Rekord gekocht

Eben erhielt ich von Andrej Frolkin die Mitteilung, dass der Längenrekord für orthodoxe Beweispartien, der hier am ersten Weihnachtstag urgedruckt wurde, doch noch defekt ist:

Michail Kosulja fand: 1.a4 h5 2.a5 h4 3.a6 h3 4.a:b h:g 5.h4 d5 6.h5 d4 7.h6 d3 8.h7 d:c 9.d4 a5 10.Lh6 c1T 11.e4 Tc5 12.Se2 Th5 13.e5 c5 14.e6 Sc6 15.b8T a4 16.Tb4 a3 17.Ta4 c4 18.b4 c3 19.b5 Da5 20.b6 g1T 21.b7 Tg4 22.b8T c2+ 23.T8-b4 Lb7 24.d5 0-0-0 25.e:f e5 26.d6 Kb8 27.d7 Lc5 28.f8T Se7 Tf3 a2 30.Tf-a3 Sc8 31.f4 g5 32.f5 Te-g8 33.f6 e4 34.f7 e3 35.f8T Tg6 36.Tf2 Tf4 37.Dd6+ Ka8 38.Sc3 Th-f8 39.Td1 T8-f7 40.h8T a1D 41.Te8 c1D 42.Lf8 g4 43.Sa2 g3 44.Dc7 g2 45.d8T g1T 46.Td6 Tg1-g5 47.Sg3 Dg7 48.Ld3 Ld4 49.0-0 e2 50.Te5 e1T 51.Lb1 Sd8 52.Td3 Lg2 53.Se4 Dc6 54.Sc5 Te3 55.Tc2 Sb6 56.Tf1-f3 Sc4 57.Sb7 Sb2 58.Tb-c4 De8 59.Sb4 Te1#.

Das ist sehr bedauerlich; ich drücke den drei Verfassern die Daumen, dass deren Backup-Version in 58,5 Zügen korrekt bleibt!

59 Züge

Nachtrag 31.12.2021:
Leider ist der Versuch noch nebenlösig!

Am vierten Advent hatte ich noch gefragt, wie lange eurer Meinung nach der bestehende Längenrekord für (orthodoxe) Beweispartien wohl noch Bestand haben werde — und sechs Tage später präsentieren vier Autoren ihre Überbietung!! (OK, ich gebe zu: Als ich die Frage stellte, kannte ich schon die Antwort…)

Vor knapp fünf Jahren war der Versuch der ersten drei Autoren noch von Boris Tummes gekocht worden, nun hat er das Autorenteam verstärkt — und herausgekommen ist eine Beweispartie, die nun drei Halbzüge länger ist als der bisherige Rekord.

Dmitri Pronkin, Andrej Frolkin, Werner Keym & Boris Tummes
Urdruck
Beweispartie in 59 Zügen (14+14)

 

 

Kurz noch einmal zur Geschichte:
In den Jahren 1988/89 arbeiteten Pronkin und Frolkin elf Monate lang mit Hunderten von Positionen. Eine erste Rekordfassung (mit 58,0 Zügen) erschien in der Schwalbe im Juni 1989, eine kleine Korrektur (mit 57,5 Zügen), der bisherige Rekord, im Februar 1990. 2016 unternahm Frolkin, von Keym unterstützt, einen zweiten Versuch (Die Schwalbe , Februar 2017); doch wurde ihre Beweispartie (58,5 Züge) von Tummes als dualistisch nachgewiesen (Die Schwalbe, April 2018). In einem dritten Anlauf gelang Frolkin im Dezember 2021 gemeinsam mit Keym und Tummes der Durchbruch, der neue Rekord mit 59,0 Zügen.

Ich will euch gar nicht empfehlen, die Aufgabe selbst zu lösen — wer das dennoch machen will, wer noch weiter prüfen will, ist natürlich herzlich eingeladen!

Ansonsten: Spielt zuerst einmal die Lösung genüsslich durch, stellt euch für die nächsten Male im Prinzip die gleichen Fragen, wie ich sie für den alten Rekord vorgeschlagen hatte — und zum Schluss versucht einmal die Kniffe zu ergründen, mit denen den fantastischen Vier die Verlängerung gelang? Viel Spaß und anregende Beschäftigung wünsche ich euch dabei!

