Retro der Woche 07/2025

Bleiben wir noch ein wenig bei den ziemlich aktuellen Aufgaben, die zum WCCI 2022 bis 2024 eingesendet worden sind. Alle Aufgaben sind übrigens zum Anschauen über die WFCC-Seite abrufbar.

Die heutige Beweispartie, die ich herausgesucht habe, ist nicht besonders lang, aber es ist auch nicht viel direkt aus der Stellung zu erkennen. Bei Weiß fehlt ein Bauer, bei Schwarz ein Turm.

Ofer Comay
The Problemist 2023
Beweispartie in 17 Zügen (15+15)

 

Bei Weiß fehlt ein Bauer, bei Schwarz ein Turm. Sichtbar ist nur der Schlag axb6 – also nichts einfacher als das: sTb6 axb6 axb6, und alle Schläge sind erklärt. Ganz so einfach ist es aber doch nicht, wenn wir versuchen, [sTh8] nach b6 zu spielen, denn [sTa8] ist ja zu dieser Zeit noch eingeklemmt, kann sich also keinesfalls auf b6 opfern. Schnell sehen wir, dass Th8 seine Heimat im Norden gar nicht verlassen konnte!

Also steht auf b6 gar kein schwarzes Schlagopfer zur Verfügung, also funktioniert auch unser Bauern-Trick nicht. Also muss sich irgendein weißer Offizier auf b6 geopfert haben, der wurde durch den umgewandelten weißen a-Bauern ersetzt, und [Th8] starb, wie wir schon gesehen haben, im hohen Norden.

Zählen wir einmal die offensichtlichen Züge: Bei Schwarz sind das, Rochade voraussetzend, 2+3+2+2+2+2=13, bei Weiß sehen wir 0+3+1+3+0+1=8 – holla, das ist erschreckend! Doch wir wissen ja, dass Weiß umgewandelt hat, damit haben wir mindestens noch fünf Züge des [wBa2]. aber auch damit kommen wir nur auf 13. Dennoch sind auf beiden Seiten noch vier Züge frei?!

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Retro der Woche 04/2025

In der letzten Woche musste ich leider die Präsentation ausgezeichneter Aufgaben aus dem Retro-Preisbericht der Schwalbe 2022 aus aktuellem, traurigen Anlass unterbrechen; heute will ich sie nun fortsetzen mit einem sehr Lösefreundlichen Stück; ich lade euch jetzt schon explizit ein, das selbst zu lösen. So schrieb Preisrichter Richard Dunn dazu: „Ein reizvolles Problem und nicht allzu schwer zu lösen.“

Bernd Gräfrath
Die Schwalbe 2022, 1. ehrende Erwähnung, Yoav Ben-Zwi zum Gedenken
Beweispartie in 14,5 Zügen (14+15)

 

Sehr auffällig sind die fehlenden Steine: Bei Weiß fehlen die beiden Läufer, die wegen der Bauernstruktur nur zu Hause geschlagen worden sein können, und bei Schwarz fehlt „weit ab vom Schuss“ der a-Bauer, der auf seiner Linie geschlagen sein musste, da für ihn ja kein Schlagopfer zur Verfügung steht.

Bei Schwarz sehen wir im Diagramm nur vier Züge – zehn sind also frei! Aber wir wissen ja, dass beide weißen Läufer verschwinden müssen, und das benötigt einige Zeit. Es stehen ja auch zehn Züge dafür zur Verfügung – aber so viel ist das gar nicht?!

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Retro der Woche 26/2024

Kürzlich ist in Variantim der Preisbericht zum ersten Israel-Ring-Turnier für Beweispartien der Jahrgänge 2022 und 2023 erschienen. Preisrichter Andrej Frolkin konnte nur elf Originale beurteilen, war aber von deren Gesamtqualität angetan. Bemerkenswert, dass auch Märchen-Beweispartien zugelassen waren, die Andrej gemeinsam mit den „orthodoxen“ beurteilte.

Den zweiten Preisträger dieses Turniers möchte ich euch heute gern vorstellen.

