Zufälle

Manchmal gibt es schon verrückte Zufälle! Das letzte Retro der Woche hatte ich wegen Andernach schon eine Woche vorher geschrieben. Und am Mittwoch vor der Veröffentlichung flatterte mir das Mai-Heft von The Problemist ins Haus – mit gleich drei monochromen Retros!

Eines davon, das im Heft gründlich besprochen wurde, möchte ich kurz vorstellen:

Andrew Buchanan
The Problemist 2017, Yoav Ben-Zwi gewidmet
Letzter Zug? monochromes Schach (2+1)

 

Hier gilt implizit die „Dead Reckoning“ Regel, die auf Artikel 5.2b der FIDE-Schachregeln basiert: Kann ein Remis nicht mehr verhindert werden, endet die Partie automatisch und sofort; weitere Züge sind nicht mehr legal.

Mit dem vorhandenen Material kann Weiß nicht mattsetzen, die Stellung ist also remis. Also muss im letzten Zug entschlagen worden sein – und zwar so, dass die „andere Seite“ zumindest noch theoretische Gewinnmöglichkeiten hatte.

KxS, egal welcher Seite, scheidet aus, da die Stellung schon vorher remis war. KxL scheidet aus, da der Umwandlungszug unmöglich war: Kb7xLa8 geht nicht, da der letzte weiße Zug Bb7xXa8+ gewesen sein müsste – der scheidet aber aus, da b7 besetzt war. Dieses Argument zieht eigentlich auch für wKb2xLa1, aber diese Stellung wäre remis gewesen.

Ebenso scheidet beispielsweise Kb2xDa1 aus: Weiß hätte gar keine andere Zugmöglichkeit gehabt als die Dame zu schlagen und damit eine Remisstellung (nämlich die Diagrammstellung) herbeizuführen. Nach der Dead Reckoning Regel wäre die Stellung also schon VOR dem Schlag remis gewesen, der Schlag also gar nicht zulässig.

Bleibt also nur der Entschlag eines Turms übrig: K+T gegen K ist im monochromen Schach remis, da der König seinem Gegenüber kein Fluchtfeld nehmen kann. Also scheidet wKb2xTa1 als letzter Zug wegen Dead Reckonig aus, also hat Schwarz entschlagen: R Kb7xTa8.

[Th1] konnte niemals nach a8 gelangen, also wurde auf a8 ein Umwandlungsturm entschlagen. Eine extrem sparsame Darstellung des Ceriani-Frolkin-Themas – genauer gesagt gar des Prentos-Themas, da der Umwandlungsstein nicht von einem Bauern geschlagen wurde.

Wer hätte das bei nur drei Steinen auf dem Brett vermutet?

Michel Caillaud 60

Heute feiert Michel Caillaud seinen 60. Geburtstag – ganz herzliche Glückwünsche gehen dazu nach Frankreich!

Michel ist ein unglaublich vielseitiger Komponist, der sich in den unterschiedlichsten Gebieten tummelt, und auch ein hervorragender Löser.

Knapp 250 Album-Punkte zeugen von seiner großen Kompositions-Klasse, und er ist der einzige „echte Retro-Großmeister“: Er hat über 70 Punkte, die ja die Großmeisternorm bilden, allein in der Retro-Abteilung des Albums gesammelt.

Er war in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts einer der wesentlichen Treiber der eindeutigen Beweispartie, er war und ist aber auch ein ausgezeichneter Komponist in anderen Retro-Bereichen, seien das klassische Auflöse-Aufgaben, seien das Verteidigungsrückzüger oder auch Märchen-Retros.

Michel ist ein Stammgast bei den Andernach-Treffen, und von einem dieser Treffen möchte ich hier eine Aufgabe von ihm vorstellen.

Michel Caillaud
Andernach 2010, 1. Preis
Beweispartie in 12 Zügen b) sTf6 > f5 (14+15)

 

a) 1.e4 c5 2.e5 Da5 3.e6 Kd8 4.exd7 Kc7 5.d8=L+ Kd7 6.Lb6 axb6 7.Ld3 b5 8.Lg6 Dd8 9.d3 Txa2 10.Lf4 Ta6 11.Lc7 Tf6 12.Ta8 Ke8 – b) 1.e3 d5 2.Ld3 d4 3.Lg6 dxe3 4.d3 e2 5.Kd2 e1=T 6.a4 Te6 7.a5 Tb6 8.axb6 axb6 9.Ke1 Ta5 10.Lf4 Tf5 11.Ta8 c5 12.Lc7 b5.

