Retro der Woche 40/2015

Im gerade erschienenen Oktober-Heft von StrateGems finden sich die Preisberichte für Beweispartien und (übrige) Retros für das Jahr 2014; Richter war Bernd Gräfrath.

Während sich seine Zufriedenheit mit den restlichen Retros sehr in Grenzen hielt (von den 14 Aufgaben des Jahrgangs zeichnete er nur ein Anticirce-Proca von Weeth/Wenda aus), war er von der Qualität der Beweispartien sehr angetan, dort hat er 10 von 24 teilnehmenden Aufgaben ausgezeichnet.

Der erste Preis ging an folgende ukrainisch-französische Gemeinschaftsproduktion: Bei den Autorennahmen kann man natürlich eine Menge erwarten, und es lohnt sich auf alle Fälle, das Stück genau zu analysieren.

Andrej Frolkin & Nicolas Dupont
StrateGems 2014, 1. Preis
Beweispartie in 28,5 Zügen (13+13)

 

Die übliche Züge-Zählerei scheint uns nicht allzu sehr weiter zu bringen. Bei Weiß ergeben sich, wenn man von kurzer Rochade ausgeht, 1+1+4+2+3+4=15 Züge, bei Schwarz 2+2+2+3+3+2=14 Züge — dabei haben wir schon berücksichtigt, dass [Sb8] gezogen haben muss, um [Ta8] heraus zu lassen.

Schauen wir uns also noch an, welche Steine fehlen.

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Retro der Woche 32/2015

Am Freitag habe ich erfahren, dass nun das FIDE-Album 2007-2009 endgültig erschienen ist; mir selbst liegt es allerdings noch nicht vor.

Daher weiß ich auch nicht, ob die Aufgabe, die ich für heute ausgesucht habe, dort enthalten ist — es würde mich aber wundern, wenn nicht!

Nicolas Dupont
Die Schwalbe 2009, 4. Preis
Beweispartie in 27 Zügen (15+11)

 

Bei Schwarz fehlen in seiner Homebase-Stellung genau fünf Bauern, von denen wegen er weißen Bauernstruktur nur der [Bg7] auf seiner Linie geschlagen worden sein kann. Die weißen Schläge sind offensichtlich axb, cxb, exf, gxf und hxg. Damit mussten sich außer dem [Bg7] alle anderen vier fehlenden schwarzen Bauern umwandeln, um entweder als Umwandlungssteine zu sterben oder geschlagene Originalsteine im Diagramm zu ersetzen.

Mit diesen Schlag-Überlegungen wissen wir auch bereits, dass nur [Bd2] bei Weiß fehlt.

Betrachten wir nun die sichtbaren Züge:

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Retro der Woche 31/2015

„Das kann doch nicht so schwer sein!“ werden sich manche Schwalbe-Löser im Jahre 2004 gedacht haben, als sie die vorliegende Aufgabe sahen. Allerdings hat sich das aus trügerisch herausgestellt, wie einige Löserkommentare zeigten: „An dieser Aufgabe hatte ich — trotz der geringen Zügezahl — am meisten zu beißen.“ oder „Ging dicht an die Grenzen meiner Lösungs-Leistungsfähigkeit und beweist, dass die Schwierigkeit nicht immer proportional mit der Zügezahl zunehmen muss.“ schrieben zwei erfahrene Löser.

Woran liegt die Schwierigkeit?

Klaus Kiesow
Die Schwalbe 2004, Lob
Beweispartie in 11 Zügen (15+12)

 

Sofort fällt auf, dass der bei Weiß einzig fehlende [Bf2] auf h6 gestorben ist. Zwei prinzipiell unterschiedliche Wege führen potenziell zu seinem Tod: direkt (via f4xg5xh6) oder indirekt, indem er sich umgewandelt hat und dann nach h6 gezogen hat. Die dritte Möglichkeit, dass ein weißer Original-Offizier auf h6 geschlagen wurde und der Umwandlungsstein diesen ersetzt, können wir aufgrund der Zügezahl schnell ausschließen.

Betrachten wir zunächst die erste Alternative: Bei Schwarz fehlen die beiden Springer, der [Bc7] sowie der [Lc8], der zu Hause geschlagen werden musste. Lassen sich die beiden schwarzen Springer auf g5 und h6 schlagen, benötigen sie zusammen fünf Züge, darüber hinaus sind noch fünf schwarze Züge im Diagramm sichtbar.

Weiß hat acht Züge Zeit, die beiden schwarzen Steine der c-Linie abzuholen. In vier Zügen kann Sb1 auf c8 sein — das klappt also, wenn er zwischendurch noch den [Bc7] „mitnimmt“. Der aber hat nur einen Zug übrig, müsste also auf c7, c6 oder c5 geschlagen werden. Das allerdings kann bei der Zügezahlbegrenzung bei Weiß nicht klappen, das funktioniere nur, wenn [Bc7] bis c4 ziehen könnte!

Also muss [Bf2] umgewandelt haben — und damit beginnt die Schwierigkeit.

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Retro der Woche 29/2015

Beweispartien mit „Homebase“ Diagrammstellungen, wo also zumindest eine Seite all ihre Steine in der Partieanfangsstellung stehen hat, wirken auf mich immer besonders attraktiv, denn eigentlich müsste diese Partei ja gar nicht ziehen!

