Retro der Woche 42/2018

James Grenfell Mauldon (9.2.1920 – 21.5.2002) zählt nicht zu den berühmtesten und auch nicht zu den produktivsten Retro-Autoren des letzten Jahrhunderts: Die PDB umfasst von ihm 18 Aufgaben, davon genau ein Dutzend Retros. Das heißt aber nicht, dass er nicht interessante Aufgaben gebaut hat; eine davon, nicht allzu schwer, wollen wir uns heute anschauen.

James Grenfell Mauldon
The Problemist 1980
Löse auf! (13+10)

 

Keiner der beiden Könige steht im Schach, sodass wir auch noch herausfinden müssen, wer mit der Rücknahme beginnt?! Hier können wir aber leicht vermuten, dass Weiß mit der Rücknahme beginnt – das müssen wir hinterher natürlich noch belegen.

Warum diese Vermutung? Weiß hat bewegliche Offiziere (Tb1, Le2), die freie Züge haben. Schwarz allerdings kann zunächst nur Bauernzüge zurücknehmen; ihm drohen daher die Züge auszugehen – und das passiert natürlich noch schneller, wenn er nun mit den Rücknahmen beginnt.

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Retro der Woche 40/2018

Gestern ist auf der Mitgliederversammlung der Schwalbe Geburtstag gefeiert worden: Die PDB ist am 29. September 2000 online gegangen, sie wurde also gestern volljährig! Entwickelt hatten sie Gerd Wilts und Hans-Peter Reich gemeinsam und mit zahlreichen Helfern initial befüllt.

Vom ersten Tag an hat sich Gerd Wilts um die Pflege und Weiterentwicklung der PDB gekümmert, hat vor allen Dingen bis vor wenigen Monaten die PDB Hardware für die Schwalbe kostenfrei betrieben. Das geht nun nicht mehr, aber er kümmert sich weiterhin um Verwaltung, Pflege und Weiterentwicklung.

Zum Dank und in Anerkennung der immensen Verdienste von Gerd Wilts um die Schwalbe und die PDB, die ja seit 2011 unter der Flagge der Schwalbe segelt, hat ihm die Vereinigung gestern die goldene Ehrennadel der Schwalbe verliehen. Dazu auch von meiner Seite, im Namen aller Retrofreunde, ein ganz herzlicher Glückwunsch!

Natürlich stelle ich zur Feier des Tages heute eine Aufgabe von Gerd vor – übrigens eine meiner Lieblingsaufgaben!

Gerd Wilts
Europe Echecs 1991,1. Preis, Andrej Frolkin gewidmet
Welches war der erste Zug des Th8? (14+12)

 

Eine zunächst völlig absurd erscheinende Frage, die der Autor da stellt: Das Nordost-Viertel des Bretts ist bis auf en Springer auf dem Themafeld vollkommen frei!

Direkt im Diagramm sichtbar sind nur zwei weiße Schläge: axb und b2xc3. Irgendwie muss auch sBh2 an der weißen Bauernphalanx vorbeigekommen sein, aber das ist noch nicht klar, wie das passiert sein kann.

Könnte vielleicht [Ba2] dreimal geschlagen haben, was dann alle fehlenden schwarzen Steine erklären würde?

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Retro der Woche 32/2018 — GL70

Am heutigen Sonntag feiert Günter Lauinger seinen 70. Geburtstag, und im Namen aller Leser hier gehen dazu ganz herzliche Glückwünsche nach Ravensburg. Lieber Günter, ich wünsche dir von Herzen alles Gute, vor allen Dingen natürlich Gesundheit, für dein neues Lebensjahr(zehnt)!

Günter ist Rekordhalter der Schwalbe: Weit über 30 Jahre, von Heft II/1977 bis zu Heft IV/2008, war er dort Retro-Sachbearbeiter und hat unglaublich viel zur Popularisierung unserer Lieblings-Problemgattung beigetragen: Durch seine großartig geführte Rubrik mit ausführlichen, sehr lehrreichen Lösungsbesprechungen, die auch Retro-Neulingen zugänglich waren, durch seine vielen Artikel, durch seine hervorragenden Preisberichte. Als ein weit über das Problemschach hinaus interessierter Mensch beschäftigt er sich beispielsweise intensiv mit Astronomie, wozu er auch Fachvorträge hält und auf diesem Gebiet Menschen begeistert.