Michel Caillaud
Variantim 2022-2023, 2. Preis im IRT
Beweispartie in 17,5 Zügen, Weiß und Schwarz müssen schlagen (15+16)

 

Das Zählen der sichtbaren Züge bringt uns nicht viel weiter: Wir sehen sechs Züge von Schwarz, gar nur drei Züge von Weiß!

Der einzig fehlende Stein, ein weißer Turm, wurde auch nicht von einem Bauern geschlagen, da ja alle Bauern auf „ihrer Linie“ stehen. Das aber kann uns eine Hilfe sein, um erst einmal eine Strategie für unsere mögliche Lösung zu finden.

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Retro der Woche 04/2024

Am letzten Sonntag habe ich hier den dritten Preis der „klassischen Retros“ im Schwalbe Informalturnier 2003 gezeigt. Gern möchte ich bei diesem Bericht noch bleiben: Heute steht der erste Preisträger der Beweispartien auf dem Programm. Um die Spannung ein wenig zu steigern: Diese Aufgabe ist mit 11 Punkten ins FIDE-Album gelangt – hier könnt ihr also eine Menge erwarten!

Gerd Wilts
Die Schwalbe 2003, Michel Caillaud gewidmet, 1. Preis
Beweispartie in 23,5 Zügen (13+16)

 

Schwarz hat noch alle Mann an Bord, während bei Weiß drei Steine fehlen: [Ba2], [Bg2] und[Lc1]. Das lässt viel Spielraum übrig. Erschreckend auch die Feststellung, dass nur drei weiße Züge sichtbar sind. Bei Schwarz schaut es schon optisch deutlich besser aus, bevor wir aber sinnvoll Züge zählen können, müssen wir ein paar Überlegungen anstellen.

So muss [Sg8] den [Th8] herausgelassen haben, sodass wir zumindest fünf Springerzüge erwarten müssen. Natürlich scheint Ba7-a5 am Zug-sparsamsten zu sein, das ist hier aber nicht der Fall:

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Retro der Woche 41/2023

Vor einigen Tagen hatte ich hier bereits auf den nun vollständigen Preisbericht zum Champagne-Turnier 2023 hingewiesen. Das Ergebnis wurde bereits auf dem WCCC in Batumi bekanntgegeben, die Schriftfassung ließ aus verschiedenen Gründen etwas auf sich warten und konnte so auch ein paar notwendige Korrekturen berücksichtigen.
Gefordert waren Rochade-Retros, auch Märchenelemente waren zugelassen. Und so gewann Dirk Borst den ersten Preis in der Beweispartien-Abteilung mit der Zusatzbedingung “Circe Rex Inclusive”.

Heute möchte ich den zweiten Preis vorstellen, eine wie ich finde sehr bemerkenswerte Darstellung einer Pseudo-Rochade aus der argentinischen Werkstatt Osorio/Lois.

Roberto Osorio & Jorge J. Lois
ChampagneTurnier 2023, 2. Preis Abteilung A
Beweispartie in 25 Zügen (13+14)

 

Eigentlich spricht auf den ersten Blick nichts gegen eine normale kurze Rochade der schwarzen Partei: Über die b-Linie könnte sTg4 heraus kommen, und wir müssen nur Weiß irgendwie den [Lf8] verschwinden zu lassen. Aber betrachten wir zunächst die fehlenden Steine: Bei Schwarz fehlen beide Läufer: der eine ist offenbar zu Hause, der andere auf f3 geschlagen worden.
Bei Weiß fehlen offenbar die Dame sowie a- und b-Bauer, die beide nicht geschlagen haben können. Also starb [Ba2] auf a6 und die weiße Das auf g6, während [Bb2] ohne geschlagen zu haben verschwand: Entweder als Bauer auf der b-Linie oder als Umwandlungsstein irgendwo.

Und was ist mit den sichtbaren Zügen? Da haben wir bei Weiß (0-0-0 vorausgesetzt) 2+2+2+3+3+5=17, bei Schwarz nur (0-0 vorausgesetzt) nur 1+0+3+0+3+2=9!!

