Retro der Woche 18/2023

Vor zwei Wochen hatte ich hier eine Aufgabe von Josef Haas (28.1.1922 – 11.11.2003) vorgestellt; heute soll eine weitere folgen. Ich finde seine Aufgaben deshalb sehr schön und werbewirksam, weil die Diagrammstellungen meist recht einfach erscheinen, aber die Lösungen dennoch eine Menge retroanalytischen Tiefgang besitzen.

Josef Haas
feenschach 1971, 2. Preis
Weiß nimmt einen Zug zurück, dann #2 ; b) sBc7>d5, dann #3 (11+9)

 

So ist es hier auch, wie ich finde: eine recht offene Stellung, die aber nette Schlussfolgerungen erfordert, um die Lösungen zu finden.

Überlegen wir aber zunächst, wie wir prinzipiell die Vorwärtsforderung erfüllen können. So kann Weiß in a) 1.Kxg7 und 2.Tf8# spielen — wenn Schwarz nicht mehr rochieren darf.

Die Diagrammstellung lässt sicherlich die schwarze lange Rochade zu — wir müssen also eine Rücknahme finden, nach der die Rochade nachweisbar illegal ist.

Weiterlesen

Retro der Woche 16/2023

Bei Aufgaben mit einer Forderung wie beim heutigen Stück oder auch ähnlichen kann es einfach um das Finden desjenigen Zugs gehen, der im Sinne der Vorwärtslösung zurückgenommen werden muss, ohne dass das mit retroanalytischen Überlegungen verknüpft ist — oder es geht um echte Retroanalyse.

Steht über dem Diagramm der Name des Kriminalbeamten Josef Haas (28.1.1922 – 11.11.2003), so könnt ihr euch sicher sein, dass dann eine Aufgabe des zweiten Typs vorliegt, so auch heute.

Josef Haas
Die Schwalbe 1973, 2. Preis
Weiß nimmt einen Zug zurück und setzt in einem Zug matt (13+8)

 

In der Diagrammstellung sehen wir bereits einen Mattzug, nämlich 1.Kc2#, quasi ein „Satzmatt“, denn Weiß muss ja zuvor noch einen Zug zurücknehmen.

Wieso kann das nicht ein fast beliebiger weißer Zug sein (Läufer oder Dame bleiben auf ihrer Diagonale, Te1-d1 oder irgendwelche anderer)?

Weiterlesen

Retro der Woche 14/2023

Ich finde es immer wieder faszinierend, wie kleine Änderungen der Diagrammstellung große Auswirkungen auf die Lösungen haben können. Bei Retroaufgaben ist dies recht schwierig, dies mit wirklich signifikante Änderungen im Spiel interessant darzustellen, da ja „eigentlich“ zwei sehr ähnliche Stellungen eine sehr ähnliche Historie haben müssen.

Heute möchte ich euch ein Stück zeigen, in dem „unterschiedliches Retrospiel“ aus meiner Sicht sehr überzeugend demonstriert wird.

Bernd Gräfrath
feenschach 2003 , 5. Lob
Geringste Zahl der Königszüge? b) Df1>g1 Schlagschach (14+14)

 

Beim Schlagschach verliert ein König bekanntlich seine königliche Eigenschaft, darf also geschlagen und auch erwandelt werden. Und wie der Name schon andeutet, müssen mögliche Schlagzüge durchgeführt werden; bei mehreren Möglichkeiten besteht „freie Auswahl“.

Natürlich fällt sofort der schwarze König im weißen Lager auf, und schnell ist klar, dass er entweder der Originalkönig sein muss oder durch Umwandlung des [Bc7] entstanden ist. Und nun ahnen wir vielleicht schon, was die Zwillingsbildung nun bewirkt? Und noch ein Hinweis für eure eigenen Lösungsansätze: Überlegt euch auch, wie der weiße Springer unter der Schlagzwang-Bedingung nach a8 gelangen konnte?

Weiterlesen

Retro der Woche 10/2023

Die gerade erschienene März-Ausgabe des Problemist enthält einen ausführlichen Artikel zum Schweizer Markus Ott (30.01.1960–01.10.2021): Er war ein hervorragender Komponist, der besonders für seine Hilfsmatts und Märchenaufgaben bekannt ist.

In seinen „jungen Jahren“ hat er allerdings auch einige interessante Retros gebaut; ein klassisches Stück aus dieser Zeit möchte ich euch heute zeigen.

Markus Ott
feenschach 1982, 3. Lob
Erster Zug des weißen Turms? (5+11)

 

Anfang der 1980er Jahre wurden in feenschach möglichst ökonomische klassische Auflöse-Aufgaben untersucht, in denen nicht nach dem letzten, sondern nach dem ersten Zug eines Steins gesucht wurde. Eine Vielzahl interessanter Stücke ist dabei entstanden.

wKb8 konnte offenbar nur via g6, f7, e8 auf die achte Reihe gelangen, daher kann Schwarz die offensichtlichen möglichen Züge h7-h6 oder f7xXe6 noch nicht zurücknehmen. Die Rücknahme eines Königszuges würde in ein illegales Retroschach führen, sodass Schwarz nicht als letzter gezogen haben kann; also müssen wir mit der Rücknahme eines weißen Zuges beginnen.

