Dittmann-Gedenkturnier

Ich hatte mir fest vorgenommen, bis zum (heutigen) ersten Todestag von Wolfgang Dittmann die Reihung des Preisberichts für sein Gedenkturnier abgeschlossen zu haben. Das ist mir gelungen, und so konnte ich am letzten Sonntag die Liste der geplanten Auszeichnungen an den Turnierdirektor Hans Gruber schicken.

Seitdem kenne ich auch die Namen der Autoren, und einige der für Auszeichnungen vorgesehenen Aufgaben habe ich (anonym natürlich!) zur weiteren Prüfung an einige VRZ-Spezialisten geschickt. Wenn ich deren Ergebnisse bekommen habe, werde ich den Preisbericht schnell erstellen können, auch Dank der perfekten Vorbereitung durch Hans Gruber.

Mit der Qualität der insgesamt 31 eingesendeten Aufgaben ich ich hoch zufrieden, und ich bin mir sicher, dass auch Wolfgang Dittmann seine Freude an den Einsendungen gehabt hätte. Nun will ich nur hoffen, dass nicht mehr allzu viele Inkorrektheiten festgestellt werden.

Ein neuer VRZ-Typ

Verteidigungsrückzüger kennt man in der Proca– und in der Høeg-Form (wenn wir jetzt einmal den „Märchen-VRZ“ vom Typ friedlich außer Acht lassen, der ja nichts anderes ist als „VZR, Ohneschlag“).

Nun sind Klaus Wenda und Andreas Thoma auf den Gedanken gekommen, diese beiden Typen zu verknüpfen — und damit haben sie den Typ Klan entwickelt. Die Entstehung des Namen ist nun sicher auch schon klar; hätten sie zur Namensgebung statt ihrer Vornamen ihre Nachnamen genommen, hieße der Typ nun vielleicht „Wetho“.

In einem Aufsatz (pdf-Datei) stellen sie diese Idee nun gleich mit einigen interessanten Aufgaben vor, und ich freue mich riesig, dass sie mir die Gelegenheit gegeben haben, den hier im Blog als Originalbeitrag zu veröffentlichen. Und nun seht ihr vielleicht auch, dass die ausführliche Beschäftigung mit dem VRZ Høeg im letzten Retro der Woche kein Zufall war?

Ich wünsche euch jedenfalls viel Freude an der Lektüre und hoffe, dass der eine oder andere sich nun mit dieser interessanten neuen Variante des Verteidigungsrückzügers beschäftigt. Klar, über gute Urdrucke für Die Schwalbe freue ich mich auch immer…

Nachtrag 23.8.2015:
Hier findet sich nun die 2. Auflage des Aufsatzes, in dem einige Unkorrektheiten behoben worden sind.

Retro der Woche 04/2015

Wir erinnern uns:

Bei den Verteidigungsrückzügern (VRZ) nehmen Weiß und Schwarz abwechselnd (selbstverständlich legale!) Züge zurück, wobei Weiß versucht, das anschließende “Vorwärts-Ziel”, meist ein Matt in einem Zug, zu erreichen, Schwarz dies aber durch geeignete Zugrücknahmen zu verhindern sucht.
Beim Typ Proca entscheidet die zurücknehmende Partei über mögliche Entschläge, beim Typ Høeg die andere.

So ist es hier im Lexikon definiert -– eigentlich eine einfache Sache.

Beide Arten der Verteidigungsrückzüger sind quasi gleichzeitig und unabhängig voneinander erfunden worden, nämlich Ende des Jahres 1923.

Die Definitionen der beiden Typen unterscheiden sich nur in einem einzigen Punkt. Dieser Unterschied führt jedoch zu ziemlich unterschiedlichen Strategien: Während beim Proca-VRZ jede Partei einen kompletten Zug zurücknimmt, schaut das beim Typ Høeg anders aus: Die am Zug befindliche Partei bestimmt nur den eigenen Stein, dessen Zug zurück gespielt werden soll, sowie dessen ursprüngliches Standfeld. Damit ist der Zug aber noch nicht abgeschlossen; dies erfolgt erst durch die Entscheidungen der Gegenseite!

Nun nämlich bestimmt die Gegenpartei (natürlich im Rahmen der Legalität der entstehenden Stellungen), ob diese Zugbewegung einen Schlagfall einschließen konnte oder gar musste. Beantwortet sich diese Frage mit JA, so entscheidet diese Partei, also die Gegenseite, welcher Stein seiner Farbe entschlagen wird. Falls kein Stein aus retroanalytischen Gründen entschlagen werden muss, sondern entschlagen werden kann, so kann sie sich auch entscheiden, keinen Stein einzusetzen.

