Retro der Woche 10/2020

Sergej Leonidowitsch Wolobujew aus dem russischen Tscheljabinsk (*18. November 1958) veröffentlichte schon als junger Twen seine ersten Retros. Bereits mit dem frühesten mir von ihm bekannten Problem (siehe P0008288) gewann er einen ersten Preis in der renommierten Zeitschrift Schachmaty w SSSR. Leider komponiert er schon seit reichlich 20 Jahren nicht mehr.

Sergej Wolobujew
Sportiwnaja Gazeta 1985, 1.-2. Preis
#1 (11+14)

 

(Heute entwickele ich die Lösung direkt im Text; wer also selbst lösen möchte, sollte gleich nicht sofort auf „Weiterlesen“ klicken.)

Hier geht es natürlich nicht primär darum, die möglichen Matts Se2# durch Weiß bzw. La7# durch Schwarz zu finden, sondern herauszufinden, wer denn am Zug sei, um die Stellung auflösen zu können?

Zunächst aber schauen wir uns die Schlagbilanz an: Offensichtlich ist der sBc2 der [Bg7] mit vier Schlagfällen, den fünften ganz es durch b7xXc6. Damit sind alle fehlenden weißen Steine erklärt, d.h. die Bauern schlugen auch [Ba2] und [Bh2], aber nicht direkt; beide mussten sich also umwandeln. Da [Ba7] und [Bh7] keinen Schlag mehr zur Verfügung haben, müssen also sowohl [Ba2] als auch [Bh2] jeweils einen „Schlag nach innen“ durchführen; damit sind auch die fehlenden schwarzen Steine erklärt.

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Retro der Woche 08/2020

Der Ukrainer Alexander Kisljak (27.12.1938—5.5.2010) ist besonders bekannt als Komponist hervorragender klassischer Retroaufgaben; einige davon habe ich hier schon vorgestellt, ihr findet sie leicht über die Suchfunktion hier im Blog. Er hat aber auch, sicherlich weniger bekannt, 1993 ein zweisprachiges Büchlein (Поверженный Монарх — The monarch overturned; zu Deutsch: Besiegter Monarch) mit 64 eigenen Beweispartien veröffentlicht, in denen der schwarze König auf jedem der 64 Felder mattgesetzt wird.

Die Forderungen seiner klassischen Aufgaben hat er häufig mit konkreten, direkten Fragen nach dem wesentlichen Inhalt formuliert, so auch bei dem Stück, das ich für heute herausgesucht habe.

Alexander Kisljak
Schachmatnaja Komposizia 1992, 1. Preis (A. Kusnezow gewidmet)
1. Zug der vier Randbauern? (13+10)

 

Richten wir also unser Augenmerk auf [Ba2], [Ba7], [Bh2] und [Bh7]. Zu ihrem Schicksal können wir jetzt natürlich noch gar nichts sagen, das wird sich erst im Laufe der Retroanalyse herauskristallisieren.

Auffällig ist der weiße „Volet-Bauer“ auf h7, der sich, von c2 kommend, komplett durchgefressen hat; zusammen mit dem weißen Doppelbauen auf der g-Linie sind damit alle weißen Schläge erklärt.

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Retro der Woche 04/2020

Heute feiert der Bulgare Nikolai Beluchow einen runden Geburtstag. Ende des Jahres 2009 tauchte er plötzlich mit ausgefeilten Urdrucken in Phénix, Probleemblad und der Schwalbe auf –und im Laufe des Jahres 2012 verschwand er schon wieder von der aktiven Komponistenbühne. Dies hatte, wie er mir damals schrieb, mit seinem Mathematikstudium und Beruf zu tun -– als er seine ersten Urdrucke verschickte, war er gerade 19 Jahre alt; heute feiert er seinen 30. Geburtstag – ganz herzlichen Glückwunsch dazu!

Und wenn ich mir etwas zu seinem Geburtstag wünschen darf, dann ist es, dass er Zeit und Muße findet, sich bald wieder ans Konstruktionsbrett zu setzen!

Mit der Aufgabe, die für heute herausgesucht habe, belegte er den zweiten Platz im 1. FIDE World Cup 2010 — ein bemerkenswertes Resultat für einen frischgebackenen Twen! Welch Riesentalent Nikolai ist, zeigt sich allein schon daran, dass er mit 15 Retros im FIDE-Album 2010-2012 vertreten ist, dafür wurde er 2014 zum FIDE-Meister für Schachkompositionen ernannt.

Nikolai Beluchow
FIDE World Cup 2000, 2. Preis
Letzte 30 Einzelzüge? (11+14)

 

Im Diagramm sieht man direkt zwei Schlagfälle schwarzer Bauern auf die f-Linie. Damit die schwarzen und weißen Bauern auf dem Damenflügel aneinander vorbeikommen, sind vier weitere Schläge erforderlich. Die können nicht alle von Schwarz ausgeführt sein, da bei Weiß nur fünf Steine fehlen. Also ist die Aufteilung dort „2:2“, und es bleibt noch ein schwarzer Schlagfall offen.

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Retro der Woche 01/2020

Zum Jahresanfang passt gut eine Aufgabe, die vor 90 Jahren in der Schwalbe veröffentlicht wurde und das Motto „Prost Neujahr!“ trug –- auch wenn die Aufgabe erst im Maiheft 1930 erschien…

Wir hatten uns vor drei Wochen schon eine Aufgabe von Julio Sunyer angesehen, und auch heute werden wir uns wieder mit einem klassischen Retro beschäftigen.

