Heute gehen ganz herzliche Glückwünsche nach Niederbayern, in den Landkreis Landshut, nach Buch am Erlbach, wo heute — für den, der ihn persönlich kennt, ist das kaum zu glauben! — Manfred Rittirsch sein sechstes Lebensjahrzehnt vollendet. Manfred ist ein unglaublich vielseitiger Komponist, großartiger, phantasievoller Konstrukteur, immer den künstlerischen Aspekt des Problemschachs betonend; er kommt bisher (WCCI und Album 2016–2018 sind noch nicht berücksichtigt) auf 56 Albumpunkte; der Großmeister-Titel ist sicher nur noch eine Frage der Zeit.
Ebenso ist er ein hervorragender Löser, Interpretierer und Kommentator, der gleichzeitig über riesige Literaturkenntnisse verfügt. Wer einmal seine ausführlichen Urdruck-Kommentare oder einen Preisbericht von ihm gesehen hat, weiß, was ich damit meine.
Nicht nur als Löser, auch als Komponist wendet er sich gelegentlich Retros zu. Einen großen Erfolg möchte ich euch hier zeigen. Mit Kenntnis der Quelle ahnt ihr vielleicht bereits das Thema — und dann ist es nicht mehr ganz schwer! Die Lösung folgt wieder in etwa einer Woche hier.
Manfred Rittirsch Rehm-70 Turnier, Gruppe B 2014, 1. Preis Beweispartie in 11,5 Zügen (14+15)
Für dein neues Lebensjahr(zehnt), lieber Manfred, wünsche ich dir persönlich und sicher auch im Namen aller Leser hier alles denkbar Gute, weiterhin viel Freude an und Erfolg bei unserem Lieblingshobby! Und heute lass dich toll feiern!
Lösung
Darstellung des “Rehm-Themas” (vollständige “Umgehung eines Steins”, hier La3-c3 um Lb4 herum, dann ziehen beide Themasteine noch auf der Themalinie) — damit dann beide dort geschlagen werden. Unglaublich elegante und (zeit)ökonomische Darstellung.
Beim Vertikalzylinder gelten alle normalen Schachregeln — nur gibt es keinen rechten und linken Rand des Bretts, sondern h- und a-Linie werden als direkt miteinander verbunden betrachtet. Ein schwarzer Stein auf h3 kann also nicht nur von einem weißen Bauern von g2 aus geschlagen werden, sondern auch von dem auf a2 — oder einem weißen Läufer auf c6, der dann via a4 nach h3 zielt.
Ich lade euch ein, das einmal an einem kleinen Beispiel auszuprobieren, das sicher nicht allzu schwer ist, wenn ihr euch erst einmal überlegt, dass der schwarze König (durch ein Wieviel-Schach?) Matt ist.
Michel Caillaud St-Germain-au-Mont-d’Or 2016, 2. Preis Beweispartie in 7,5Zügen, Vertikalzylinder (15+15)
Natürlich findet ihr die Lösung wieder in etwa einer Woche hier.
Nachtrag 21.02.2021: Leichte Anpassungen des Textes bezüglich der Kommentare von Joost.
Die Beweispartie-Abteilung des Champagner-Turnier 2019 (siehe das Retro der Woche 07/2021) ließ auch Märchenbedingungen zu. Die mit dem dritten Preis ausgezeichnete Aufgabe nutze „Andernach-Schach“: Nichtkönigliche Steine wechseln, wenn sie einen gegnerischen Stein schlagen, als Teil des Zuges die Farbe. (aus dem Märchenschach-Lexikon der Schwalbe).
Marco Bonavoglia & Dirk Borst Champagner Turnier 2019, 3. Preis Beweispartie in 13 Zügen, Andernach-Schach (14+13)
Überlegen wir zunächst einmal, wie sich Andernach-Schach auswirkt: Das Schlagopfer verschwindet wie üblich, der Schlagtäter, solange er nicht König ist, wechselt die Farbe. Lassen wir die Könige außen vor, so „verliert“ rein rechnerisch die schlagende Partei einen Stein, nicht die andere, und dann hat in unserer Aufgabe heute Weiß zweimal, Schwarz hingegen dreimal geschlagen.
Der Farbwechsel erklärt dann auch die vier weißen Türme, die also nicht auf Umwandlungen zurückgeführt werden müssen: Zwei schwarze Turm-Schläge reichen! Und so war auch sicher sLg5 am Anfang der Partie weiß?!
Beim traditionellen Champagne-Turnier anlässlich der WCCC Treffen (dreimal dürft ihr raten, welche Art von Preisen Organisator und Preisrichter Michel Caillaud dabei vergibt) gibt es immer wieder interessante Themen und hochklassige Aufgaben. 2019 hatte Michel das Thema „Bristol“, also Bahnungen, gestellt; den Gewinner der Beweispartien-Abteilung hatte ich als Retro der Woche 37/2019 bereits vorgestellt, heute möchte ich mit euch das zweitplatzierte Stück anschauen. Michels allgemeine Definition der Bahnung für dieses Turnier war
Ein Stein, weiß oder schwarz, verlässt (in einem Retro-Zug) Feld x.
Ein anderer Stein gleicher Farbe spielt (in einem Retro-Zug) in dieselbe Richtung und überquert dabei Feld x.
