59 Züge

Nachtrag 31.12.2021:
Leider ist der Versuch noch nebenlösig!

Am vierten Advent hatte ich noch gefragt, wie lange eurer Meinung nach der bestehende Längenrekord für (orthodoxe) Beweispartien wohl noch Bestand haben werde — und sechs Tage später präsentieren vier Autoren ihre Überbietung!! (OK, ich gebe zu: Als ich die Frage stellte, kannte ich schon die Antwort…)

Vor knapp fünf Jahren war der Versuch der ersten drei Autoren noch von Boris Tummes gekocht worden, nun hat er das Autorenteam verstärkt — und herausgekommen ist eine Beweispartie, die nun drei Halbzüge länger ist als der bisherige Rekord.

Dmitri Pronkin, Andrej Frolkin, Werner Keym & Boris Tummes
Urdruck
Beweispartie in 59 Zügen (14+14)

 

 

Kurz noch einmal zur Geschichte:
In den Jahren 1988/89 arbeiteten Pronkin und Frolkin elf Monate lang mit Hunderten von Positionen. Eine erste Rekordfassung (mit 58,0 Zügen) erschien in der Schwalbe im Juni 1989, eine kleine Korrektur (mit 57,5 Zügen), der bisherige Rekord, im Februar 1990. 2016 unternahm Frolkin, von Keym unterstützt, einen zweiten Versuch (Die Schwalbe , Februar 2017); doch wurde ihre Beweispartie (58,5 Züge) von Tummes als dualistisch nachgewiesen (Die Schwalbe, April 2018). In einem dritten Anlauf gelang Frolkin im Dezember 2021 gemeinsam mit Keym und Tummes der Durchbruch, der neue Rekord mit 59,0 Zügen.

Ich will euch gar nicht empfehlen, die Aufgabe selbst zu lösen — wer das dennoch machen will, wer noch weiter prüfen will, ist natürlich herzlich eingeladen!

Ansonsten: Spielt zuerst einmal die Lösung genüsslich durch, stellt euch für die nächsten Male im Prinzip die gleichen Fragen, wie ich sie für den alten Rekord vorgeschlagen hatte — und zum Schluss versucht einmal die Kniffe zu ergründen, mit denen den fantastischen Vier die Verlängerung gelang? Viel Spaß und anregende Beschäftigung wünsche ich euch dabei!

Lösung


Und den Vieren gilt mein herzlicher Glückwunsch zu dieser Großtat — und mein ebensolcher Dank, dass sie mir die Ehre zuteilwerden ließen, diese Superaufgabe hier im Blog urzudrucken und damit auf einen sicheren ersten Preis in einem beliebigen Informalturnier zu verzichten. Übrigens soll in der Schwalbe 2022 hierzu ein Aufsatz „aus erster Hand“ erscheinen, auf den ich schon sehr gespannt bin.

Unto Heinonen 75

Am heutigen ersten Weihnachtstag gehen herzliche Glückwünsche nach Finnland, wo Unto Heinonen seinen 75. Geburtstag feiert.

Unto ist uns Retrofreunden besonders als vielseitiger Komponist von Beweispartien bekannt, er ist aber auch sehr fleißig und erfolgreich im Bereich des Märchenschachs, wo er ein besonders produktiver Mitarbeiter der Augsburger Problemkiste war — allein dort sind über 1000 seiner Aufgaben erschienen.

Seine Beweispartien — die PDB enthält 190, von denen 58 in der Schwalbe erschienen sind — sind immer abwechslungsreich, zeichnen sich stets durch Originalität und Qualität aus. Nicht umsonst habe ich schon 15 seiner Stücke im der „Retro der Woche“ Rubrik veröffentlicht.

Heute möchte ich von Unto eine Synthese aus orthodoxer Beweispartie und Märchenschach vorstellen; viel Spaß beim Lösen!

Unto Heinonen
StrateGems 2001
Beweispartie in 8,5 Zügen — b) Beweispartie in 8 Zügen, Madrasi (14+12)

 

 

Und wie stets folgt die Lösung hier in etwa einer Woche.

Lösung

a) 1. g3 a5 2. g4 Ta6 3. g5 Td6 4. g6 Txd2 5. gxh7 g6 6. Sxd2 Lg7 7. Se4 Lf6 8. Sxf6+ exf6 9. hxg8=T+
b) 1. g4 g6 2. g5 h5 3. gxh6ep a5 4. h7 Lh6 5. hxg8=T Lxd2 6. Sxd2 Ta6 7. Se4 Tf6 8. Sxf6+ exf6

Sehr abwechslungsreiches Spiel!

