Retro der Woche 20/2014

Heute gibt es einmal ein ganz anderes „Retro der Woche“ – heute einmal eine Original-Veröffentlichung.

Mit Michael Barth war ich in Diskussion gekommen über ein paar Themen, die er auch schon mit Silvio Baier diskutiert hatte, und ich hatte dann vorgeschlagen, das heutige Stück hier zu bringen.

Damit verfolge ich gleich vier Ziele: Erstens hoffe ich, dass einige Leser sich nun auch als Löser versuchen: Allzu lang ist das Stück nicht, allzu schwer sicherlich erst recht nicht.

Daher mache ich auch gar keine Angaben zum Stück:

 

Michael Barth
Original
Beweispartie in 8,5 Zügen (11+15)

 

Der zweite Grund ist, dass ich euch bitten möchte, Michael und mich auf mögliche Vorgänger aufmerksam zu machen – und der dritte und vierte sind klitzekleine theoretische Diskussionen.

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Retro der Woche 16/2014

Heute möchte ich mit euch zusammen einen Blick zurück in das Jahr 1989, also vor 25 Jahren werfen, eine klassische Auflöse-Aufgabe vorstellen, die mir immer noch sehr gut gefällt, auch wenn sie keine extrem spektakulären Themen enthält, auch wenn die Auflösung nicht in jedem Zug eindeutig vonstatten geht.

 

Alexander Kisljak (B. Klementjew gewidmet)
feenschach 1989, 2.-3. ehr. Erw.
Löse die Stellung auf (14+11)

 

Beginnen wir wie üblich mit der Schlagbilanz: Bei Weiß fehlen zwei Steine; einer wurde auf f6 geschlagen, und dann kann das Schachgebot im Diagramm nur durch einen Schlagfall, also TxXh2+ erklärt werden. Bei Weiß sieht man zunächst nur den Schlagfall dxe3. Da aber der [wBa2] fehlt, muss der sich umgewandelt haben. Das kann nicht auf a8 erfolgen, da er nicht am [sBa7] vorbeikommen konnte, also auf b8 umgewandelt hat. Der sBh4 kann nicht geschlagen haben, kommt also von h7 – und das bedeutet, dass zwei weiße Bauernschläge auf dem Königsflügel, genauer gesagt auf g und h, erfolgen mussten. Dabei konnte niemals der [sBc7] geschlagen werden, der sich auch nicht schlagfrei umwandeln konnte, also auf der c-Linie geschlagen wurde.

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Retro der Woche 14/2014

Zunächst war die Idee aus der Not geboren, nämlich möglichst rasch und trotzdem mit hoher Qualität eine Menge ausstehender feenschach-Preisberichte mit Ersatzrichtern zu erledigen: Dadurch wurde das Richter-Dreamteam Gruber-Ring-Brand geboren.

Wir haben gemerkt, dass das gemeinsame Richten nicht nur effektiv war, sondern gleichzeitig unheimlich viel Spaß machte – und drüber hinaus auch sehr interessante Einblicke in die „Denke“ anderer Richter gab.

Und so haben wir anschließend nicht nur aus der Not heraus, sondern geplant mehrere Turniere (nicht nur für Retros, sondern auch für Hilfsmatt und Märchenschach) gemeinsam gerichtet; dabei haben wir stets die Aufgaben einzeln „bepunktet“ (ähnlich wie beim FIDE-Album) – meist war die Übereinstimmung verblüffend groß. Spannend waren dann eigentlich „nur“ noch die Diskussionen über die Aufgaben, wo die Abweichungen größer waren. Aber immer sind wir zu einer einvernehmlichen Reihung gekommen.

So auch beim feenschach Retro-Informalturnier 2012, aus dem ich heute eine Aufgabe vorstellen möchte, die meiner Meinung nach ideal zum Selbstlösen auch für noch nicht so erfahrene Retrolöser ist: Gerade die geforderte Eindeutigkeit der letzten Züge sollte es noch ein wenig einfacher machen.

