2025

Allen Retrofreunden wünsche ich
ein gutes und friedliches neues Jahr 2025!

Auch zu Beginn dieses neuen Jahres möchte ich wieder mit euch zusammen in der Geschichte der Retroanalyse 100 Jahre zurückblicken.

Nach dem begeisterten und begeisternden Start der Zeitschrift Die Schwalbe im August 1924 musste deren Erscheinen bereits nach acht Ausgaben mit dem Maiheft 1925 eingestellt werden. Rasch fand sie aber “Asyl” bei Funkschach, das besonders in der ersten Zeit einen extrem hohen Problemschach-Anteil enthielt, sodass dort die Schwalbe mehr Druckraum als zuvor in der eigenen Zeitschrift zur Verfügung hatte. Doch dies änderte sich jedoch bereits Ende des Jahres 1925, als Funkschach auch noch das Deutsche Wochenschach übernahm.

In Funkschach veröffentlichte der junge, aber schon als Retro-Fachmann etablierte Hans Klüver (4.3.1901–26.2.1989) die Korrektur einer Aufgabe, die er noch im Jahr 1924 in Die Schwalbe veröffentlicht hatte (die Schreibweise der Forderung habe ich buchstabengetreu aus Funkschach übernommen); dieses Stück möchte ich euch heute “für zwischendurch” ans Herz legen.

Hans Klüver
Funkschach 25.10.1925
Weiß nimmt zurück und setzt mat in 2 Zügen (13+12)

 

Wie üblich werde ich in etwa einer Woche hier die Lösung veröffentlichen.

 

Die Aufgabe ist die Korrektur einer im Februar 2025 noch in der Schwalbe veröffentlichten Aufgabe; Klüver hat wBg4 und sSh5 ergänzt.

Ich zitiere die Lösung wörtlich aus Funkschach vom 25.10.1925, S. 210:

Lösung

In der Diagrammstellung scheitert 1. e5-e6 an 0-0, denn der Wechsel ist noch möglich. Die für die drei schw. Bauernschlagfälle erforderlichenVerwandlungen der weißen Dame waren angängig, ohne die Wechselstellung zu verletzen. Es fehlen vier schw. Steine, die folgendermaßen geschlagen worden sein können: h4XTg5XBf6XDe7XLf8 (S oder L) Be2 hat sich ohne Schlagfall auf c8 verwandeln können. —
Lösung: Weiß nimmt zurück: a7-a8 (S)! Jetzt bedingt dieser Bauer allein schon zwei Schlagfälle, so daß sich der w. h-Bauer nunmehr nur über. f7 auf f8 verwandelt haben kann. Schwarz muß also seinen König bereits (aus dem Schach) gezogen haben, und 1. e5-e6 findet keine Parade mehr. – Das ausgezeichnete Problem hat einige Verführungen in Rückzügen, die den schw. Wechsel ebenfalls ausschalten, aber die Matführung behindern oder aus rechtläufigen Gründen verboten sind. 1. fg7: scheitert am 1.– Sf6. Die Möglichkeit von 0-0 zurück ist natürlich nur ein nebensächlicher Spaß!

Mit “Wechsel”, ihr habt es sicher bemerkt, ist schön eingedeutscht die Rochade gemeint.

Retro der Woche 01/2025

Nachdem wir uns in der letzten Woche mit dem ersten Preis der Abteilung B (Retraktoren und andere Typen) des Schwalbe-Retro-2022-Preisberichts beschäftigt hatten, möchte ich euch heute den ersten Preis der Abteilung A (Beweispartien) vorstellen. Und typisch für den Autor: Ein ziemlich kurzes, aber sehr inhaltsreiches Stück; das kann ich euch schon versprechen.

Reto Aschwanden
Die Schwalbe 2022, 1. Preis
Beweispartie in 18 Zügen (13+13)

 

Unsere übliche Zählung der sichtbaren Züge ist bei Weiß schon beendet, bevor sie begonnen hat (Homebase); Bei Schwarz sehen wir 3+2+2+3+2+6=18 Züge – alle sind erklärt!

