Phénix 1994, 1. Preis
Was war der letzte Schlagzug? (13+11)

 

Bevor wir uns Gedanken um den letzten Schlagfall mach, schauen wir erst einmal, welche Aussagen wir zu Schlagfällen allgemein machen können. Da sehen wir schnell, dass die fehlenden weißen Steine (Dame und die Türme) durch e7xf6 sowie hxg und gx7 verschwanden. Drei Schläge weißer Bauern sind auch sichtbar: e2xf3, fxg und c3xd4.

Dann fällt einem anschließend sofort die Bauernkonstellation auf dem Damenflügel auf.

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Thierry Le Gleuher 65

Heute gehen unsere herzlichen Glückwünsche nach Montreal in Kanada, wo Thierry Le Gleuher sein 65. Lebensjahr vollendet. Thierry ist eine der profiliertesten Retro-Persönlichkeiten der Gegenwart: Ein großartiger, vielseitiger und sehr produktiver Komponist, Sieger des WCCI 2001-2003, damit Retro-Weltmeister, internationaler Kompositionsmeister seit 2010, der mit über 450 Retros in der PDB vertreten ist, seit vielen Jahren Retro-Sachbearbeiter bei Phénix, gesuchter Preisrichter (der FIDE seit 2014), seit 1998 “Indexer” der Retroabteilung im FIDE-Album …

Trotz der vielen Retros von ihm ist es mir schwer gefallen, für diesen Glückwunsch eine Aufgabe herauszusuchen, die in die “Zwischendurch”-Serie hier passen kann, denn die meisten seiner Aufgaben sind hoch komplex. Neben den orthodoxen “Eindeutige letzte Züge?” will ich besonders auf seine sehr tiefgründigen, schwierigen und gleichzeitig sehr logischen Monochrom-Stücke hinweisen.

Dann bin ich üb er dieses “Ohneschach” Stück gestolpert — und das sollte auch “zwischendurch” lösbar sein; die Lösung natürlich wieder in einer Woche hier. Beim “Ohneschach” sind Schachgebote nur zulässig, wenn sie gleichzeitig mattsetzen.

Thierry Le Gleuher
Messigny 2012, 9. Platz
Letzte 6 Einzelzüge? Ohneschach (14+13)

 

 

Übrigens ist der 28. November ein ganz besonderer Problemschach-Geburtstags-Tag: Hans Peter Rehm feiert heute seinen 82. Geburtstag, und wir denken auch an den 135. Geburtstag von Thomas R. Dawson.

Lösung

Die fehlenden weißen Steine wurden von Bauern auf dem Königsflügel geschlagen, und nach der erzwungenen Schlag-Rücknahme im ersten Zug können [Bb7] und [Bd7] nicht (schlagfrei) umgewandelt haben, sie wurden also auf ihren Linien geschlagen.
R: 1.a5xb6ep# b7-b5 2.e5xd6ep (Schwarz ist in Zugnot!) d7-d5 3.Sd6-e8 De8-f8
1.– b7-b6 und 2.– d7-d6 wären wegen der “Ohneschach”-Bedingung illegal.

Retro der Woche 47/2024

Im letzten Retro der Woche hatte ich eine Aufgabe aus diesem Jahr vorgestellt — heute möchte ich genau 100 Jahre zurückspringen.

Bereits in ihrem dritten Heft im Oktober 1924 veröffentlichte Die Schwalbe einen mehr als zweiseitigen Artikel „Einführung in das Retroschach“ von Hans Klüver (4.3.1901–26.2.1989), den vielleicht der eine oder andere, der sich schon länger mit Problemschach befasst, noch von seinen Besuchen beim Andernach-Treffen und seinen dortigen Vorträgen oder Märchenturnieren persönlich kennt.

Allein das ist sicher bemerkenswert, aber auch die Länge des Beitrags, bedenkt man, dass das Heft damals einen Umfang von acht Seiten hatte.

Klüver war mit seinen 23 Jahren schon kein Problem- oder Retro-Greenhorn mehr; er hatte bereits verschiedene und bemerkenswerte Artikel zur Problemtheorie veröffentlicht, etwa seine Beiträge zur „Schnittpunkt-Systematik“ und zu „Schnittpunktphänomene in der retrograden Analyse“, ein 20-seitiger, immer noch lesenswerter Beitrag im Kongressbuch des Schachkongresses von Teplitz-Schönau 1922.

In seinem Schwalbe-Beitrag stellte er neben einem eigenen Urdruck die folgende kurz zuvor erschienene Aufgabe des Rumänen Léon Loewenton (6.1.1889–23.9.1963) vor, die didaktisch wegen ihrer Zwillingsbildung sicherlich gut für solch einen Artikel gewählt war.

Léon Loewenton
Chess Amateur 1924
a) Der weiße K hat gezogen, b) Der weiße K hat nicht gezogen. In welchem Falle kann Weiß in 2 Zügen matt setzen? (13+14)

 

In seinem Artikel geht Klüver speziell auf die Retro-spezifischen Rückzugsweisen: den Entschlag, die Entwandlung, den Entwechsel (so nannte er die Rücknahme der Rochade) und den Entkreuzschlag (Rücknahme eines Schlagens im Vorübergehen) ein.

Den folgenden Teil, in dem er die Lösung des Loewenton-Stücks vorbereitet, möchte ich wörtlich zitieren, ebenso wie seine Darstellung der Lösung, die ich aber wie üblich zunächst „verstecke“:

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Retro der Woche 45/2024

Nicht nur die Beweispartien, wie wir das beispielsweise im letzten Retro der Woche gesehen hatten, waren in der US-amerikanischen Zeitschrift StrateGems bis zu deren Ende 2022 von exquisiter Qualität, sondern auch die klassischen Retros zeigten hohes Niveau und große thematische Bandbreite.

Das zeigte sich auch im letzten Informalturnier, von dem ich bereits den ersten Preis, ein unglaublicher Illegal-Cluster-Task und den zweiten Preis, ein klassisches Auflöse-Retro, vorgestellt hatte. Das auf Platz drei gelandete Problem ist ein höchst originelles Rebus-Problem, bei dem also aus den angegebenen Buchstaben erst einmal die Stellung rekonstruiert werden muss, bevor die Zusatzfrage beantwortet werden kann. Und, so viel kann ich schon verraten, die Zwillingsfassung hat es in sich!

Nina Omeltschuk, Andrej Frolkin & Jeff Coakley
StrateGems 2022 ‚Reflect‘– 3. Preis
Forderung siehe Text

 

Hier zunächst die Forderung: „Unterschiedliche Buchstaben bedeuten unterschiedliche Steinarten, Groß- und Kleinschreibung bedeuten verschiedene Farben. Bestimme die Stellung und den letzten Zug. – b) horizontal gespiegelt.“

Wie kann man solche Aufgaben lösen? Versuchen wir also, aus den Buchstaben Rückschlüsse auf die Steine zu ziehen. Vielleicht wird zwischendurch schon die Farbverteilung klar, vielleicht auch erst zum Schluss.

Hier ist die Klärung, was Könige und was Bauern sind, recht einfach. Die Bauern sind Cc – nicht etwa, weil gleich sieben Mal „C“ vorkommt, mit solchen “plausiblen” Überlegungen wäret ihr schon bei einigen Rebus-Aufgaben gescheitert! Nein, aber alle anderen Steine stehen mit mindestens einem Exemplar auf der ersten bzw. achten Reihe. Und auch die Könige können wir leicht als Rr identifizieren: Sie sind die einzigen Steine, die je Farbe exakt einmal vorhanden sind.

Nun wird es etwas schwieriger.

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