Retro der Woche 34/2023

Und noch ein Stück aus der Zeit kurz vor der Jahrtausendwende: Heute eine unscheinbar wirkende Beweispartie von Michel Caillaud, die aber — bei dem Autor nicht anders zu erwarten — mit ein paar Überraschungen aufwartet.

Michel Caillaud
StrateGems 2000, 4. Preis
Beweispartie in 18,5 Zügen (15+15)

 

Betrachten wir das Diagramm, so stellen wir fest, dass die beiden e-Bauern fehlen. „Na ja, der schwarze Bauer wurde im letzten Zug mit Schach geschlagen, und der weiße verschwand irgendwo auf der e-Linie offenbar durch einen der schwarzen Springer!“ Könnte man meinen – und damit läge man reichlich schief! Woran kann man das sehr gut sehen? Dazu sollten wir uns überlegen, was Schwarz eigentlich in der Partie ziehen konnte?

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Einbeck-Programm

Das sehr interessante Programm für die diesjährige Schwalbe-Tagung vom 29.9. bis zum 1.10.2023 in Einbeck, das jedem eine Menge bietet, steht nun!

Wer noch Beiträge zum Programm liefern oder gar noch kurzentschlossen teilnehmen möchte, wendet sich am besten per Mail an den Organisator Achim Schöneberg (jas.schoeneberg(at)t-online.de).

Retro der Woche 33/2023

Ein klassisches Retro mit der Frage nach den eindeutigen letzten Zügen möchte ich euch noch aus der kleinen feenschach-Parade zeigen.

Diese Aufgabenstellung finde ich auch deswegen so attraktiv, weil da ganz genau klar ist, was gefordert ist, ohne dass erst einmal durch die Forderung schon etwas verraten oder auch verschleiert wird.

Gerald Ettl ist in Deutschland ein besonders aktiver Spezialist für diesen Aufgabentyp – dass er das schon lange ist, zeigt er mit dem heutigen Stück.

Gerald Ettl
feenschach 1999, 1. ehrende Erwähnung
Welches waren die letzten 22 Einzelzüge? (13+12)

 

Zunächst stellen wir fest, dass keiner der Könige im Schach steht, wir also auch herausfinden müssen, wer mit der Rücknahme beginnt. Ferner müssen wir berücksichtigen, dass (mindestens) zwei Umwandlungssteine auf dem Brett stehen: eine weiße Dame und ein schwarzer weißfeldriger Läufer – nämlich der auf h1.

Schwarz benötigt für seine Bauernstruktur alle drei Schläge, sodass die weiße Bilanz ausgeglichen ist. Weiß benötigt zwei Schläge, um den [Ba7] nach a3 oder a2 zu lassen – deswegen kann wBd6 auch nicht der [Bh2] sein. Der hingegen muss sich in die zweite weiße Dame umgewandelt haben, wofür er einen Schlag brauchte. Er musste ja an [Bh7] vorbeikommen. Damit bleibt Weiß noch ein Schlag übrig, den er z.B. nutzen kann, um Schwarz Züge zu ermöglichen.

Damit sind wir dann auch schon bei der Frage nach dem Anzug, nach der generellen Auflöse-Strategie.

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Champagne-Turnier 2023

Traditionell wird zum WCCC das (Retro-) Champagne-Turnier ausgeschrieben: In diesem Jahr fordert das Thema zum Gedenken an Marco Bonavoglia die Beschäftigung mimt Rochaden (echten, vorgetäuschten, illegalen, märchenhaften, —) in zwei Abteilungen: Beweispartien und andere Retros. Märchenbedingungen sind zugelassen, aber keine Märchenfiguren.

Einsendungen (mit bestimmten Mengenbeschränkungen) an Eric Pichouron bis zum 5. September 20:00 Uhr per Mail: chesschampagne(at)gmail.com; Richter ist Michel Caillaud.

Details findet ihr natürlich in der Ausschreibung!

Stelvio 1.5

Reto Aschwanden hat die Version 1.5 seine Beweispartie-Prüfprogramms Stelvio veröffentlicht, die wegen meines Urlaubs zwei Tage hier gelegen hat. Ihr könnt sie wie immer von der Stelvio-Seite herunterladen!

Eine Menge Verbesserungen (Beschleunigungen, weniger Speicherbedarf) “unter der Motorhaube” gibt es. Das führt dazu, dass die Beweispartie in 58,5 Zügen in den ersten 51 Zügen in realistischer Zeit geprüft werden kann — danach allerdings “explodiert” der Suchbaum. aber “51 Züge” ist schon ein Wort: Davon hätte man bis vor Kurzem nicht einmal zu träumen gewagt …

Retro der Woche 32/2023

Natürlich können wir nicht über Retros in feenschach reden, ohne auch experimentelle Märchen-Retros zu betrachten. Ausgesucht habe ich für euch eine Aufgabe von Manfred Rittirsch, die wahrscheinlich erstmals die Nutzung der Märchenbedingung Isardam in einer Beweispartie zeigt. Gut zehn Jahre später würde diese Kombination intensiver untersucht.

Hier die Definition von Isardam aus dem Schwalbe-Lexikon:

„Es sind solche Züge illegal, die dazu führen, dass ein Stein einen gegnerischen Stein der gleichen Art beobachtet. Ein König steht daher nicht im Schach, wenn durch den virtuellen Schlag des Königs ein Stein einen gegnerischen Stein der gleichen Art beobachten oder von einem solchen beobachtet werden würde.“

Das erklärt auch den Namen: Es ist quasi das Gegenteil von Madrasi, wo sich gegnerische Steine gleicher Art, die sich beobachten, lähmen — „Isardam“ ist also „Madrasi rückwärts“.