Und damit können wir schon eine Menge von der Lösung erschließen: Auf alle Fälle sind die Züge der schwarzen zwei Läufer, der Dame und des Springers sowie aller schwarzen Bauern erklärt.

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Wiederholte Pronkins

Update 29.12.24: Kleiner Fehler in der Forderung der 2 korrigiert.

Wenn sich zwei Koryphäen wie Andriy Frolkin und Michel Caillaud zusammentun, um ein Thema zu erforschen, kann man hervorragende Ergebnisse erwarten. Und so auch hier:

Die beiden haben sich mit dem Pronkin-Thema beschäftigt: ein nicht allzu ungewöhnliches Thema — zumindest nicht in Beweispartien. Hier aber haben sie sich auf klassische Auflöse-Aufgaben konzentriert, und dabei auf die Darstellung des Themas so, dass der “Pronkin-Stein” sein Ursprungsfeld mehrfach betritt; dies ist auch in Beweispartien nicht allzu häufig zu sehen.

Auf dem Gebiet der klassischen Retroanalyse ist das Pronkin-Thema noch ziemlich wenig erforscht; irgendwann wurde beiden klar, dass das “intensivierte Pronkin-Thema” neue Horizonte öffnen könnte. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen stellen sie uns hier vor.

Andriy und Michel herzlichen Dank dafür — und euch allen viel Spaß beim lesen und studieren!

Champagne-Turnier 2024

Hinweis 23.12.2024: Endgültiger Bericht erneut korrigiert (1. Preis Abt. B)!

Der vorläufige Bericht vom Champagne-2024 Turnier musste noch einmal korrigiert werden; nun steht die endgültige Fassung zum Lesen, Herunterladen und Studieren bereit — Danke an Michel Caillaud!

Retro der Woche 52/2024

Neben den bekannten Typen „Proca“ und „Høeg“ gibt es noch eine dritte, recht seltene Art des Verteidigungsrückzügers: Den „Pacific Retractor“. Der hat erst einmal nichts mit dem Ozean zu tun, allerdings stammen beide Begriffe vom lateinischen „pax“ – Friede ab.

Der Lösungsverlauf eine Pacific Retractors ist völlig schlagfrei – im Rückspiel darf nicht entschlagen, im abschließenden Vorwärtsspiel nicht geschlagen werden. Damit passt er doch ganz hervorragend in die (hoffentlich friedliche!) Weihnachtszeit. Aktuell, im gerade erschienen Dezemberheft der Schwalbe, wurde ein Exemplar dieses seltenen Spezies mit dem ersten Preis im Informalturnier des Jahres 2022 ausgezeichnet; dieses Stück möchte ich euch gern vorstellen.

Vlaucu Crisan & Joaquim Crusats
Die Schwalbe 2022, 1. Preis
#1 vor 28 Zügen, Pacific Retractor (7+10)

 

Den zweizügigen Hauptplan zu finden ist nicht sonderlich schwer: die Halbbatterie sticht doch deutlich ins Auge. : R 1.Kd2-e2 e4-e3+ 2.Le2-d1 & 1.f4#?? Kh4! Wenn wir es schaffen, dieses Feld zu blocken oder zu decken, sind wir ja „schon“ fertig.

Das lässt sich mit R 1.Kd2-e2 e4-e3+ (1. Mal) 2.Ke3-d2 Le1-f2+ 3.Kd2-e3 Lf2-e1+ (2. Mal) 4.Ke3-d2 Le1-f2+ 5.Kd2-e3 e2-e1=L+ (wegen der Illegalität dreifacher Zugwiederholung erzwungen) 6.Ke1-d2 Th2-h1+ 7.Kf1-e1 e3-e2+ (1. Mal) 8.Ke2-f1 Th1-h2+ 9.Kf1-e2 Th2-h1+ (2. Mal) 10.Ke2-f1 Th1-h2+ 11.Kf1-e2 h2-h1=T+ (erzwungen) 12.Kg2-f1 h4-h3+ 13.Le2-d1 & 1.f4# – fertig!?