Diesen Unterschied wollen wir uns anhand des Schemas anschauen, mit dem Niels Høeg seine Idee ursprünglich vorgestellt hat -– das Gedankenspiel, das wir nun vornehmen werden, stammt selbstverständlich nicht von ihm, da er den Typ Proca noch nicht kannte.

Niels Høeg
Eskilstuna-Kuriren 1418, 8.12.1923
-1 & #1,VRZ Høeg (4+3)

Weiß könnte sofort mattsetzen: mit 1.Lg5#, aber auch mit 1.Sf7#. Aber er muss ja zunächst einen Zug zurücknehmen, der natürlich unschädlich sein soll, also weiterhin eines der Satzmatts erhalten soll. Ein beliebiger Springer-Rückzug (z.B. R 1.Sb7-d8) würde Schwarz erlauben, auf d8 einen eigenen Läufer oder eine Dame einzusetzen, und Weiß kann nicht mattsetzen.

Nun erscheint etwa R 1.Le7-h4 ganz pfiffig, denn das behält doch beide Mattdrohungen aufrecht! Aber auch dagegen kann sich Schwarz verteidigen, indem er auf h4 nun einen schwarzen Turm oder eine schwarze Dame ergänzt, und Weiß muss sich nun in seinem Vorwärtszug um die Abwehr dieses Schachgebots kümmern, kann also nicht mattsetzen!

Also bleibt Weiß nur, eine Umwandlung in den Springer zurückzunehmen: R Bd7-d8=S (Schwarz kann nichts einsetzen, da dieser Zug garantiert schlagfrei gewesen ist) würde funktionieren, aber scheitert am Retropatt. R Bc7-d8=S ist im Prinzip wie die Rücknahme eines Springerzuges, Schwarz kann auf d8 also einen Läufer oder eine Dame ergänzen. Also löst nur R Be7-d8=S, und nun kann Schwarz eine beliebige eigene Figur auf d8 einsetzen: Keine verteidigt, so dass Weiß nun mit Lg5 mattsetzen kann.

Interpretiert man die Stellung als VRZ Proca, so könnte Weiß alle möglichen Rückzüge auch zurücknehmen und entweder nichts oder Unschädliches entschlagen, z.B. R Sb7-d8 oder auch R Le7:Sh4 (Entschlag ist erforderlich, da Schwarz sonst retropatt wäre).

Da sieht man schon deutliche Unterschiede!

Schauen wir uns nun die erste „richtige“ VRZ Høeg Aufgabe an:

Niels Høeg
Eskilstuna-Kuriren 1419, 8.12.1923
-2 & #1,VRZ Høeg (8+2)

Weiß nimmt die Turmumwandlung auf b8 zurück: Damit kann Schwarz nichts entschlagen bzw. einsetzen und hat nun genau vier Felder, von denen sein König in seinem letzten Zug kommen konnte.

Kam der schwarze König von a8, so ergänzt Weiß auf a7 einen weißen Läufer, nimmt b6-b7+ zurück und setzt mit Lc6 matt. (Übrigens kann Weiß nicht wBa7 ergänzen: Das wäre legal, aber dann kann er nicht mit b6-b7 das Schach aufheben (sondern nur mit c6xXb7+), da dies zu einer illegalen Bauernstellung führen würde!)

Wie notiert man nun die Lösung? Nun, das kann man machen wie bei allen anderen Retro-Aufgaben auch, also für diese Variante R 1.b7-b8=T Ka8:La7 2.b6-b7+ & vor: 1.Lc6#.

Aber Niels Høeg hatte eine andere Schreibweise vorgesehen und sie in seiner Schrift On Retraction Chess Problems (1927) so eingeführt: „The moves of retraction chess are written down in the form in which the reversed move of ordinary chess would have been written, and added men are stated in [].”

Er hat also bewusst eine abweichende Notation gegenüber der üblichen Retro-Notation, die auch damals schon verbreitet war, gewählt. Der Grund erscheint mir sehr gut und überzeugend: Während beim normalen Retro (und auch beim Proca-VRZ) der komplette Zug vollständig von der zurücknehmenden Partei bestimmt wird (wie im Partieschach), weicht der Høeg-Typ ja hiervon ab. Die zurücknehmende Seite bestimmt ja nur Ausgangs- und Zielfeld ihrer Rücknahme, aber damit ist der Zug ja noch nicht abgeschlossen, sondern dann entscheidet die andere Seite, ob und wenn ja was entschlagen worden sein soll.

