Retro der Woche 28/2019

Ich bleibe auch diese Woche beim Retro-Preisbericht für 2017 aus StrateGems: In der letzten Woche hatte ich den 2. Preis der Beweispartie-Abteilung vorgestellt, heute ist der (einzige) Preis der (sonstige) Retros-Abteilung an der Reihe.

Recht typisch für die aktuelle Situation bei Nicht-Beweispartie-Retros ist, dass hier Anticirce-Verteidigungsrückzüger dominant sind: Sie erhielten in diesem Bericht vier der fünf Auszeichnungen.

Dmitrij Baibikov
StrateGems 2017, 1. Preis
-38 & #1, VRZ Proca Anticirce (1+4)

 

Wir erinnern uns: Bei Anticirce verschwindet bei einem Schlag das Opfer; der Täter hingegen wird auf seinem Partieanfangsfeld circensisch wiedergeboren. Damit kann hier der weiße König den schwarzen im direkten Kontakt mattsetzen, wenn e1 frei (für die Rücksetzung, damit überhaupt ein Schachgebot vorliegt) und e8 besetzt ist (ansonsten wäre das ein illegales Selbstschach des weißen Königs, der dann ja selbst geschlagen werden könnte) –- und der schwarze König natürlich kein Fluchtfeld hat.

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Retro der Woche 23/2019

Heute möchte ich euch einen besonderen Verteidigungsrückzüger (VRZ) vorstellen und dabei mit euch einen Blick über den Zaun werfen: Natürlich gibt es die Übertragung verschiedener Themen aus „Vorwärts-Problemen“ in den VRZ schon lange und vielfach. Die Übertragung moderner, zyklischer Zweizügerthematik in den VRZ dürfte hingegen neu sein – zumindest, wenn dabei auch retroanalytische Überlegungen eine gewichtige Rolle spielen.

Joaquim Crusats
Problemas 2018
-2 & #1, VRZ Proca (15+9)

 

Beginnen wir wie üblich mit den Schlagbilanzen: Bei Weiß fehlt ein Turm, und der wurde auf der b-Linie geschlagen – ob nun vom [Ba7] oder vom [Bc7], wissen wir nicht.

Weiß hat selbst sieben Bauernschläge durchgeführt, nämlich einerseits axb, und andererseits haben die beiden Doppelbauern auf der e- und der h-Linie insgesamt sechsmal geschlagen: sie kommen von c2 und d2.

Damit sind alle fehlenden Steine erklärt.

Aber wie kann Weiß vor zwei Zügen Matt gegeben haben, was kann er drohen?

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Retro der Woche 19/2019

Nachdem ich hier vor vier Wochen den 2. Preis des Retro-Jahresturniers 2016 der Schwalbe (eine klassische Auflöse-Aufgabe) und in der letzten Woche den 1. Preis (eine Beweispartie) vorgestellt hatte, komme ich nun zum 4. Preis dieses Turniers, einem bemerkenswerten Verteidigungsrückzüger.

Günther Weeth & Werner Keym
Die Schwalbe 2016, Bernd Schwarzkopf zum 70. Geburtstag, 4. Preis
#1 vor 10 Zügen, VRZ Proca (14+8)

 

Hier möchte ich einmal mit Löserkommentaren beginnen, auch wenn ich damit schon einen Teil der Lösung verrate:

Klaus Wenda schrieb dazu: „Die Stellungsauflösung zeigt retroanalytischen Tiefgang und die Entschläge durch den wT sind geistreich begründet und erfordern genaue Analyse. Orthodoxe VRZ dieses Kalibers werden auch in Zukunft eine interessante Bereicherung des Retro-Schachs bilden, ohne dass man auf Märchenbedingungen zurückgreifen müsste.“

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Retro der Woche 17/2019

In der letzten Woche hatte ich hier den 1. Preis der „Beweispartie“-Abteilung des Brand & Gräfrath-120-Geburtstagsturniers, (klassische Retros bzw. Beweispartien ohne Bauernumwandlungen) vorgestellt, nun ist der erste Preis der allgemeinen Abteilung an der Reihe: Ebenfalls, wie Bernd Gräfrath und ich beide meinen, ein „starkes Stück“.

Michel Caillaud
TBBG-120 Turnier 2019, 1. Preis, Abt. A
#1 vor 15 Zügen, VRZ Proca (12+9)

 

Wir erinnern uns: Beim Verteidigungsrückzüger nehmen beide Seiten (natürlich nur legale) Züge zurück; dabei versucht Weiß gegen schwarze Gegenwehr eine Stellung von n Zügen (hier also vor 15) zu erreichen, in der er die „Vorwärtsforderung“ (hier also Matt in einem Zug) erfüllen kann.