Manfred Rittirsch
feenschach 1999
Beweispartie in 15 Zügen, Isardam (11+14)

 

Aus meiner Sicht ist diese Aufgabe ganz typisch für viele Erstdarstellungen einer Märchenbedingung mit einer dafür neuen Forderung: Häufig auf einen besonders spektakulären Zug konzentriert — und so ist es hier auch! Ich will schon einmal verraten, dass die ersten 11,5 Züge komplett orthodox sind — als ob dann beim zwölften Zug Schwarz einfiele, dass es doch noch eine Bedingung gebe…

Dennoch hilft uns die Bedingung auch schon vorher für die erste Analyse:

Bei Weiß fehlen drei Bauern, ein Turm und [Lc1]; Schwarz hat aber bereits drei Doppelbauern. Was ist daran so bemerkenswert??

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Günter Lauinger 75

Herzliche Glückwünsche gehen heute nach Ravensburg, wo Günter Lauinger heute sein drittes Lebensvierteljahrhundert vollendet.

Beruflich war er in der Luft- und Raumfahrt tätig, pflegt(e) sehr viele interessante Hobbys, von denen Problemschach, speziell die Retroanalyse einen ganz besonderen Platz einnehmen: Nicht einmal durch so viele Aufgaben, die er komponiert hat (die PDB zählt 68, davon 60 Retros, davon viele Märchen-Lastmover), sondern durch seine herausragende Leistung als Retro-Sachbearbeiter der Schwalbe von Heft 43 (II/1977) bis Heft 230 (IV/2008), also über weit mehr als 30 Jahre, in denen er die Retro-Rubrik der Schwalbe sicherlich zur Nummer eins in der Welt machte.

Erinnert sei auch an die beiden Schwalbe-Treffen, die er zu Beginn (1977) und zum Ende (2009) seiner Sachbearbeiter-Tätigkeit in Ravensburg organisiert hatte. Bei der ersten war ich noch nicht dabei, die zweite habe ich in bester Erinnerung, wenn ich mal von der schrecklichen Stau-Anreise absehe …

Lieber Günter, für dein neues Lebensjahr wünsche ich dir von Herzen alles Gute — und heute lass dich toll feiern!

„Für zwischendurch“ zeige ich euch einen hübschen Høeg-Retraktor (die Gegenseite bestimmt, ob und was entschlagen wurde) von Günter, der sicherlich gar nicht so schwer zu lösen ist: Irgendwie muss ja der weiße König nach e1 geführt werden! Aber gerade beim Typ Høeg ist es immer spannend, weshalb andere Schläge nicht funktionieren …

Günter Lauinger
feenschach 1979
Rochade vor 3 Zügen, VRZ Høeg (9+8)

 

Die Lösung findet ihr wie immer in etwa einer Woche hier!

 

Lösung

R: 1.Kf2xSf1 (Schwarz muss einen Springer ergänzen, um das Läuferschach erklären zu können) 1.– Sg3-f1+ (Weiß ergänzt nichts, da er die Linie e1-h1 freihalten will) 2.Kf1 (Schwarz kann nun keinen Läufer einsetzen, da bereits Lh4 ein Umwandlungsläufer ist: Zwei Umwandlungsläufer lassen sich nicht erklären) 2.– Se4xBg3+ 3.Ke1-f1 (wegen der Bauern-Ergänzung zuvor kann nun Schwarz wegen der Schlagbilanz keinen Stein auf f1 einsetzen) & vor 1.O-O!

Retro der Woche 31/2023

Bleiben wir in dieser und den kommenden Wochen noch bei feenschach-Retrobeispielen aus der Zeit der Jahrtausendwende.

feenschach ist dafür bekannt, dass dort auch orthodoxe, aber unkonventionelle Aufgaben gut erscheinen können — „nur“ Märchenschach ist dort trotz des Namens gar nicht erforderlich.

Hier stellt uns Michel Caillaud eine Aufgabe mit sehr ungewöhnlicher Zwillingsbildung vor: Üblich ist ja, entweder mehr als eine Lösung für die gleiche Stellung ohne Änderungen zu fordern, und der Unterschied liegt dann meist schon im ersten Zug — oder halt eine Stellungsänderung.

Michel Caillaud
feenschach 2000
Beweispartie in 15 Zügen, zwei Varianten im 5. weißen Zug (14+14)

 

In dieser Aufgabe haben wir nun den Fall, dass die ersten vier Züge völlig identisch sind, dann quasi zwei Varianten entstehen. In einer Notation, die sich hauptsächlich für Hilfsmatts, aber auch allgemein fürs Hilfsspiel durchgesetzt hat, würde man notieren: 1.1;1.1;1.1;1.1;2.1;1…

Damit wird für jede „Zählstelle“ der einzelnen Züge angegeben, wie viele verschiedene vorgesehen sind: Hier sind es im 5. weißen Zug zwei mögliche, und danach geht es dann eindeutig weiter, das Spiel verzweigt sich dort also.

Interessant wird dann zu beobachten sein, wie sich die beiden Varianten zueinander verhalten, ob es inhaltliche oder formale Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede gibt. Bei Beweispartie-Mehrlingen lässt es sich ja generell nicht vermeiden, dass eine Menge Züge in den Varianten gleich sind. Hier ist das etwa für den Weg des schwarzen Königs und auch des weißen Springers zu erwarten.

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