Beeindruckend, wie die kleine Stellungänderung ein komplett anderes Spiel erfordert; durch die Darstellung des weißen bzw. schwarzen Ceriani Frolkin Themas sowie die Rückkehren der Könige sind die beiden Phasen hübsch verbunden.

Retro der Woche 13/2017

Im letzten Retro der Woche 12/2017 hatte ich den ersten Preis im Troitzki-Gedenkturnier vorgestellt und schon versprochen, nun den zweiten Preis zu besprechen.

Nach dem klassischen Retro in der letzten Woche sehen wir nun eine hochmoderne Beweispartie.

Silvio Baier
Troitzki-Gedenkturnier 2017, 2. Preis
Beweispartie in 28,5 Zügen (14+11)

 

Eine sehr elegante Diagrammstellung: Bei Schwarz stehen alle Steine auf ihren Feldern der Partieausgangsstellung („Home Base“), bei Weiß hingegen findet sich kein Stein mehr auf der ersten Reihe – bis in die schwarze Stellung hinein haben sich die weißen Steine vorgekämpft.

Damit müssen wir uns zunächst auch keine Gedanken über schwarze sichtbare Züge zu machen; anders schaut es bei Weiß aus. Dort sehen wir 3+1+4+(3+x)+(2+y)+4=17+x+y Züge.

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Retro der Woche 09/2017

Feedback zu seinen Urteilen sollte jedem Preisrichter wichtig sein: Nur so kann er seine Wertungen und Reihungen selbst kritisch betrachten und womöglich hinterfragen.

Solch eine Feedback-Runde zur Diskussion der vorläufigen Bewertungen für das FIDE-Album führe ich gerade als Direktor der Retro-Abteilung mit den Richtern – nicht um die Einzelurteile anzugleichen, sondern damit wir alle die zum Teil deutlichen Abweichungen in der Bewertung gegenseitig verstehen: Jeder Richter muss natürlich zu seiner „Bepunktung“ stehen, muss sie verantworten!

Von einer anderen Art des Feedbacks berichtet in der aktuellen Schwalbe Bernd Gräfrath: Dort stellt er in seinem höchst lesenswerten Aufsatz „Nachtgedanken eines Preisrichters“ sechs Aufgaben vor, die er als Preisrichter nicht oder relativ niedrig ausgezeichnet hat, die dann aber ins FIDE-Album gelangten.

Schauen wir uns eines seiner Beispiele heute einmal an.

Nicolas Dupont & Michel Caillaud
Probleemblad 2005
Beweispartie in 20 Zügen (13+12)

 

Mit dem Zählen der sichtbaren schwarzen Züge sind wir sehr schnell fertig – wenn alle vorhandenen Steine auf ihren möglichen Ursprungsfeldern stehen, wir also eine Homebase-Position vor uns haben, ist die Summe halt stets null.

Bei Weiß schaut es anders aus: 4+3+2+4+3+4=20: Alle weißen Züge sind erklärt, auch wenn damit noch nicht alles eindeutig ist: Zum Bespiel wissen wir nur, dass der König in der minimalen Zügezahl nach g5 gelangt sein muss, aber noch nicht, auf welchem Wege.

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Retro der Woche 07/2017

Sehr schnell konnte Kostas Prentos seinen Preisbericht zur Retro-Abteilung des 5. FIDE World Cups erstellen: Es gab nur zwölf Einsendungen, von denen auch noch zwei defekt waren. Trotz der dünnen Beteiligung gibt es im Turnier zumindest drei ganz hervorragende Aufgaben.

Den ersten Platz – Tusch und herzliche Glückwünsche nach Dresden – belegte Silvio Baier mit seiner Beweispartie, die ich heute vorstellen möchte; dabei orientiere ich mich an den Anmerkungen von Kostas.

Silvio Baier
5. FIDE World Cup in Composing 2017, 1. Platz
Beweispartie in 30,5 Zügen (13+10)

 

Die drei fehlenden weißen Steine wurden von [Bd7] auf seinem Weg nach a2 geschlagen. Zählt man die weißen sichtbaren Züge 5+1+2+3+3+5=19, so stellt man fest, dass Weiß noch zwölf Züge frei hat. In denen kann er aber nicht [Bf2], [Bg2] und [Bh2] zur Umwandlung bringen, damit drei Umwandlungssteine geschlagen oder das originale Schlagopfer ersetzen können.