Aber Schwarz hat eine Vorwärtsverteidigung: 6.– Th2-h1+ & 1.– e:d1=D,T/1.– Da5# – also benötigen wir einen weiteren Vorplan, der diese Verteidigungsmöglichkeiten des Schwarzen verhindert, nämlich diese Matts ausschaltet.

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Retro der Woche 51/2024

In der letzten Woche hatte ich auch über das FIDE-Album 1992 – 1994 gesprochen mit der recht niedrigen Auswahl an Retros, speziell an Beweispartien. Die in diesem Album höchstbepunktete (4+4+2,5=10,5) Beweispartie habe ich hier noch nicht gezeigt; das will ich heute nachholen.

Unto Heinonen
Die Schwalbe 1993, Andrej Frolkin gewidmet, 4. Preis
Beweispartie in 26,5 Zügen (13+13)

 

Zählen wir zunächst einmal die sichtbaren Züge, auch wenn das nicht allzu viele sind: Bei Weiß sehen wir 0+0+3+0+1+2=6, bei Schwarz 3+0+2+2+1+3=11: Mal wieder erschreckend wenig; wenn wir allerdings uns auch die fehlenden Steine anschauen, können wir wieder Mut schöpfen: Bei Schwarz und bei Weiß fehlen jeweils genau drei Bauern – da kommen uns doch sofort Umwandlungen in den Sinn?

Betrachten wir also die Bauernstrukturen näher: Bei Schwarz sehen wir drei Schläge, nämlich e7xd6, ferner ist sBd5 der [Bb7] oder der [Bf7]. Bei Weiß ist ebenfalls exd3 klar, wBg3 kann allerdings [Bf2] oder [Bh2] sein. Können wir diese beiden „offenen Bauern“ schon näher bestimmen?

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Retro der Woche 50/2024

Die erste Hälfte der 1990-er Jahre war vielleicht eine (bisher) letzte Hoch-Zeit der klassischen Retroanalyse, bevor sie zunächst von Beweispartien, später dann auch von Märchenretros zumindest quantitativ in den Schatten gestellt wurde. Dass das nicht unbedingt eine Aussage über die Qualität heutiger klassischer Retros ist, zeigt sich immer wieder. Kleine Anregung: Schaut euch noch einmal den letzten Retro-Preisbericht von StrateGems zum Jahr 2022 an.

Der Eindruck eines Höhepunkts um diese Zeit wird vom Blick ins FIDE-Album 1992-1994 gestützt: 23 von (nur) 38 Retros in diesem Album sind orthodox, es folgen 13 Beweispartien und zwei Märchenretros. Auch wenn man die Aussagekraft dieser Gewichtung in Zweifel ziehen kann (zwei der Richter, nämlich André Hazebrouck und Nikita Plaksin, sind dediziert „orthodox“; dritter Richter war Michel Caillaud, Direktor Wolfgang Dittmann), so zeigt das Album natürlich sehr gute klassische Retros; eines davon möchte ich euch heute zeigen.

Thomas Volet
Phénix 1994, 1. Preis
Was war der letzte Schlagzug? (13+11)

 

Bevor wir uns Gedanken um den letzten Schlagfall mach, schauen wir erst einmal, welche Aussagen wir zu Schlagfällen allgemein machen können. Da sehen wir schnell, dass die fehlenden weißen Steine (Dame und die Türme) durch e7xf6 sowie hxg und gx7 verschwanden. Drei Schläge weißer Bauern sind auch sichtbar: e2xf3, fxg und c3xd4.

Dann fällt einem anschließend sofort die Bauernkonstellation auf dem Damenflügel auf.

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