Über diese vielen Aufgaben – und einen sehr zeitaufwändigen Beruf übte er ja auch noch aus – ist er leider nicht so viel zum Komponieren gekommen. Eine seiner (Gemeinschafts-)Aufgaben möchte ich hier vorstellen.

Günter Lauinger, Wolfgang Dittmann & Bernd Schwarzkopf
Die Schwalbe 1981
Welches war der drittletzte Einzelzug? (15+1)

 

Schauen wir uns zunächst die Schlagbilanz der Bauern an: Da sehen wir insgesamt 14 Schläge, nämlich z.B. [Bb2]-e5 (3), [Bc2]-g6 (4), [Bd2]-h7 (4) und jeweils ein Schlag durch f3, g3 und h4. Darüber hinaus ist einer der schwarzfeldrigen weißen Läufer durch Umwandlung des [Ba2] entstanden. Die Umwandlung muss wegen der Feldfarbe auf b8 erfolgt sein, was einen Schlag erforderte. Damit sind alle fehlenden schwarzen Steine durch Bauernschläge erklärt.

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Retro der Woche 29/2018

Der Ukrainer Alexander Kisljak (27.12.1938-5.5.2010) war ein bedeutender Komponist besonders von klassischen Auflöse-Retros, der auch häufig mit dem Russen Nikita Plaksin (*9.7.1931) zusammengearbeitet hat; dabei sind teils höchst komplexe Stücke entstanden. Heute habe ich allerdings eine Aufgabe herausgesucht, die nicht so komplex und auch nicht allzu schwer zu lösen ist.

Alexander Kisljak
Schach 1990
Welches waren die letzten 8 Züge? (14+15)

 

Schauen wir uns wie üblich die sichtbaren Schlagfälle an: Weiß schlug fxDg – nur eine Dame fehlt bei Schwarz. Bei Weiß fehlen die beiden Springer. Die sind offensichtlich durch dxe und gxh verschwunden. Andere Entschläge sind also nicht möglich, und auch um Umwandlungssteine müssen wir uns keine Gedanken machen.

Nun empfehle ich euch, erst einmal nicht weiter zu lesen, sondern euch selbst mit der Stellung zu beschäftigen, vielleicht selbst die letzten 16 Einzelzüge zu finden.

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Retro der Woche 27/2018

96 Jahre gehen wir heute zurück mit unserem Retro der Woche! Thomas Rayner Dawson (28.11.1889 – 16.12.1951) war nicht nur der bedeutendste Märchenschach-Pionier, sondern auch einer der ganz großen frühen Retrospezialisten, einer der Mitverfasser des bedeutenden, bereits 1915 erschienenen Buches „Retrograde Analysis“. Dazu hatte ich im Jahr 2015 einen Artikel in der Schwalbe veröffentlicht.

Thomas R. Dawson
Cas 1922
Ergänze einen Stein, dann #2 (10+10)

 

Schnell sieht man, dass Weiß auch ohne Ergänzung irgendeines Steins bequem in zwei Zügen matt setzen kann: 1.Se8 und 2.Sc7# ist so schwer nicht zu finden.

Wofür brauchen wir dann noch Holz auf dem Brett? Das brauchen wir also nicht für das Matt, sondern weil der Stein laut Forderung auf dem Brett fehlt – dann wollen wir doch schauen, ob wir mit Retroanalyse dem auf die Schliche kommen können? Die Aufgabe ist nicht allzu schwer zu lösen; wer es selbst versuchen möchte, sollte mit dem Weiterlesen noch warten!