Ich schlage allerdings runde Klammern vor, um bei möglichen (Anti-) Circe Aufgaben nicht mit den eckigen Klammern zu kollidieren, die dort ja das Versetzungsfeld angeben.

Damit können dann alle vier Varianten angegeben werden:

R 1.b7-b8=T Ka8-a7(L) 2.b6-b7+ & vor: 1.Lc6#; 1.– Kb8-a7(T) 2.Lc6-d7(beliebig) & vor: 1.Ta8#; 1.– Ka6-a7(L) 2.b6-b7 & vor: Lc8#; 1.—Kb6-a7(T) 2.c2-c3 (einziger neutraler Wartezug!) & vor: 1.b8=D#.

Schaut euch noch einmal genau an, weshalb andere Einsetzungen nicht gehen!

Auch wenn die Høeg-Retraktoren längst nicht so verbreitet sind wie ihre Kollegen vom Proca-Typ, so bin ich fest davon überzeugt, dass hier noch jede Menge zu entdecken ist –- auf dem orthodoxen Gebiet ebenso wie zusammen mit Märchenbedingungen!

Herzlichen Glückwunsch!

Heute gehen herzliche Geburtstags-Glückwünsche nach Wien an Klaus Wenda!

Für dein neues Lebensjahr wünsche ich dir auch im Namen der Leser alles Gute, Gesundheit, Freude am Problemschach — alles, was du dir selbst wünscht!

Es gibt in der Problemschachwelt nur ganz wenige, die so vielseitig, so engagiert unser Hobby fördern wie Klaus: Als hervorragender Komponist in den verschiedensten Bereichen vom (neudeutschen) Direktmatt über Selbstmatt und Märchenchach zur Retroanalyse, als Preisrichter, als Autor und Publizist, als Ehrenvorsitzender der internationalen Problemschachvereinigung.

Er ist als Impulsgeber, „Anschieber“ im Hintergrund und aktiver Unterstützer die treibende Kraft des feenschach-Redaktionsteams und auch diesem Blog hier aktiv verbunden; ich erinnere nur an seinen Beitrag zu Wolfgang Dittmanns 80. Geburtstag.

Seit reichlich zehn Jahren widmet er sich als Komponist hauptsächlich der Retroanalyse, nachdem er 2001 in feenschach die Beschäftigung mit Anticirce in der Retroanalyse angeregt hatte; Schaut doch zur Feier des Tages noch einmal in seinen Aufsatz Beckmesser versus Stolzing. Reflexionen zur Legalität unter der Anticirce-Bedingung. (feenschach Nr. 144, XI-XII/2001, S.275-277)

Daraus zitiere ich eines der Stücke, die den Boom bei den Anticirce Verteidigungsrückzügern auslöste, den sicherlich zu dem Zeitpunkt niemand auch nur ansatzweise vorhersehen konnte.

Klaus Wenda
KW-3v feenschach 2001, Lob
S#1 vor 2 Zügen, VRZ Proca, Anticirce Cheylan (6+3)

 

Lösung:
R 1.Ta7-a8! a4-a3/b3-b2 2.Ke7:Tf6 [Ke1] & v: 1.Te1+ K:a2 [Ke8]#
R1.a7-a8=T? ist illegal wegen des sBa3, R 1.Ta4,a5,a6-a8? scheitert an 1.– b3-b2! 2.Ke7:Tf6 [Ke1] & v: 1.Te1+ b:a2 [Ba7]!

Aus dem Preisbericht: „Dieses Problem war Auslöser der phantastischen Anticirce-Proca-Verteidigungsrückzüger-Renaissance, ein großes Verdienst.“

Retro der Woche 31/2014

Heute möchte ich mal wieder einen Verteidigungsrückzüger vorstellen. Ihr erinnert euch: Hier kooperieren Schwarz und Weiß nicht, wie sonst bei Retroaufgaben, ob das nun Beweispartien oder Auflösungs-Aufgaben sind; hier will Weiß ein Vorwärtsziel erreichen – und Schwarz verteidigt sich dagegen, versucht also, dieses Ziel zu verhindern, natürlich stets mit legalen Zugrücknahmen.

Natürlich muss man hier festlegen, wie Entschläge zurückgenommen werden, und hier gibt es zwei verschiedene Typen des Verteidigungsrückzügers: Bestimmt die Partei, die einen Zug zurücknimmt, auch das mögliche Schlagopfer der Gegenseite, so sprechen wir vom Typ Proca. Bestimmt hingegen die Gegenpartei, welcher ihrer eigenen Steine entschlagen wurde, so sprechen wir vom Typ Hoeg.