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Retro der Woche 36/2023

Ich muss gestehen, dass ich ziemlich enttäuscht war, als ich die Retro-Einsendungen zum 11. FIDE World Cup erhielt: Ich hatte mir als Preisrichter natürlich quantitativ mehr als nur zwölf Aufgaben (von denen eine noch nebenlösig ausscheiden musste) erwartet, und auch die durchschnittliche Qualität der Aufgaben konnte mich nicht vom Hocker reißen.

Zu Glück ragten zwei oder drei Aufgaben qualitativ heraus, sodass die ersten beiden Plätze sehr schnell für mich feststanden. Das Stück, das ich deutlich ganz vorn sehe, möchte ich euch heute vorstellen; ich orientiere mich dabei an meinem Kommentar im Preisbericht. Das zweitplatzierte Stück werde ich hier in der kommenden Woche zeigen.

Joachim Hambros
11. FIDE World Cup 2023, Preis & Goldmedaille
Beweispartie in 22 Zügen (13+13)

 

Im Diagramm sehen wir 18 schwarze Züge (4+1+3+3+5+2), bleiben vier frei. Schwarz benötigt allerdings zwei weitere Züge, um [Th1] im Südosten zu schlagen, dann stehen ihm noch zwei zur Verfügung, um einen seiner Türme auf b3 zu opfern, womit dann alle schwarzen Züge erklärt sind.

Damit ist auch klar, dass die fehlenden schwarzen Bauern mangels Zugmöglichkeiten zu Hause starben – und dass sBd6 von e7 kommt, damit Dd5 ermöglicht wird.

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Noch mal Ben-Zvi Gedenkturnier

NAch den beiden erstplatzierten Stücken des Yoav Ben-Ziv Gedenkturniers, die ich im Retro der Woche 02/2023 und 03/2023 vorgestellt hatte, möchte ich euch nun zum Selbstlösen “für zwischendurch” die kürzeste der dort ausgezeichneten Aufgaben vorstellen: Sie stammt vom kürzlich verstorbenen Mario Bonavolglia und ist gleichzeitig ein gutes Beispiel für seinen Kompositionsstil.

Marco Bonavoglia
Yaov Ben-Zvi Gedenkturnier 2022, 2. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 10 Zügen (16+14)

 

Bei Kenntnis der Thematik und dem abgegrasten Nordosten sollte das nicht allzu schwer zu lösen sein — mir gefällt die Aufgabe sehr gut. Und wie immer: Wer nicht selbst lösen will, muss sich nun noch etwa eine Woche gedulden!

Lösung


Sehr instruktiv, wie durch die beiden “Rückzüge” der Läufer im 9. und 10. Zug die Zweckreinheit der Bahnungen bewiesen wird!

Retro der Woche 03/2023

Habe ich euch mit dem letzten Retro der Woche schon neugierig auf den ersten Preis des Yoav Ben-Zvi Gedenkturniers gemacht? Wenn das noch nicht ausgereicht haben sollte, will ich die Ansicht des Preisrichters Hans Gruber zitieren: „one of the most exciting compositions that ever was created.“

Michel Caillaud
Yaov Ben-Zvi Gedenkturnier 2022, 1. Preis
Beweispartie in 45 Zügen (16+14)

 

45 Züge sind eine ganze Menge, und Michel erwähnt, dass man die Aufgabe mit 46.e4+ natürlich noch verlängern könnte, was Rekord für Beweispartien ohne Umwandlungen sei, aber der interessiere ihn nicht bei dieser Aufgabe.

Bei Weiß sind nach alle Mann an Bord, bei Schwarz fehlen [Bc7] und [Lc8], die offensichtlich auf c3 und auf b3 (Felderfarbe des schwarzen Läufers) geschlagen wurden. Das hilft für das Lösen nur bedingt weiter; spannender ist da schon die auffällige Ansammlung der Türme im Südosten.

Hier kann, hier muss man ähnlich versuchen zu lösen, wie man es bei Auflöse-Retros machen würde: „Löse den Knoten im Südosten auf!“

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