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Retro der Woche 49/2016

In seiner Rubrik des The Problemist hat Bernd Gräfrath im aktuellen Novemberheft 2016 drei Aufgaben aus seinem StrateGems Preisbericht für Beweispartien 2014 vorgestellt. Eine weitere Aufgabe aus diesem Preisbericht habe ich für heute ausgesucht.

Silvio Baier
StrateGems 2014, 2. Preis
Beweispartie in 27 Zügen. (14+12)

 

Schauen wir uns das Diagramm an, so fällt auf, dass nur Bauern fehlen. Außerdem sehen wir zwei Schlagfälle durch Weiß und ebenfalls zwei durch Schwarz – letztere erklären die fehlenden weißen Steine.

Damit wissen wir schon, dass mindestens eine weiße Umwandlung stattgefunden hat: Theoretisch kann neben dxe3 und exf3 noch axbxc oder hxgxf geschehen sein, sodass ein weißer Bauer geschlagen worden sein kann – für zwei fehlen Schlagobjekte.

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Andrej Kornilow

Heute vor fünf Jahren, am 14.11.2011, verstarb völlig überraschend Andrej Kornilow (* 4.5.1944), einer der bedeutendsten Retro-Komponisten der letzten Jahrzehnte. Hauptsächlich hat er sich mit klassischen Retro-Themen beschäftigt, aber auch Beweispartien und (häufig mit Nikita Plaksin zusammen) Märchen-Retros gebaut. Viele Gemeinschaftsaufgaben waren mit Andrej Frolkin entstanden, ihre Zusammenarbeit und Freundschaft begann 1978. Ich möchte euch dessen (zusammen mit Nikolai Beluchow geschriebenen) Nachruf in feenschach 190, Dez. 2011, zum nochmaligen Lesen und Genießen der dortigen Aufgaben ans Herz legen.

Eine nicht so bekannte Aufgabe von Andrej Kornilow habe ich zu seinem Gedenken herausgesucht:

Andrej Kornilow
Schachmati w SSSR 1991
Letzte 9 Einzelzüge? (13+9)

 

Mit den Bauern am Königsflügel hat Schwarz die fehlenden drei weißen Steine geschlagen — dazu mussten sich [Ba2], [Bb2] und [Bc2] auf d8 umwandeln, wofür sechs Schläge benötigt werden; zusammen mit dem Doppelbauern auf der e-Linie sind damit alle fehlenden Steine erklärt.

Lösung: R: 1.– d6xDe5+ 2.Tg3-g5 g7xDf6 3.Sg5-h7+ h7xDg6 4.Ke4-f4 Kg4-h4 5.Tf3-g3++ Kg4-h4.

Nun solltet ihr herausfinden, wieso nur Damen-Entschläge möglich sind: Auch Läufer oder Springer hätten ja von d8 freigespielt werden können? Und könnt ihr nachweisen, welche der vier nun auf dem Brett stehenden weißen Damen die Original-Dame ist, sodass wir konkret von “drei Ceriani-Frolkin-Damen” sprechen können? Allzu schwer ist das nicht, aber es lohnt sich!

Retro der Woche 45/2016

Nach welchen Kriterien schätzt ihr die Schwierigkeit einer Aufgabe, beispielsweise einer Beweispartie, ein, bevor ihr sie löst? Zügezahl – länger gleich schwerer? Viele / wenige sichtbare Züge bei einer oder beiden Seiten? Nach dem/n Autornamen?

Falls ihr diese Aufgabe bisher noch nicht kennt: Wie schätzt ihr ihre Schwierigkeit ein?

Andrej Frolkin & Kostas Prentos
Messigny 2010, 1.-2. Preis
Beweispartie in 16,0 Zügen (14+14)

 

Allzu lang ist das Stück nicht, bei Schwarz sieht man eine Menge Züge, bei Weiß erst einmal keinen einzigen, da sich die 14 weißen Steine alle zu Hause befinden. Die Autorennamen sprechen eurer Meinung nach eher für leicht oder eher für schwer? So oder so sicher für Qualität!

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