 

Gerald Ettl
feenschach 2012 (A. Kornilow in memoriam), 4. Lob
Letzte 24 Einzelzüge? (15+12)

 

Wenn ihr lösen wollt, solltet ihr euch folgende Fragen stellen: Welche Steine fehlen? Wo wurden sie geschlagen? Gab es Umwandlungen, wenn ja: wo? Wie kann der Retroknoten aufgelöst werden? Was ist Voraussetzung dafür?

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Schwalbe und feenschach

Heute, am 25. März, hatte ich schon das April-Heft der Schwalbe im Briefkasten — und nicht nur das: Auch zwei feenschach-Hefte (f-204 und f-205) waren dabei!

Alle drei Hefte bieten großartigen Lese- und Lösestoff für uns Retrofreunde; nur ein paar Artikel möchte ich besonders erwähnen:

In der Schwalbe ein Einführungsartikel zu Anticirce-Procas von Andreas Thoma sowie der Beitrag von Bern Schwarzkopf zu Tempoverlustspielen; in feenschach zum Beispiel ein Artikel über eine Aufgabe von Karl Fabel, Preisbericht und Artikel zu A→B-Schach, zu Basisplänen in logischen VRZ-Procas, zu elsässischen Beweispartien — und bereits der Preisbericht zu den 2012er feenschach-Retro-Urdrucken.

Jede Menge interessante Themen also — viel Spaß!

Retro der Woche 12/2014

Könnt ihr euch noch an euren Erstling, euer erstes veröffentlichtes Problem erinnern? Ich kann das: Eine ziemlich wenig originelle weiße Allumwandlung im S#3 Längstzüger mit recht wilder Zwillingsbildung und langweiligen Matts, in der ROCHADE (heute Europa-Rochade) März 1982 veröffentlicht – keine Ahnung, was den Preisrichter veranlasst hat, dem Ding ein Lob zu verpassen? Wahrscheinlich wollte er ein junges Nachwuchstalent motivieren, sich weiter mit Problemschach zu beschäftigen – das zumindest hat er erreicht…

Kaum zu glauben, auch unser heutiges Retro der Woche ist ein Erstling – und das Stück gewann in einer mehr als renommierten Problemzeitschrift den ersten Preis.

 

Sergej L. Wolobujew
Schachmaty w SSSR 1982, 1. Preis
1#? (13+13)

 

Die Frage nach einem Matt in einem Zug lässt sich aus Sicht eines Partiespielers (oder auch eines Nicht-Retro-Problemisten) leicht beantworten: “Ist Weiß am Zug, so setzt er mit Txc3 matt; ist hingegen Schwarz am Zug, so gibt es kein Matt.”

Zur damaligen Zeit wurde mit Fragen nach einem möglichen Ziel im Vorwärtsspiel gelegentlich versucht, den Retroproblemen einen “partienahen Anstrich” zu geben, um eine höhere Akzeptanz auch bei den Funktionären und Schriftleitern zu erreichen. Heute würde man sicherlich diese banale Frage zum Vorwärtsspiel durch die eigentlich interessierende Frage “Wer ist am Zug?” ersetzen – oder, wie das Stück in WinChloe wiedergegeben wird, mit der Frage nach den letzten 24 Einzelzügen.

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Retro der Woche 02/2014

Im Laufe des Dezembers sind die (vorläufigen) Ergebnisse der acht Rubriken des 3. FIDE World Cup (analog zu denen der FIDE-Alben) veröffentlicht worden; sie können z.B. von der WFCC-Seite herunter geladen werden.

Selbstverständlich interessiert hier am meisten der Retro-Bericht, den Silvio Baier sehr kompetent erstellt hat. Ich möchte heute die zweit-platzierte Aufgabe vorstellen – es ist einfach mal wieder ein klassisches Retro an der Reihe, aber auf die erstplatzierte Beweispartie werde ich auch noch zurückkommen.

Andrej Frolkin
3. FIDE World Cup 2013, 2. Preis
Ergänze auf e8 und löse auf. Minimale Anzahl Züge seit dem letzten Zug des sK? (10+14)

 

Ich folge bei der Lösungsbesprechung der von Silvio, die ich im Wesentlichen nur ins Deutsche übersetzt habe.