Ivan Denkovski Champagne Turnier 2019, 2. Preis Beweispartie in 27,5 Zügen (14+15)
Mit Kenntnis des Themas könnte man beim ersten Blick aufs Diagramm meinen: „Aha, die Türme auf der dritten Reihe bilden das Thema, dazu gibt es noch die Bahnung von Dame und Läufer auf h3 und g4. Ach ja, lange Rochade, und dafür muss die Dame irgendwie nach Osten kommen. Und dafür soll man so viele Züge benötigen?“
Schauen wir uns das einmal genauer an, zunächst wollen wir uns mit der Schlagbilanz beschäftigen.
Bei Weiß fehlen die beiden Läufer, bei Schwarz [Bh7]. Der kann nicht direkt geschlagen werden, da Weiß ja auf f3 geschlagen hat. Also muss er auf g1 umgewandelt haben und auf seinem Weg dorthin [Lf1] geschlagen haben, [Lc1] wurde offensichtlich auf f6 geschlagen. Der Umwandlungsstein steht noch auf dem Brett, denn vor der Umwandlung musste ja gxXf3 geschehen, um den Weg nach g1 frei zu machen.
Preisrichter Hans Gruber war vom Retro-Zweijahresturnier 2015-2016 von Probleemblad begeistert, hier hatte ich Anfang 2018 bereits den 1. Preis dieses Turniers präsentiert, heute stelle ich euch den 4. Preis vor.
Der schwarze König, das sieht man sofort, steht im Schach durch den wSf8 — der hat allerdings kein Feld, von dem aus er Schach bieten konnte, er hat also im letzten Zug umgewandelt. Dabei kann er nur von f7 gekommen sein, denn die drei fehlenden schwarzen Steine sind bereits durch die Bauernschläge im Südwesten erklärt.
Daher hat sich [Bf2] schlagfrei nach f8 durchgekämpft. Dafür muss dann [Bf7] Platz geschaffen haben, und das erklärt bereits zwei Schläge des Schwarzen: [Bf7] weg von der f-Linie, ein Bauer auf die f-Linie.
In meinem kleinen Nachruf auf Yoav Ben-Zvi hatte ich bereits erwähnt, dass seine thematische Vorliebe auch bei seinen Retros allen Arten von Linienspiel galt. Dies zeigte er sowohl in seinen klassischen Auflöse-Retros als auch in den relativ wenigen Beweispartien, die er komponiert hat.
Eine davon möchte ich heute zeigen, die dies, wie ich finde, sehr hübsch, aber auch recht versteckt zeigt.
Yoav Ben-Zvi StrateGems 2013, nach K. Soltsien & H. H. Schmitz Beweispartie in 26 Zügen (16+16)
An verschiedenen Stellen des Diagramms schimmert Symmetrie durch, besonders auf dem Damenflügel und auf der g-Linie, die aber auch dort durchbrochen ist. Ferner fällt sicherlich der sTa1 auf, der, das sieht man schnell, mindestens sieben Züge nach dort benötigte, auch wenn wir noch nicht wissen, ob es sich um [Ta8] oder [Th8] handelt: Tc8-c6-d6-d3-c3-c1-a1 ist eindeutig.
Und noch eine traurige Nachricht: Wie mir sein Sohn mitteilte, ist Yoav Ben-Zvi am Silvestertag 2020 im Alter von 63 Jahren (* 3.6.1957) in seiner Geburtsstadt Jerusalem verstorben. Er hinterlässt Frau und je einen Sohn und eine Tochter; meine herzliche Anteilnahme gilt seiner Familie.
Schon als junger Mann gründete er mit zwei Partnern ein Hightech-Unternehmen, von denen sie sich 2012 trennten. Dies war für ihn der Übergang zum Ruhestand, wo er seine alte Liebe zum Problemschach wiederentdeckte; seit 2012 war er auch Schwalbe-Mitglied.
Yoav war ein vielseitiger Komponist, seine Vorliebe galt allerdings der Retroanalyse, und hier folgte er bewusst nicht irgendwelchen Modethemen, sondern er präsentierte stets klassischen Inhalt mit strategischem Tiefgang in eleganter Form; seine Vorliebe galt allen Arten von Linienspiel, häufig verbunden mit orginellen Fragestellungen in den Forderungen.
Zu seinem Gedenken zeige ich eine sehr kurze, leicht zu lösende, aber sehr hübsche Beweispartie, die euch zum Lösen anregen sollte, daher verrate ich auch nichts zum Inhalt.
Yoav Ben-Zvi The Problemist 2012, 5. Lob Beweispartie in 10,5 Zügen (13+16)
Im Südwesten deutet sich bestimmt schon der Inhalt an?
Lösung
Yoav kommentierte selbst in der PDB:
The moves WRa1-a5 (crossing a4 for WQ) and BBc2-g6 (crossing f5 for BQ) are “Turton” clear-ances. The move Qd1-a4 (crossing b3 for WB) must precede WBd5-b3 so it is a third Turton (called a “Loyd-Turton” because the clearance is by the stronger piece). The first 2 moves of WPa2 (crossing a4 for the WQ) are an additional Turton. In all these cases the occupation of the critical square is delayed. The moves WQa4-a1 (crossing a2 for WR), BQf5xb1 (crossing c2 for BB) and WPa2-a4-a5-a6 (crossing a5 for WR) are impure “Bristol” clearances. The move WBb3-d1 (cross-ing c2 for BB) is “Anti-Critical”. The move BBg6-c2 is a Switchback. The Try 5.WBf1-h3? is refuted because of Anti-Bristol effect of WBh3-e6.