Zeno Proca und Niels Hoeg haben quasi gleichzeitig im Jahre 1924 die Idee zu Verteidigungsrückzügern gehabt, sie hatten aber unterschiedliche Ideen zum Entschlag.

 

Alexander Jarosch
diagrammes 1999, 4. Lob
#1 vor 4 Zügen, VRZ Proca (3+13)

 

Ähnlich wie bei direkten Mattaufgaben kann es sinnvoll sein zu überlegen, welcher weiße Stein denn matt setzen könne?

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Dittmann Gedenkturnier

Am Wochenende, direkt nach dem Einsendeschluss, habe ich von Turnierdirektor Hans Gruber auf anonymisierten, vereinheitlichten Diagrammen die Einsendungen zum Wolfgang-Dittmann-Gedenkturnier von feenschach und Die Schwalbe, das ja als Geburtstagsturnier ausgeschrieben war, erhalten.

Gefreut habe ich mich über die Anzahl von 31 Einsendungen für dieses schwierige und recht spezielle Thema (neudeutsche Verteidigungsrückzüger); eine erste ganz grobe Durchsicht lässt mich die Qualität als erfreulich hoch einschätzen.

Natürlich überwiegen die heute sehr modernen Anticirce Procas, mit denen sich ja gerade Wolfgang Dittmann intensiv beschäftigt hatte, aber erfreulicherweise finden sich auch andere Forderungen: Hoeg-Rückzüger ebenso wie friedliche Rückzüger, orthodoxe Stücke und auch welche mit ganz anderen Märchenbedingungen.

Sicherlich wird es recht schwer, das Turnier zu richten: Viel lieber hätte ich dies selbstverständlich gemeinsam mit Wolfgang Dittmann gemacht. Aber ich freue mich nun darauf, es hoffentlich in Wolfgangs Sinne zu richten.

Wolfgang Dittmann zum Gedenken — Neufassung

Am 10. Februar hatten Andrej Frolkin und Joaquim Crusats hier eine Originalaufgabe zum Gedenken an Wolfgang Dittmann veröffentlicht, die von Mario Richter gekocht wurde — dazu schrieben die Autoren: “We are grateful to Mario Richter for reporting a cook in a previous version of the problem.”

Nun legen die beiden eine Neufassung vor, für die ich ganz herzliche “Danke!” sage — und die ich euch zum Lösen und erneuten Prüfen wieder ans Herz legen möchte.

 

Andrej Frolkin und Joaquim Crusats
Original – Prof. Dr. Wolfgang Dittmann zum Gedenken
#1 vor 10 Zügen, Verteidigungsrückzüger Typ Proca (14+11)

 

Der Hauptplan ist wieder R 1.O-O-O & v. 1.Txa2#, doch das geht noch nicht, da Schwarz zunächst auf e1 entwandeln muss.

Damit ist dann die intendierte Lösung:

R: 1.Lf4-e5 g3-g2 2.h4-h5 g4-g3 3.h5-h6 g5-g4 4.Te3-e4 g6-g5 5.g3xSh4 Sg2-h4 6.h4-h5 Se1-g2 7.g3-g4 e2-e1=S 8.Le5-f4 (Rückkehr) f4-f3 9.Te4-e3 (Rückkehr) e3-e2 10.0-0-0 & v. 1.Txa2#.

Die Autoren merken noch zwei Punkte zur Lösung an:

White’s moves do not transpose on account that Black can only retract hxg if g is a white square.

The wB switchback is needed to prevent forward defenses by the bQ when there is a bP on e3.

Nun hoffe ich, dass dieses Mal alles OK bleibt!?

Schwalbe und feenschach

Heute, am 25. März, hatte ich schon das April-Heft der Schwalbe im Briefkasten — und nicht nur das: Auch zwei feenschach-Hefte (f-204 und f-205) waren dabei!

Alle drei Hefte bieten großartigen Lese- und Lösestoff für uns Retrofreunde; nur ein paar Artikel möchte ich besonders erwähnen:

In der Schwalbe ein Einführungsartikel zu Anticirce-Procas von Andreas Thoma sowie der Beitrag von Bern Schwarzkopf zu Tempoverlustspielen; in feenschach zum Beispiel ein Artikel über eine Aufgabe von Karl Fabel, Preisbericht und Artikel zu A→B-Schach, zu Basisplänen in logischen VRZ-Procas, zu elsässischen Beweispartien — und bereits der Preisbericht zu den 2012er feenschach-Retro-Urdrucken.

Jede Menge interessante Themen also — viel Spaß!