Retro der Woche 24/2015

Heute will ich mit euch einmal keinen Blick in die Geschichte der Retroanalyse werfen, sondern eine Beweispartie vom Ende letzten Jahres vorstellen, die zu lösen mir viel Freude bereitet hatte.

Unto Heinonen
Probleemblad 2014
Beweispartie in 26,5 Zügen (11+15)

 

Ziemlich vogelwild erscheint im ersten Moment die Diagrammstellung, und die Anzahl der direkt sichtbaren weißen Züge (0+1+0+1+0+2=4) bringt uns der Lösung auch noch nicht viel näher.

Wie schaut es bei Schwarz aus? Dort zählen wir 3+1+3+4+5+4=20 — das ist schon deutlich mehr!

Nun betrachten wir die fehlenden Steine: bei Weiß sind es gleich vier Bauern und ein Springer, bei Schwarz nur der a-Bauer.

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Retro der Woche 21/2015

Heute möchte ich mal wieder ein wenig in die „Frühgeschichte der Beweispartien“ schauen — und wir sollten daran denken, dass diese Phase vor etwa 30 bis 35 Jahren war; deren bedeutendster Protagonist war sicherlich der junge Michel Caillaud.

Hier nun eines seiner großartiegen Stücke von vor 30 Jahren:

Michel Caillaud
Europe Echecs 1985, 2. Preis
Beweispartie in 26,5 Zügen (14+11)

 

Auffällig ist sofort die Homebase der schwarzen Steine: Es fehlen genau fünf Bauern. Die Stellung der weißen Steine ist nicht ganz so übersichtlich, und daraus werden wir nun versuchen, ein paar Schlüsse für die Lösung zu ziehen.

Beginnen wir mit der Inventur: Es fehlt ein Bauer sowie ein Springer. Der fehlende Bauer kann aufgrund der Positionen der weißen Steine [Ba2] oder [Bg2] sein. Können wir das im Zusammenhang mit den schwarzen Steinen bereits entscheiden?

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Retro der Woche 20/2015

Vor ein paar Tagen habe ich mir die Original-Retros in einigen der letzten StrateGems Ausgaben angeschaut, und eines dieser Stücke möchte ich heute vorstellen, weil es mich ziemlich beeindruckt hat — und trotzdem ist für mich noch ein Wunsch bezüglich der Lösung offen…

Unto Heinonen
StrateGems 2014
Beweispartie in 21,5 Zügen (13+15)

 

Beginnen wir wie üblich mit der Schlagbilanz und der Inventur: Bei Schwarz snd zwei Bauernschläge sichtbar (axb und b7xc6), bei Weiß keiner — damit ist noch jeweils ein Schlag frei. Bei Schwarz fehlt nur ein Bauer ([Be7] oder [Bf7]), und bei Weiß fehlen [Lc1] sowie [Be2] und [Bf2].

Die weißen sichtbaren Züge sind schnell gezählt: 1+2+0+1+1+1=6 für Weiß und 0+2+5+3+4+5=19 für Schwarz.

Der letzte Zug ist das Schachgebot einer weißen Dame — kann die gerade auf f8 erwandelt worden sein? Nein, das geht nicht, denn dann hätte der letzte weiße Zug e7xXf8=D+ sein müssen, aber dieses „X“ kann nicht exisiteren, da [Bf7] nicht umgewandelt haben kann: So viele freie Züge hat Schwarz nicht.

In dem Zusammenhang fällt aber noch ein Detail auf:

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Chronicles

Im Jahre 2011 haben Silvio Baier, Nicolas Dupont und Roberto Osorio das Die Schwalbe Sonderheft 250A veröffentlicht, in dem sie sich mit “Beweispartien der Zukunft” beschäftigten, also Beweispartien, die (mindestens) zwei Themen jeweils (mindestens) doppeln.

Schon in diesem Heft kündigten sie an, Fortsetzungen erscheinen zu lassen. Diese erscheinen nun in Form von “Chronicles” in StrateGems; die erste Ausgabe mit neuen Rekorden und Erweiterungen zu klassischen Ceriani-Frolkin Beweispartien, wobei alle Umwandlungen einheitlich in eine Steinart erfolgen.

Sie illustrieren diese Gruppe mit insgesamt 15 Beispielen, darunter auch unser Retro der Woche 18/2015. hier möchte ich aber eine andere Aufgabe vorstellen:

Michel Caillaud
Messigny 2010, 1.-2. Preis
Beweispartie in 21,5 Zügen (12+12)

 

Hier kommen zu den vier Ceriani-Frolkin-Springern noch die Rückkehren aller vier Original-Springer: 1.h4 a5 2.h5 a4 3.h6 a3 4.hxg7 axb2 5.a4 h5 6.a5 Sh6 7.g8=S h4 8.Sf6+ exf6 9.a6 Le7 10.axb7 Sa6 11.b8=S OO 12.Sc6 Sb8 13.Ta6 Kh7 14.Sa3 b1=S 15.Th2 Sc3 16.dxc3 Sg8 17.Lh6 h3 18.Da1 hxg2 19.Sh3 g1=S 20.Sb1 Sf3+ 21.exf3 dxc6 22.Sg1. Das ist dann in der Future Proof Game Notation:
CF(SS)&CF(ss)&SW(SS)&SW(ss)

Retro der Woche 18/2015

Das gerade erschienene Januar-Februar Heft 2015 von feenschach enthält den Preisbericht zum René J. Millour-70-Geburtstagsturnier, gemeinsam von feenschach und Die Schwalbe ausgerichtet; gefordert waren Aufgaben mit Umwandlungen, einem der Lieblingsthemen das Jubilars.