Frohe Weihnachten 2021

Frohe Weihnachten
Schöni Wienacht
Merry Christmas
Zalig Kerstfeest
Feliz Navidad
Buon Natale
Joyeux Noël
З Рiздвом Христовым
С Рождеством
Христос се роди
メリークリスマス
圣诞节快乐
Glædelig Jul
Hyvää Joulua
God Jul

Euch allen wünsche ich ein frohes, ein schönes, ein ruhiges, ein friedliches und besinnliches Weihnachtsfest 2021!

Vielleicht habt ihr ja jetzt an den Feiertagen Zeit, Lust und Muße, zwischendurch eine hübsche kleine Retroaufgabe zu lösen?

Bengt Giöbel & Frithjof Lindgren
Eskilstuna-Kuriren 1948 (Verbesserung)
-1w, dann #2; b) alle Steine ein Feld nach rechts (10+2)

 

Viel Spaß dabei, und lasst euch dabei die Weihnachtsplätzchen schmecken! Die Auflösung gibt es wie immer in etwa einer Woche hier!

 

Und morgen, am 25.12., schaut hier unbedingt vorbei, da gibt es Bescherung!

Hier nun die Lösung:

Lösung

a) R 1.Ke1-d1 & vor: 1.O-O-O! Ke2 2.Td2#
b) R 1.Td1-b1 & vor: 1.O-O! Ke2 2.Tfe1#

Retro der Woche 51/2021

Nachdem ich vor drei Wochen hier den Fabel’schen Längenrekord von 1947 und letzte Woche dessen Überbietung von Michel Caillaud aus dem Jahre 1982 vorgestellt hatte, will ich heute die Geschichte der Beweispartie-Längenrekorde weitererzählen.

Karl-Heinz Bachmann verbesserte 1987 mit einigen technischen Kniffen in ähnlichem Schema den Rekord auf 48 Züge (P0002277) – und dann kam ein Riesensprung: Dimitri Pronkin und Andrej Frolkin schraubten den Rekord auf unglaubliche 57,5 Züge!

Das konnte natürlich nur mit einer gänzlich anderen Grundidee funktionieren, denn das Fabel-Schema hatten Caillaud und Bachmann großartig ausgeschöpft. Pronkin und Frolkin hatten die aberwitzig erscheinende Idee, das Thema mit einer Anhäufung von Umwandlungen anzugehen.

Dimitri Pronkin und Andrej Frolkin
Die Schwalbe 1989, Preis
Beweispartie in 57,5 Zügen (14+14)

 

Eine auf den ersten (und auch noch den zweiten und dritten) Blick schier unglaubliche Stellung mit jeweils acht Türmen – die beiden anderen Bauern müssen jeweils geschlagen werden, um Schneisen für die Umwandlungsbauern zu schaffen. Also nicht nur ein Längenrekord, sondern auch eine materialökonomische Aufgabe, die durch die Einheitlichkeit der Umwandlungen und die „aristokratische“ Stellung ohne Bauern nicht einfach „nur“ ein unglaublicher Rekord ist, sondern auch seine ästhetischen Reize hat.

Wie kann man die Aufgabe lösen?

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Thomas Rayner Dawson

Heute vor 70 Jahren, am 16. Dezember 1951, starb in London Thomas Rayner Dawson (* 28. November 1889 in Leeds). Dawson, der vielleicht kreativste Geist des Problemschachs, hat viele heute als selbstverständlich betrachtete Märchenbedingungen (z.B. Serienzüger, Längstzüger) und -steine (z.B. Grashüpfer, Nachtreiter, neutrale Steine) erfunden. Viele Bücher hat er geschrieben, war quasi Zeit seines Lebens Problemschach-Redakteur, beispielsweise beim Chess Amateur, The Problemist, Fairy Chess Review, British Chess Magazine. Darüber hinaus war er ein sehr produktiver Komponist — und ging „nebenbei“ auch einen seriösen Beruf (Chemiker in führender Position in der Kautschukindustrie) nach.

Gerade für uns Retrofreunde war er sehr produktiv: Bereits 1915 schrieb er mit Wolfgang Hundsdorfer Retrograde Analysis, DEN Klassiker der frühen Retro-Literatur. Auch in seinen anderen Büchern tauchen immer wieder prominent Themen der Retroanalyse auf. Besonders ist er für uns verbunden mit der Erfindung der Beweispartie sowie des Illegal Cluster.

Nun möchte ich euch einladen, ein nicht so bekanntes Illegal Cluster von Thomas Rayner Dawson zu seinem Gedenken „zwischendurch“ zu lösen.

Thomas Rayner Dawson
The Problemist 1933
Ergänze ttllbbb zu einem Illegal Cluster; b) sD nach h8 (1+2)

 

 

Und wie immer: Die Lösung folgt in etwa einer Woche hier.

Lösung

a) sTg7h6 sLg8h8, sBf7g6h5
b) sTg7g8, sLf8h7, sBe7f7g6

Zwei nicht auflösbare Käfige mit hübscher Zwillingsbildung.