Weiterlesen

Retro der Woche 07/2023

12.2.23 Diagramm korrigiert — Dank an Arnold Beine!

Vor zwei Wochen habe ich hier das bemerkenswerte Illegal Cluster von Dmitrij Baibikov vorgestellt, das „natürlich“ de ersten Preis der orthodoxen Retros im Jahresturnier 2022 von StrateGems erhielt. Heute möchte ich euch den zweiten Preisträger zeigen, ein klassisches Retro, in dem es um die gar nicht so einfach zu beantwortende Frage geht: „Wie kann nur der Knoten im Nordwesten aufgelöst werden?“

Andrej Frolkin
StrateGems 2022, 2. Preis (klassische Retros)
Löse auf! (9+13)

 

Bei Schwarz fehlen die Dame, der schwarzfeldrige Läufer und ein Springer. Sichtbar sind nur zwei Schläge: dxc3 und Le6xXd7+ im letzte Zug — gleichzeitig impliziert dieses Schachgebot, dass Weiß mit der Rücknahme beginnt. Der dritte Schlag ist noch nicht erkennbar.

Bei Weiß fehlen sieben Steine; sechs schwarze Schläge mit Bauern sind sichtbar: Die schwarzen Bauern auf den Linien b bis d kommen von a bis c (drei Schläge), drei weitere erfolgten durch die Bauern auf der f-Linie: dxe6xf5 und gxf6. Damit ist noch ein Schlag frei, mit dem [Ba2] oder [Bh2] verschwinden mussten; der andere Bauer musste sich also umwandeln, um verschwinden (oder einen zusätzlich geschlagenen weißen Offizier im Diagramm ersetzen zu können.

Weiterlesen

Retro der Woche 51/2022

In meiner Kurz-Rezension des FIDE-Albums 2016–2018 hatte ich Thierry Le Gleuher erwähnt. Er hat nicht nur die Lösungen der Retro-Abteilung gestaltet, sondern ist auch mit fünf Aufgaben (davon einer Gemeinschaftproduktion mit Tom Volet) im Album vertreten. Eines dieser Stücke, das über das WCCI ins Album gekommen war, möchte ich hier vorstellen; es hatte mich schon bei der Publikation in der Schwalbe sehr gut gefallen. Bei den Angaben zur Lösung stütze ich mich fast komplett auf die Angaben des Preisrichters Hans Gruber ab.

Thierry Le Gleuher
Die Schwalbe 2018, 2. ehrende Erwähnung
Letzte 47 Einzelzüge? (14+12)

 

Die schwarzen Bauern auf a2 und b2 können nicht die beiden fehlenden weißen Läufer durch Kreuzschlag axb/bxa auf Feldern verschiedener Farbe geschlagen haben. Der Versuch, die Stellung rasch mit e7xLf6+ aufzulösen, erfordert die Rücknahme sBcxwLb und einen schlagfreien Marsch des [Ba7] nach a2; Weiß musste daher axb und bxa schlagen; da von den fehlenden schwarzen Bauern aber nur einer ohne Schlagfall umwandeln konnte und ein Schlagobjekt auf g6 benötigt wird, wäre dies illegal.

Weiterlesen

Retro der Woche 49/2022

In der letzten Woche sind (endlich mal wieder) zwei Hefte feenschach erschienen, die Hefte 246 und 247. Die Urdrucke — 151 an der Zahl, davon 20 Retros — waren schon Ende 2021 ins Netz gestellt, sodass die Lösefrist schon abgelaufen ist.

Noch nicht im Internet waren hingegen die Lösungen der Urdrucke des Heftes 242 erschienen — und die Kommentare der Löser dazu. In dem Heft gab es 16 Retro-Originale.

Wie nur noch in Die Schwalbe werden in feenschach die Lösungen sehr ausführlich dargestellt; hier lohnt es für uns Retrofreunde regelmäßig, die Lösungen gründlich durchzuarbeiten. Ich kann kaum beschreiben, wie viel ich aus den Löserkommentaren eines Hans-Heinrich Schmitz, eines Michael Pfannkuche, eines Thomas Kühn, um nur wenige zu nennen, besonders über Retroanalyse gelernt habe!

Aus Heft 242 möchte ich ein Stück vorstellen, das mir sehr gut gefallen hat.

Gerald Ettl
feenschach 2020
Letzte 20 Einzelzüge? (14+13)

 

Der weiße König steht im Schach, das kann nur durch die Rücknahme von Lf8xXg7+ aufgehoben werden. Zusammen mit d7xYe6 sind die fehlenden weißen Steine erklärt.

Als weißen Schlag sieht man gleich axb. Die beiden anderen muss Weiß auf dem rechten Flügel gemacht haben, denn sBh2 hat mangels Schlagopfer nicht geschlagen. Also noch hxg und gxh — ob überkreuz oder ob beide Schläge vom [Bh2] erfolgten, können wir noch nicht sagen.

Weiterlesen

Retro der Woche 45/2022

Heute möchte ich noch einmal auf den Aufsatz bzw. das Schema eingehen, mit dem wir uns in der letzten Woche hier beschäftigt hatten. Dieses Mal möchte ich euch das zuerst publizierte Stück dieser Reihe vorstellen — erster Preisträger im Schwalbe-Informalturnier, und kurioser Weise bildet dieses Stück sofort eine Erweiterung des in der letzten Woche diskutierten Käfigs wKc1, wDb1, sKa3, sTd2.

Andrej Frolkin & Anatoli Wassilenko
Die Schwalbe 1998, 1. Preis
Löse auf (13+14)

 

Die Erweiterung des Grund-Käfigs besteht in der Verschiebung des schwarzen Turm ein Feld Richtung Königsflügel. Damit wird der Käfig größer, und durch den damit möglichen zusätzlichen Turm wird die Auflösung noch komplexer.

Aber zunächst wollen wir uns die Schlagbilanz anschauen: Die beiden weißen Schläge sind klar: Bei Schwarz fehlen genau die beiden Springer und die wurden mit b2xSc3 und a5xSb6 geschlagen. Nur ein schwarzer Bauernschlag ist sichtbar: axb.

Weiterlesen