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Juni-2018-Schwalbe

Schon vor einigen Tagen kam das neue Schwalbe-Heft, das neben den insgesamt zehn Retro-Urdrucken auch weiteren spannenden Lesestoff enthält. Wer sich für die Geschichte der PDB interessiert, wird hier fündig (und ist dann vielleicht auch bereit, die Schwalbe beim weiterhin kostenfreien Betrieb dieser so bedeutsamen und wichtigen Informationsquelle zu unterstützen!), und Bruno Stucker stellt ein interessantes Konstruktionsthema vor. Andere Artikel nenne ich nur stichwortartig: Babson, Problemgeschichte, Selbstmatt.

Für uns Retrofreunde wird natürlich alles in den Schatten gestellt von dem Beitrag Thierry Le Gleuhers Jenseits der 100 letzten Einzelzüge mit fantastischen neuen Längenrekorden für die Typen A, B und C. Nach seinen Beiträgen in Phénix und StrateGems hatte ich schon erwartet, dass er seine Rekorde wie weiland der ukrainische Stabhochspringer Sergej Bubka in Zentimeterschritten — pardon: Halbzügen — verbessern wolle. Aber dann hat er in diesem Beitrag die alten Rekorde sofort deutlich überboten: Genuss pur! Auf der Schwalbe-Website findet ihr diesen Artikel übrigens auf deutsch und englisch!

Retro der Woche 22/2018

Nachdem ich in der letzten Woche hier den Silbermedaillengewinner des 6. FIDE World Cup vorgestellt hatte, ist heute die Aufgabe an der Reihe, die Gold gewonnen hat: Ich kann versprechen, dass dies ein echter Leckerbissen ist!

Mit den Erläuterungen kann ich es mir dieses Mal recht einfach machen: Die des Preisrichters Hans Gruber sind sehr gut, sodass ich mich an ihnen orientieren werde – aber natürlich auf Deutsch.

Andrej Frolkin
6. FIDE-Turnier, 1. Preis
Löse auf (14+14)

 

Schwarz hat offensichtlich zweimal geschlagen: exf6 und hxg, bei Weiß sieht man einen Schlagfall: exf3, außerdem ist wLh8 durch Umwandlung des [Bh2] schlagfrei entstanden. Sowohl bei Weiß als auch bei Schwarz fehlt der schwarzfeldrige Läufer und der b-Bauer; die Bauern konnten nicht direkt geschlagen werden, ebenso [Lf8] nicht auf f3 wegen der Felderfarbe. Also müssen beide b-Bauern umgewandelt haben, um aneinander vorbei zu kommen, musste dabei wBbxa erfolgen – und zwar schlug er [Lf8]. Damit sind alle Schlagfälle erklärt, und der letzte Zug war demnach (schlagfrei) 1.Df1-h1+.

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Retro der Woche 20/2018

Nachdem ich vor einigen Tagen auf das Wolobujew-60-Turnier hingewiesen habe, möchte ich heute mal wieder eine Aufgabe dieses Autors zeigen. Und das auch, weil heute zum „Andernach-Wochenende“ gehört, und vor sieben Jahren habe ich in Andernach diese Aufgabe in einem kleinen Vortrag vorgestellt. Wer mag, kann den erweiterten Vortrag in feenschach 187 (Juli 2011), Seite 109-113 nachlesen.

Sergej Wolobujew
Redkije schanry pljus 1994, 1.-2. Preis
Löse die Stellung auf! (9+14)

 

Das Stück findet sich auch im FIDE-Album und hat dort 11,5 Punkte erhalten; wir können uns also auf eine Delikatesse freuen!

Eine Besonderheit dieser Aufgabe fällt bereits auf, wenn wir uns die Diagrammstellung unter dem Gesichtspunkt der Schlagfälle anschauen: Da stellen wir nämlich fest, dass Weiß entweder axba6 geschlagen hat oder dxc(e)xd. Bei Schwarz sind direkt fünf Schläge im Diagramm sichtbar: LxXf7+ (damit wissen wir auch, dass Schwarz mit der Rücknahme beginnen muss, ob er will oder nicht) sowie bxc, cxd, exf und gxh. Hinzu kommt die Notwendigkeit, wBa7 oder wBd6 durchgelassen zu haben, also entweder axbxa oder dxc(e)xd. Und damit sind auch alle Schlagzüge durch Schwarz verbraucht.

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