Retro der Woche 50/2021

Vor zwei Wochen habe ich hier den berühmten Beweispartie-Längenrekord von Karl Fabel aus dem Jahr 1947 vorgestellt und dabei erwähnt, dass er 35 Jahre lang Bestand hatte. Dann musste ein junger Mann aus Frankreich kommen, der zur Zeit der Veröffentlichung von Fabels Rekord noch lange nicht geboren war, erst zehn Jahre später auf die Welt kam, sich dann aber sehr schnell als Riesentalent zeigte, der speziell die Beweispartie neben dem gleich alten (jungen — beide sind Jahrgang 1957) Andrej Frolkin und anderen Pionieren nach vorn, zu ihrer heutigen Blüte brachte: Michel Caillaud.

Michel Caillaud
Die Schwalbe 1982, 1. Preis, Karl Fabel zum Gedenken
Beweispartie in 47 Zügen (11+15)

 

Eine gewisse Ähnlichkeit weisen die beiden Stellungen schon im Diagramm auf: weißes Material auf der achten Reihe, schwarzes im Südwesten, ähnliche Bauernstrukturen; weitere Ähnlichkeiten werden wir entdecken, wenn wir uns die Lösung anschauen.

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WCCI 2019-2021 Ankündigung

Kürzlich wurde das WCCI (World Championship in Composing for Individuals) auf der WFCC-Seite angekündigt. Wie immer wird es in den acht üblichen Kategorien ausgerichtet; jeder ist eingeladen, zu diesen Kategorien vier bis sechs eigene Aufgaben per Mail im PDF-Format an den Turnierdirektor Valery Kopyl (email: v.kopyl(at)i.ua) bis zum 20.1.2022 einzusenden, die in den Jahren 2019 bis 2021 veröffentlicht worden sind; Gemeinschaftsaufgaben (das verrät schon das “I”) sind nicht zugelassen.

Die Aufgaben werden von fünf Richtern “wie beim Skispringen” wie im FIDE-Album bewertet, das beste und schlechteste Resultat wird gestrichen. Aufgaben, die acht Punkte und mehr erreichen, sind fürs Album vorqualifiziert. Die Richter der Retro-Abteilung sind: Dmitrij Baibikov (ISR), Vlaicu Crișan (ROU), Andrej Frolkin (UKR), Thierry Le Gleuher (CAN) und Vidmantas Satkus (LTU).

Schaut euch bitte die genauen Regeln auf der oben verlinkten Seite an; viel Erfolg wünsche ich euch bei dem Wettkampf!

Mario Richter 60

Heute feiert in Berlin Mario Richter seinen 60. Geburtstag. Lieber Mario, für dein neues Lebensjahr(zehnt) wünsche ich dir alles denkbar Gute — und heute einen schönen Feier-Tag!

Mario ist kein besonders fleißiger Komponist (die PDB enthält 51 Stücke von ihm, davon 50 Retros), sondern er tritt besonders hervor als profunder Löser, Prüfer, Kommentator und Preisrichter: Ich freue mich, ihn für die Jahre 2022-2024 für die „Mathematik/Sonstiges“ Rubrik der Schwalbe gewonnen zu haben.

Beim Prüfen lässt er sich oft von seinem selbst geschriebenen Programm „Rawbats“ unterstützen, das, wenn ich es richtig verstehe, sehr flexible Möglichkeiten zur Angabe heute so genannter „Constraints“ bietet, also aus der Stellung, aus Retroanalyse als sicher abgeleitete Einschränkungen der (Rück-)Zugmöglichkeiten. Auch wenn die so geprüften Aufgaben nicht im eigentlichen Sinne „C+“ sind, sondern „HC+“, also in Koproduktion von Mensch und Rechner geprüft, ist dies doch eine ungeheuere Hilfe, komplexe Retros (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) korrekt zu bekommen.

Das heutige Stück „für Zwischendurch“ entstand vor vielen Jahren per Mail bei Diskussionen um verschiedene Isardam-Rekorde. Hier ist die simple Frage, wie der weiße König in sein Gefängnis in der Ecke gelangen konnte? Wer sich an die Isardam-Regeln nicht mehr erinnert, schaut einfach ins Märchenlexikon der Schwalbe.

Mario Richter & Thomas Brand
Die Schwalbe 2008
Letzter Zug? Schwarz am Zug, Isardam (1+3)

 

 

Und wie immer: Die Lösung folgt in etwa einer Woche hier.

Lösung

R: 1.Kh2xLh1 S~xLf3++

Durch den doppelten Entschlag der Läufer (einmal schwarz, einmal weiß) wird das (orthodoxe) Schachgebot des schwarzen Turms neutralisiert: Schlüge der den weißen König, würden sich ja, was bei Isardam verboten ist, die beiden Läufer beobachten.