Lösung


Und den Vieren gilt mein herzlicher Glückwunsch zu dieser Großtat — und mein ebensolcher Dank, dass sie mir die Ehre zuteilwerden ließen, diese Superaufgabe hier im Blog urzudrucken und damit auf einen sicheren ersten Preis in einem beliebigen Informalturnier zu verzichten. Übrigens soll in der Schwalbe 2022 hierzu ein Aufsatz „aus erster Hand“ erscheinen, auf den ich schon sehr gespannt bin.

Unto Heinonen 75

Am heutigen ersten Weihnachtstag gehen herzliche Glückwünsche nach Finnland, wo Unto Heinonen seinen 75. Geburtstag feiert.

Unto ist uns Retrofreunden besonders als vielseitiger Komponist von Beweispartien bekannt, er ist aber auch sehr fleißig und erfolgreich im Bereich des Märchenschachs, wo er ein besonders produktiver Mitarbeiter der Augsburger Problemkiste war — allein dort sind über 1000 seiner Aufgaben erschienen.

Seine Beweispartien — die PDB enthält 190, von denen 58 in der Schwalbe erschienen sind — sind immer abwechslungsreich, zeichnen sich stets durch Originalität und Qualität aus. Nicht umsonst habe ich schon 15 seiner Stücke im der „Retro der Woche“ Rubrik veröffentlicht.

Heute möchte ich von Unto eine Synthese aus orthodoxer Beweispartie und Märchenschach vorstellen; viel Spaß beim Lösen!

Unto Heinonen
StrateGems 2001
Beweispartie in 8,5 Zügen — b) Beweispartie in 8 Zügen, Madrasi (14+12)

 

 

Und wie stets folgt die Lösung hier in etwa einer Woche.

Lösung

a) 1. g3 a5 2. g4 Ta6 3. g5 Td6 4. g6 Txd2 5. gxh7 g6 6. Sxd2 Lg7 7. Se4 Lf6 8. Sxf6+ exf6 9. hxg8=T+
b) 1. g4 g6 2. g5 h5 3. gxh6ep a5 4. h7 Lh6 5. hxg8=T Lxd2 6. Sxd2 Ta6 7. Se4 Tf6 8. Sxf6+ exf6

Sehr abwechslungsreiches Spiel!

Retro der Woche 51/2021

Nachdem ich vor drei Wochen hier den Fabel’schen Längenrekord von 1947 und letzte Woche dessen Überbietung von Michel Caillaud aus dem Jahre 1982 vorgestellt hatte, will ich heute die Geschichte der Beweispartie-Längenrekorde weitererzählen.

Karl-Heinz Bachmann verbesserte 1987 mit einigen technischen Kniffen in ähnlichem Schema den Rekord auf 48 Züge (P0002277) – und dann kam ein Riesensprung: Dimitri Pronkin und Andrej Frolkin schraubten den Rekord auf unglaubliche 57,5 Züge!

Das konnte natürlich nur mit einer gänzlich anderen Grundidee funktionieren, denn das Fabel-Schema hatten Caillaud und Bachmann großartig ausgeschöpft. Pronkin und Frolkin hatten die aberwitzig erscheinende Idee, das Thema mit einer Anhäufung von Umwandlungen anzugehen.

Dimitri Pronkin und Andrej Frolkin
Die Schwalbe 1989, Preis
Beweispartie in 57,5 Zügen (14+14)

 

Eine auf den ersten (und auch noch den zweiten und dritten) Blick schier unglaubliche Stellung mit jeweils acht Türmen – die beiden anderen Bauern müssen jeweils geschlagen werden, um Schneisen für die Umwandlungsbauern zu schaffen. Also nicht nur ein Längenrekord, sondern auch eine materialökonomische Aufgabe, die durch die Einheitlichkeit der Umwandlungen und die „aristokratische“ Stellung ohne Bauern nicht einfach „nur“ ein unglaublicher Rekord ist, sondern auch seine ästhetischen Reize hat.

Wie kann man die Aufgabe lösen?

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Retro der Woche 50/2021

Vor zwei Wochen habe ich hier den berühmten Beweispartie-Längenrekord von Karl Fabel aus dem Jahr 1947 vorgestellt und dabei erwähnt, dass er 35 Jahre lang Bestand hatte. Dann musste ein junger Mann aus Frankreich kommen, der zur Zeit der Veröffentlichung von Fabels Rekord noch lange nicht geboren war, erst zehn Jahre später auf die Welt kam, sich dann aber sehr schnell als Riesentalent zeigte, der speziell die Beweispartie neben dem gleich alten (jungen — beide sind Jahrgang 1957) Andrej Frolkin und anderen Pionieren nach vorn, zu ihrer heutigen Blüte brachte: Michel Caillaud.