Geht man nur nach den direkt sichtbaren Schlagfällen, könnte auf e8 sowohl ein weißer als auch ein schwarzer Stein eingefügt werden, aber bei Schwarz fehlen nur ein Bauer und [sLc8]; letzterer kann im letzten Zug Tc6:c7+ nicht geschlagen worden sein, aber auch nicht auf e8 stehen, deshalb muss auf e8 ein weißer (umgewandelter) Läufer oder ein Springer eingesetzt werden; wT und wD scheiden wegen Doppelschachs aus.

Wäre der letzte Zug Tc6:Bc7+ gewesen, dann hätten wir die schwarzen Schläge a:b, b:c, e7:d6 und h:g; [wBe2] und [wBf2] hätten, da nicht anders schlagbar (wLc1 wurde zu Hause geschlagen, auf e8 steht noch ein weißes Stein!) auf e8 umwandeln müssen, [wBh2] schlagfrei auf h8. Der Nordwest-Käfig kann nur mittels e7:d6 aufgelöst werden – dies erst nach den beiden Entwandlungen auf e8. Bis dahin aber ist Schwarz retropatt.

Also wurde ein Offizier auf c7 geschlagen.

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Neujahrs-Gruß

Einen tollen Neujahrs-Gruß für mich und euch alle habe ich vor wenigen Tagen aus Kiew von Andrej Frolkin erhalten:

Er schreibt, dass ja nun nicht nur das Jahr 2014 begonnen habe, sondern dieses Jahr (Beginn: 31. Januar) auch das chinesische “Jahr des Pferdes” sei. Und da in verschiedenen Sprachen unser deutscher “Springer” als “Pferd” bezeichnet werde, sind nun vier Aufgaben entstanden, die hier als Urdrucke veröffentlicht werden.

Ihr könnt sie herunterladen — und ich wünsche euch viel Vergnügen damit!!

2014

Allen Retrofreunden wünsche ich
ein gutes neues Jahr 2014!

Ich möchte das neue Jahr beginnen mit wohl dem ersten Retro, das ich selbst gelöst habe: Es wird nun 100 Jahre alt und passt daher gut zum heutigen Neujahrs-Tag.

Thomas R. Dawson
Falkirk Herald, 17.6.1914
Matt in 2 Zügen (11+6)

 

Das fand ich als Nachdruck irgendwann in den frühen achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts in der “Heißener Schachpost”, eigentlich einer Vereinszeitung, die aber einen großen monatlichen Problemteil mit Lösewettbewerb hatte, den der später tragisch verunglückte Hans-Christoph Krumm liebevoll leitete.

Dort reizte mich dieses Stück auch, und längeres Probieren ließ mich keinen Schlüssel finden — bis ich dann auf die Idee kam, dass Schwarz ja einen letzten Zug gemacht haben muss. Und das kann nur c7-c5 oder e7-e5 gewesen sein. Also ein e.p.-Schlag, anschließend setzt dieser Schläger banal matt. Aber dann gibt es doch zwei Lösungen, dann ist dieses alte Stück also kaputt?? Und wofür sollen diese ganzen unnützen Bauern auf der 2. bis 4. Reihe gut sein, die ändern doch nichts?

Dann habe ich mir mal angeschaut, wie denn die weißen Bauern in ihre Positionen kommen konnten und festgestellt, dass Weiß zehn Bauernschläge vorgenommen hat. Also alle fehlenden schwarzen Steine sind durch die weißen Bauern gestorben. Das ist ja auch ganz interessant, aber was hilft das?

Eine Menge, wie mir plötzlich auffiel: Dann sind ja auch die beiden schwarzen Läufer von den Bauern geschlagen worden, also auch der schwarzfeldrige von f8. Damit muss der gezogen haben, und deshalb kann e7-e5 nicht der letzte schwarze Zug gewesen sein!

Also war das c7-c5, der Schlüssel ist also b5xc6 e.p., der andere scheinbar mögliche en-passant Schlüssel also eine, wie ich damals fand, trickreiche Verführung!

Nun versteht ihr vielleicht, weshalb ich immer schmunzeln muss, wenn ich diese Aufgabe sehe?