Schauen wir uns zunächst einmal die sichtbaren Schläge an: Wir sehen, dass Schwarz alle vier fehlenden Steine (jeweils zwei Läufer und Springer) mit Bauern geschlagen hat: Zweimal fxg, dazu exf und dxe; Schwarz kann also im Moment nicht irgendeinen fehlenden weißen Stein entschlagen. Hingegen ist nur weißer Schlag ist sichtbar: bxc.

Wenn Weiß den schwarzen König nach h2 zwingen könnte, wäre er am Ziel: dann ginge R Tf1-f2 & v: Dxg3#.

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Verlängerung 4. Retroblog-TT

Auf Wunsch mehrerer Autoren haben Andreas Thoma und ich den Einsendeschluss für das 4. Retroblog-Thematurnier auf den

30. September 2019

verschoben. Ihr habt also noch mehr Zeit, gute und interessante Aufgaben zu bauen; Andreas und ich freuen uns über eure Beteiligung!

Retro der Woche 11/2019

Zunächst noch eine Bemerkung zum Retro der letzten Woche: Ganz herzlichen Dank für die lebhafte Diskussion zum Thema „Korrektheitsvermutung“ – und, obgleich ich es sehr traurig finde, dass sie gekocht wurde, für Arnolds Cook. Besser jetzt gekocht als kaputt mit sicherlich hoher Punktzahl ins Album gekommen…

Heute möchte ich euch mal wieder einen Verteidigungsrückzüger zeigen, zu dem ich als Preisrichter geschrieben hatte: „Leicht, locker, witzig – ein tolles Proca-Werbestück!“ Damit wollte ich nicht etwa sagen, dass die Lösung direkt offensichtlich ist…

Michel Caillaud
Wolfgang-Dittmann-Gedenkturnier 2015, 2. Lob
#1 vor 16 Zügen, VRZ Proca (12+5)

 

Wir erinnern uns: Beim Verteidigungsrückzüger versucht Weiß, die Vorwärtsforderung in der angegebenen (Rück-)Zügezahl zu erfüllen, Schwarz verteidigt sich dagegen, darf allerdings natürlich nur legale Züge zurücknehmen. Beim Typ „Proca“ entscheidet die gerade zurücknehmende Partei, ob ihr Rücknahmezug einen Entschlag beinhaltet und welcher Stein entschlagen wird; auch hierbei sind beide Seiten natürlich an die Legalität der entstehenden Stellung gebunden.

Mit welchem Stein könnte Weiß eigentlich mattsetzen? Natürlich bietet sich ein Matt mittels Sf2 an, aber wo soll der Springer herkommen? Weiß müsste Schwarz zwingen, den zu entschlagen, auch wenn er vielleicht anders lieber entschlüge -– und zwingen können wir ihn über die Legalität!

Aber betrachten wir zunächst einmal die Ausgangsstellung: Bei Weiß fehlen [Th1], beide Springer sowie [Bd2].

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Retro der Woche 04/2019

Vor einigen Tagen erhielt ich das Phénix Heft mit meinem Retro-Preisbericht 2015-2016. Aus dem Bereich der „klassischen Retros“ hatte ich hier bereits den 1. Preis und den 3. Preis gezeigt; heute möchte ich euch einen Verteidigungsrückzüger aus diesem Turnier vorstellen.

Andrej Frolkin & Joaquim Crusats
Phénix 2015-2016, 3. ehrende Erwähnung
-9 & #1, VRZ Proca (13+13)

 

Beim Verteidigungsrückzüger versucht Weiß die Vorwärtsforderung (hier: Matt in einem Zug) zu erfüllen, spätestens nachdem die angegebene Anzahl von Rückzügen gemacht worden ist; Schwarz versucht sich gegen das weiße Ziel (natürlich nur mit legalen Rückzügen) zu wehren. Beim Typ Proca bestimmt die rückziehende Seite, ob und welcher Entschlag mit der Rücknahme verbunden war; auch hier sind natürlich nur legale Entschläge gestattet.

Was haben Autoren, Löser und Preisrichter nur übersehen? Das lässt sich doch direkt in einem Zug lösen: R: 0-0-0 & vor: 1.Txa2#. Obwohl: Konnten die hochklassigen Autoren das übersehen? Und auch der Preisrichter? Vielleicht lohnt es, die Stellung genauer zu betrachten…

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ChessProblems.ca

Die von Cornel Pacurar herausgegebene kanadische Online-Zeitung ChessProblems.ca beschäftigt sich überwiegend mit Serienzügern, bietet aber uns Retrofreunden auch immer wieder interessante Beiträge.

In der neuesten Ausgabe finden sich auf 45 Seiten unter Anderem Aufsätze über Anticirce-Verteidigungsrückzüger mit der (recht wilden) Zusatzbedingungn “Assassin” von Vlaicu Crişan sowie drei “Neujahrs-Rebusse” (ja, ich habe extra im Duden nachgeschaut: Der Plural von “Rebus” ist wirklich “Rebusse” …) von Jeff Coakley und Andrej Frolkin.

Viele Spaß beim Lesen und Lösen!