Michel Caillaud
Die Schwalbe 1982, 1. Preis, Karl Fabel zum Gedenken
Beweispartie in 47 Zügen (11+15)

 

Eine gewisse Ähnlichkeit weisen die beiden Stellungen schon im Diagramm auf: weißes Material auf der achten Reihe, schwarzes im Südwesten, ähnliche Bauernstrukturen; weitere Ähnlichkeiten werden wir entdecken, wenn wir uns die Lösung anschauen.

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Retro der Woche 48/2021

Nachdem wir in der letzten Woche bereits eine Retro-Tour in die Geschichte der Retroanalyse unternommen hatten, möchte ich das heute fortsetzen und eine sehr bekannte, klassische Beweispartie (wieder) zeigen. Viele werden sie kennen, aber ich finde, die anzuschauen kann kaum langweilig werden.

Als Thomas Rayner Dawson 1913 die erste Beweispartie (P0002274) vorstellte, dachte er hauptsächlich an möglichst lange Konstruktionen, weniger an thematische Inhalte, wie wir sie heute an Beweispartien lieben. Direkt nach dem Krieg beschäftigte sich dann Karl Fabel mit dieser Rekordjagd, deren Ergebnis er in seinem Buch „Am Rande des Schachbretts“ veröffentlichte; sein Ergebnis ist auch heute noch faszinierend.

Karl Fabel
Am Rande des Schachbretts 1947
Beweispartie in 41,5 Zügen (13+14)

 

Erschreckend wenig Züge kann man direkt aus der Diagrammstellung ableiten; bei Weiß sind dies gerade einmal 8+3+1+6+0+5=23: 19 Züge sind also noch frei. Ok, wir müssen noch berücksichtigen, dass ein Turm und zwei Springer bei Weiß verschwinden müssen, dennoch bleibt viel frei. Wir werden nachher sehen, wie Fabel die daraus resultierende eigentlich extreme Nebenlösungsgefahr bannt.

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Retro der Woche 46/2021

Ich möchte noch beim Preisbericht des diesjährigen Champagne-Turniers, bleiben, nachdem wir an den beiden letzten Sonntagen bereits die ersten Preise der Beweispartien und der übrigen Retros gesehen haben.

Heute präsentiere ich euch „nur“ eine Doppelsetzung des geforderten Themas, aber was für eine — lasst euch überraschen!

Roberto Osorio
Champagne-Turnier 2021, 3. Preis Gruppe A
Beweispartie in 19 Zügen (13+15)

 

Bauernschläge sind im Diagramm nicht zu sehen, darum beginnen wir mit dem Zählen der sichtbaren schwarzen Züge. Da kommen wir auf 2+1+3+5+3+5=19 — damit sind alle schwarzen Züge bereits erklärt. Dabei wissen wir noch nicht, ob Kf8/Te8 durch O-O, Te8, Kf8 oder durch Ke7, Te8, Kf8 entstanden sind — für die Zügezahl ist das auch irrelevant.

Das Schachgebot im Diagramm macht zusammen mit sBg5 den Weg des sLe3 eindeutig: Lf8-d6-f3xe3+. Ansonsten wäre ja auch ein Weg Lf8-h6-e3 und g6/hxg6-g5 möglich, für beides benötigen wir vier Züge.

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Schatten voraus

Das Dezember-Heft der Schwalbe wirft schon seine Schatten voraus — besser gesagt: gleich zwei Schatten, denn es gibt wieder ein Doppelheft, da so viele Beiträge vorliegen. Und selbst die passen noch nicht alle … Sehr erfreulich, dass Die Schwalbe immer gern zur Publikation interessanter, abwechslungsreicher und qualitativ hochstehender Artikel genutzt wird!

Zur Einstimmung bringe ich hier für Zwischendurch eine Aufgabe, die im Dezember in einem Artikel nachgedruckt wird — von wem und über welches Thema verrate ich natürlich noch nicht. Freut euch jedenfalls schon auf das Doppelheft!

Itamar Faybish
The Problemist Supplement 2009
Beweispartie in 9,5 Zügen (13+13)

 

 

 

 

Das muss ich sicher nicht mehr erwähnen, dass es die Lösung hier in etwa einer Woche geben wird?!

Lösung

Das dürfte die erste orthodoxe Darstellung des Themas “Pronkinfigur schlägt Schnoebelenfigur” sein.