Er hat selbst gerichtet und seinen Bericht in drei Teile aufgeteilt: orthodoxe Aufgaben, Märchenaufgaben mit direktem Spiel und Märchenaufgaben mit Hilfsspiel.

Ziemlich überrascht und hoch erfreut war ich, als ich sah, dass der erste Preis der orthodoxen Abteilung an eine Beweispartie ging:

Nicolas Dupont und Silvio Baier
71. feenschach-TT 2015, 1. Preis
Beweispartie in 31 Zügen (12+14)

 

Dass wir es hier mit Umwandlungen zu tun haben, ist ja selbstverständlich: Das steht schon über dem Diagramm. Dennoch sind sie sehr gut verborgen, denn die bei Umwandlungs-Häufungen in Beweispartien üblichen Doppelbauern, die meist hervorragende Lösungsverräter sind, fehlen hier vollständig.

Man sieht im Diagramm nur, dass drei Schläge stattgefunden haben: Auf der a-, der b- und der d-Linie steht ein schwarzer Bauer unterhalb seines weißen Kollegen.

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Retro der Woche 16/2015

Am letzten Donnerstag hatte ich kurz auf das (noch vorläufiige) Ergebnis der Retroabteilung des 4. FIDE World Cup hingewiesen: Wieder einmal hat Silvio Baier ein bedeutendes Retro-Turnier gewinnen können!

Die Sieger-Aufgabe möchte ich heute vorstellen, aber dabei einmal nicht so intensiv wie sonst meist den möglichen Weg zur Lösungsfindung erläutern, sondern mehr die Lösung als solche diskutieren.

Hier also nun das ausgezeichnete Meisterwerk:

Silvio Baier
4. FIDE World Cup 2015, 1. Platz
Beweispartie in 32.5 Zügen (14+14)

 

Man erkennt recht schnell, dass die fehlenden Bauern nicht direkt geschlagen worden sein können; da das ganze Offizierskorps noch vorhanden ist, müssen sich die jeweils zwei fehlenden Bauern umgewandelt haben.

So weit, so gut — und bei dem Autor nicht sonderlich überraschend: Wie können schon einmal ein „Proof Game of the Future“ vermuten, wo also zwei doppelt gesetzte Themen dargestellt werden.

Die Inventur lässt allerdings noch einige freie Züge zu, wenn wir die sichtbaren zählen: 1+0+6+2+2+3=14 bei Weiß, 2+0+5+2+2+4=15 bei Schwarz. Dann kann man noch vermuten, dass zumindest die Springer auf b1 und b8 gezogen haben müssen, um ihre westlichen Kameraden heraus zu lassen. Bei den benachbarten Läufern ist dies nicht so klar: sie können ja auch Umwandlungssteine sein, die die Original-Läuer ersetzen. Bei den Springern ist dies wegen der hohen erforderlichen Zügezahl deutlich unwahrscheinlicher.

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Retro der Woche 13/2015

Der Franzose André Hazebrouck hat überwiegend klassische Auflöse-Retros gebaut und sich hierbei intensiv mit dem Thema „Retro-Opposition“ beschäftigt. Dabei geht es darum, dass in einer bestimmten Stellung (trotz beweglicher Figuren) kein Wechsel der Zugpflicht zwischen Schwarz und Weiß möglich ist, der für die Auflösung eigentlich erforderlich wäre.

Meist sind die Aufgaben von Hazebrouck hochkompliziert; heute habe ich ein für seine Verhältnisse etwas leichteres Stück herausgesucht.

André Hazebrouck
Die Schwalbe 1993, Günter Lauinger gewidmet, Ehrende Erwähnung
#1 (wer?) (14+13)

 

Schauen wir zunächst einmal, ob wir etwas über die fehlenden Steine herausfinden können: Die weißen Bauern haben offensichtlich drei Mal geschlagen: cxb, exd und f6/h6xg7, und damit sind alle drei fehlenden schwarzen Steine erklärt. Als schwarzen Schlagzug sehen wor zunächst nur f7xe6.

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Retro der Woche 12/2015

Heute möchte ich nicht nur eine tolle Aufgabe vorstellen, sondern auch noch einen Vergleich mit einem anderen Stück anstellen, das der Autor direkt bei seinem Urdruck als Basis benannt hatte. Dennoch vergab Preisrichter Gerd Wilts für dieses — wie man deswegen zunächst meinen sollte nicht allzu originelle — Problem den ersten Preis im Informalturnier einer weltweit sehr angesehenen Retro-Rubrik.

Silvio Baier
StrateGems 2010, nach Michel Caillaud, 1. Preis
Beweispartie in 28,5 Zügen (15+11)

 

Offensichtliche Züge oder Schlagfälle durch Schwarz zu zählen ist schnell erledigt und nicht ergiebig, darum kümmern wir uns zunächst um die Züge der weißen Steine. Sofort fallen im Diagramm die drei schwarzfeldrigen weißen Läufer auf: Zwei Umwandlungen haben wir also schon erkannt.

Zählen wir nun die offensichtlichen Züge von Weiß; dabei lassen wir zunächst die schwarzfeldrigen weißen Läufer außer Betracht. Damit sehen wir 3+1+4+1+4+3=16 Züge, dies impliziert bereits den Doppelschritt des wBd4. Somit bleiben noch 13 Züge für die schwarzfeldrigen weißen Läufer.

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