Julio Sunyer
Die Schwalbe 1930 – Prost Neujahr!
Schwarz zieht und macht remis (14+11)

 

Eine tolle Remis-Kombination des Schwarzen erscheint bei der materiellen Übermacht des Weißen kaum möglich, und wir sind hier ja auch nicht in einem Studien-, sondern einem Retro-Blog 😊

Also fällt uns vielleicht schnell die 50-Züge-Regel ein?! Im Problemschach ist eine Stellung, in der in den letzten 50 Zügen kein Bauernzug und kein Schlag vorkam, automatisch remis. Wenn wir also zeigen können, dass der letzte Schlag oder Bauernzug durch Schwarz vor 50 Zügen erfolgte, so müssen wir nur noch einen nichtschlagenden Nichtbauernzug suchen und den spielen – remis! Das kann nur Kd1-e1 sein.

Damit haben wir schon den eigentlichen Lösungszug gefunden, aber der ist natürlich uninteressant; spannend ist, die Stellung vor 50 Zügen zu finden und zu zeigen, dass sie sich dann legal auflösen, also auf die Partieanfangsstellung zurückführen lassen kann.

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Retro der Woche 50/2019

Der Spanier Julio Sunyer (11. April 1888 – 27. November 1957) ist zwar nicht durch zahlenmäßig viele, aber durch hervorragende Retros bekannt geworden; seit den 1920er Jahren hat er großartige Retros veröffentlicht: hoch komplexe, aber auch sehr elegante. Wer kennt nicht seine Aufgabe aus The Chess Amateur 1923, wKh5, sKe8, -1(w+s), dann h#1? Nee, die Lösung schreibe ich nicht hin…

Julio Sunyer
Fairy Chess Review 1937
Matt in 2 Zügen (12+10)

 

Wie zur damaligen Zeit noch immer recht üblich versteckt sich die eigentliche Retro-Fragestellung hinter einer scheinbar rein orthodoxen Fragestellung, hier nach dem Matt in zwei Zügen. Aber allein schon die Quelle verrät ja, dass dem offensichtlich nicht so ist…

Nach dem ziemlich nahe liegenden 1.Dxa4 kann sich Schwarz mit 0-0 verteidigen – so denn die Rochade zulässig ist?! Und das ist natürlich die eigentliche Fragestellung dieser Aufgabe.

Gehen wir das Stück also wie bei Retros üblich mit einer Analyse der Schlagfälle an:

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Retro der Woche 48/2019

Nicht sofort auf den ersten Blick sieht man, dass wir uns heute wieder mit einer Aufgabe beschäftigen, in der Umwandlungen eine große Rolle spielen – ohne allerdings hier dominante Bedeutung zu haben: Tempospiel (besser gesagt: Unmöglicher Tempogewinn oder Tempoverlust) ist hier der Haupt-Inhalt.

André Hazebrouck
Schachmati w SSSR 1978, 1. Preis
#1 (wer?) (12+11)

 

Wir sehen sofort vier Bauernschläge des Weißen (e2xd3xc4xb5 sowie f2xe3); bei Schwarz kommen wir mit zwei Bauernschlägen aus: a7xb6xc5, da ein Schlag nach c4 nicht möglich ist: Wie sollten sonst sBc4 und wBb5 aneinander vorbeigekommen sein?

Das müssen wir uns noch genauer anschauen, denn „irgendwie“ müssen ja auch die fehlenden fünf Bauern, die allesamt vom Königsflügel stammen, verschwunden sein…

Aber zuvor wollen wir uns anschauen, wie der gewaltige Knoten im Westen überhaupt aufgelöst werden kann?!

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Ergänze

Habt ihr genug Schachspiele zur Verfügung? Heute braucht ihr neun weiße Damen!

Alain Brobecker & Computer
Add Units 2011
Ergänze zwei Steine (9+0)

 

Mehr muss zu der Aufgabe gar nicht gesagt werden. Viel Spaß beim Knobeln wünsche ich euch und, wenn der heutige Tag auch bei euch Feiertag ist: Genießt das lange Herbstwochenende — nicht nur am Schachbrett!

Wie immer gibt es die Lösung hier in einer Woche.

Lösung

Es müssen natürlich die beiden Könige eingesetzt werden.
Alle Felder sind mindestens zweimal von Damen kontrolliert, und Doppelschach durch R g7xXh8=D+ funktioniert nicht, denn der sK kann weder auf g8 (wegen De6) noch auf h7 stehen.
Also muss sK auf ein nur zweimal kontrolliertes Feld gestellt werden, der weiße König muss dann eines der beiden Schachs aufheben können. Es gibt sieben nur zweimal gedeckte Felder: a5,d1,f3,f4,f7,f8 sowie h2. Nur f4 lässt dem weißen König genug Platz, eine der Deckungen aufzuheben, also ist die Lösung +sKf4, +wKd2.

Retro der Woche 44/2019

Heute möchte ich euch eine klassische Retroaufgabe mit einem hierfür recht ungewöhnlichen Thema zeigen; ein paar weitergehende Überlegungen dazu erfolgen am Ende dieses Artikels.

Michel Caillaud
J. Iglesias gewidmet, Retour á l’envoyeur, France-Echecs 2005
Letzte 21 Einzelzüge? #1 (wer?) (12+13)

 

Wenn wir die Stellung mit dem Retroknoten im Norden und Nordosten anschauen, erkennen wir relativ schnell, dass er nur mittels h2xXg3 gelöst werden kann. So stellt sich sofort die Frage, warum dies nicht sofort zulässig sein sollte? Denn wenn das sofort ginge, dann wäre sicherlich für die kommenden 20 Einzelzüge keine Eindeutigkeit mehr zu erwarten, die Aufgabe wäre defekt.

Vielleicht helfen uns auch Überlegungen zur Beweglichkeit der Steine und zu den sichtbaren Schlagfällen weiter?

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