Aber davor kann sie sich ja nicht drücken — und häufig ist es auch erforderlich zu ziehen, nämlich um etwa einige eigene Steine aktiv loswerden zu können. So auch bei dem Stück, das ich heute ausgewählt habe.

Michael Barth
Die Schwalbe 2012, 3. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 19 Zügen (12+15)

 

Bei Weiß fehlen vier Bauer, alle anderen weißen Steine stehen auf passenden Feldern der Partieausgangsstellung — das muss ich so vorsichtig formulieren, denn theoretisch könnten ja auch die Springer oder gar die Türme ihre Plätze getauscht haben.

Bei Schwarz fehlt nur ein Bauer, und es sind keine Doppelbauern vorhanden, die etwas über das Verschwinden der fehlenden weißen Bauern verraten könnten.

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Retro der Woche 26/2015

In den letzten Jahren hatten einige Problemschachzeitschriften erfrelicherweise Retro-Informalturniere begonnen, so auch Orbit. Weniger erfreulich ist, dass diese Zeitschrift 2013 ihr Erscheinen einstellen musste.

Im Informalturnier 2008 zeichnete Preisrichter Hans Gruber dieses Stück mit einem Preis aus:

Nicolas Dupont
Orbit 2008, Preis
Beweispartie in 21,5 Zügen (14+14)

 

Beiden Seiten fehlen jeweils zwei Bauern, aber keine Doppelbauern verraten uns mögliche Schläge von Bauern. Also müssen wir versuchen, auf andere Weise der Lösung näher zu kommen. Versuchen wir es wie üblich mit dem Zählen der Züge.

Hierbei sind die weißen Züge zunächst einmal nicht so aussagekräftig: Wir erkennen im Diagramm nur 1+0+0+6+0+2=9 — es bleiben also 13 freie weiße Züge.

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Retro der Woche 24/2015

Heute will ich mit euch einmal keinen Blick in die Geschichte der Retroanalyse werfen, sondern eine Beweispartie vom Ende letzten Jahres vorstellen, die zu lösen mir viel Freude bereitet hatte.

Unto Heinonen
Probleemblad 2014
Beweispartie in 26,5 Zügen (11+15)

 

Ziemlich vogelwild erscheint im ersten Moment die Diagrammstellung, und die Anzahl der direkt sichtbaren weißen Züge (0+1+0+1+0+2=4) bringt uns der Lösung auch noch nicht viel näher.

Wie schaut es bei Schwarz aus? Dort zählen wir 3+1+3+4+5+4=20 — das ist schon deutlich mehr!

Nun betrachten wir die fehlenden Steine: bei Weiß sind es gleich vier Bauern und ein Springer, bei Schwarz nur der a-Bauer.

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Retro der Woche 21/2015

Heute möchte ich mal wieder ein wenig in die „Frühgeschichte der Beweispartien“ schauen — und wir sollten daran denken, dass diese Phase vor etwa 30 bis 35 Jahren war; deren bedeutendster Protagonist war sicherlich der junge Michel Caillaud.

Hier nun eines seiner großartiegen Stücke von vor 30 Jahren:

Michel Caillaud
Europe Echecs 1985, 2. Preis
Beweispartie in 26,5 Zügen (14+11)

 

Auffällig ist sofort die Homebase der schwarzen Steine: Es fehlen genau fünf Bauern. Die Stellung der weißen Steine ist nicht ganz so übersichtlich, und daraus werden wir nun versuchen, ein paar Schlüsse für die Lösung zu ziehen.

Beginnen wir mit der Inventur: Es fehlt ein Bauer sowie ein Springer. Der fehlende Bauer kann aufgrund der Positionen der weißen Steine [Ba2] oder [Bg2] sein. Können wir das im Zusammenhang mit den schwarzen Steinen bereits entscheiden?

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Retro der Woche 20/2015

Vor ein paar Tagen habe ich mir die Original-Retros in einigen der letzten StrateGems Ausgaben angeschaut, und eines dieser Stücke möchte ich heute vorstellen, weil es mich ziemlich beeindruckt hat — und trotzdem ist für mich noch ein Wunsch bezüglich der Lösung offen…

Unto Heinonen
StrateGems 2014
Beweispartie in 21,5 Zügen (13+15)

 

Beginnen wir wie üblich mit der Schlagbilanz und der Inventur: Bei Schwarz snd zwei Bauernschläge sichtbar (axb und b7xc6), bei Weiß keiner — damit ist noch jeweils ein Schlag frei. Bei Schwarz fehlt nur ein Bauer ([Be7] oder [Bf7]), und bei Weiß fehlen [Lc1] sowie [Be2] und [Bf2].

Die weißen sichtbaren Züge sind schnell gezählt: 1+2+0+1+1+1=6 für Weiß und 0+2+5+3+4+5=19 für Schwarz.

Der letzte Zug ist das Schachgebot einer weißen Dame — kann die gerade auf f8 erwandelt worden sein? Nein, das geht nicht, denn dann hätte der letzte weiße Zug e7xXf8=D+ sein müssen, aber dieses „X“ kann nicht exisiteren, da [Bf7] nicht umgewandelt haben kann: So viele freie Züge hat Schwarz nicht.

In dem Zusammenhang fällt aber noch ein Detail auf:

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