Retro der Woche 11/2015

Wenn es eines Beweises bedarf, dass Retro-Aufgaben nicht unbedingt eine „Forderung“ im klassischen Problemsinne benötigen, dann ist das Stück, das ich heute vorstellen möchte, ein hervorragendes Beispiel. (Bei der Lösungsbeschreibung stütze ich mich auf Anmerkungen von Andrej Kornilow und Henrik Juel.)

Harry Goldsteen
Probleemblad 1989, nach Andrej Frolkin, Superpreis
#1 (4+14)

 

Natürlich ist Weiß am Zug, da sein König im Schach steht, und das (sogar dualisitische) Matt mittels 1. exf8=D/T# lockt nun wirklich niemanden hinter dem Ofen hervor — aber darum geht es natürlich gar nicht.

Die spannende Frage ist natürlich, wie denn der Retroknoten im Norden aufgelöst werden kann, wie die weißen Steine denn wieder nach Süden gelangen können. Schwarz muss im letzten Zug natürlich den Springer von h7 nach f8 gezogen haben: Dabei kann er keinen weißen Stein geschlagen haben, da dies sofort zum Retropatt führt, da Weiß nun nur R 2.Le8xTf7 hat, und schon ist es vorbei.

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Retro der Woche 09/2015

Am heutigen Sonntag gehen herzliche Geburtstag-Glückwünsche nach Meisenheim am Glan, sie gelten Werner Keym. Lieber Werner, auch im Namen aller Leser dieses Blogs wünsche ich dir für dein neues Lebensjahr alles Gute!

Natürlich bietet es sich an, hier eine Aufgabe des Jubilars zu bringen — das mache ich aber heute nicht, denn bereits in der letzten Woche hatte ich hier eine tolle Aufgabe von Werner, die den ersten Preis im Schwalbe-Informalturnier 2008 erhalten hat, vorgestellt.

Statt dessen stelle ich eine Aufgabe vor, die sehr eng mit Werner Keym verbunden ist: Nicht nur wegen der Widmung.

Kostas Prentos & Andrej Frolkin
Die Schwalbe 2006, 1. Preis, Werner Keym gewidmet
Beweispartie in 26 Zügen (10+14)

 

Sofort fällt im Diagramm das Doppelschach gegen den weißen König auf: Das kann nur durch zurück d4:e3ep++ e2-e4, L–f5+ aufgehoben werden — damit haben wir schon mal die noch erforderliche Zügezahl für unsere Lösung verkürzt.

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Retro der Woche 07/2015

In der letzten Woche hatte ich hier den 1. Preis des Dupont Geburtstagsturniers vorgestellt; heute folgt, wie von einigen Kommentatoren gewünscht (und von mir sowieso vorgesehen …) der 2. Preis dieses hervorragenden Turniers, bei dem es um echoartige Umwandlungen ging.

Kostas Prentos & Andrej Frolkin
Dupont-50 2014, 2. Preis
Beweispartie in 28,5 Zügen (13+13)

 

Es erscheint im ersten Moment als lustiger Zufall, dass wie beim ersten Preis im Diagramm jeweils wieder bei Weiß und Schwarz drei Bauern fehlen. Doch trifft dieser „Zufall“ im Turnier nicht nur auf diese beiden Stücke zu, sondern es gibt noch mehrere Preisträger, bei denen nur Bauern fehlen, und zwar auf beiden Seiten die gleiche Anzahl. Dies scheint also für die Themendarstellung besonders geeignet zu sein.

Besonders auffällig im Diagramm sind die Bauernkonstellationen im Nordwesten und im Südosten: Irgendwie müssen die a- bzw. die h-Bauern ja aneinander vorbei gekommen sein. Dafür gibt es prinzipiell zwei verschiedene Möglichkeiten:

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Retro der Woche 06/2015

Im Aprilheft 2014 von Phénix ist der Preisbericht des Jubiläumsturniers zum 50. Geburtstag von Nicolas Dupont erschienen, die Ausschreibung dazu war auch hier im Blog erschienen.

Als Thema waren Beweispartien, die Echos zwischen schwarzen und weißen Umwandlungsfiguren zeigen, gefordert. Das Niveau des Turniers war sehr hoch, der Jubilar als Preisrichter hat die Hälfte der 28 eingesendeten Aufgaben ausgezeichnet.

Ziemlich sicher bin ich mir, dass wir den ersten Preis, den ich heute vorstellen möchte, gelegentlich wiedersehen werden — beispielsweise im FIDE-Album.

Michel Caillaud
Dupont-50 2014, 1. Preis
Beweispartie in 26,5 Zügen (13+13)

 

Dass uns das Zählen der sichtbaren Züge noch nicht sofort weiterbringen wird, ist bei dem vorgegebenen Thema nicht verwunderlich, dennoch ist es schon einmal hilfreich. Bei Weiß sehen wir bereits 0+1+2+2+3+4=12 Züge, bei Schwarz 3+1+1+3+4+2=14 Züge. Kann uns die Bauernstruktur vielleicht mehr verraten?

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Retro der Woche 03/2015

Retro der Woche 03/2015 für 11.1.15

Interessant ist es, den Retro-Preisbericht der Schwalbe (Oktober 2006, von Ersatzrichter Ronald Schäfer) zu lesen: Er geht dabei u.a. auf die Weiterentwicklung der Retroanalyse in diesen zehn Jahren ein: Damals lag der Anteil der Beweispartien am Gesamtturnier noch deutlich unter 20% (10 von 56 Aufgaben); das war 2006 schon völlig anders. Ronalds Vermutung war, dass der Aufschwung der Beweispartien auch auf die Verfügbarkeit von Löseprogrammen wie natch und euclide zurückzuführen sei: vorher galten Beweispartien als chronisch nebenlösig.

Ich möchte heute den ersten Preis der Beweispartien-Abteilung vorstellen, der auch heute noch in Turnieren eine gute Figur machen würde.

Andrej Frolkin
Die Schwalbe 1996, 1. Preis
Beweispartie in 23,5 Zügen (14+13)

 

Zählen wir die direkt im Diagramm sichtbaren Züge, kommen wir nicht viel weiter: Bei Weiß sind das 0+2+2+1+3+2=10, bei Schwarz sind es 3+2+2+1+1+5=14 – dabei habe ich schon berücksichtigt, dass [Dd8] gezogen haben muss, um [Ke8] vorbei zu lassen. Aber vielleicht hilft ja die harmlos ausschauende Bauernstruktur weiter?

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Retro der Woche 02/2015

Kuriose Zufälle gibt es manchmal…

Das folgende Stück von Gerd Wilts wurde im Phénix Turnier 2004 mit dem vierten Preis ausgezeichnet, und das wollen wir uns genauer anschauen.

Gerd Wilts
Phénix 2004, 4. Preis
Beweispartie in 18,5 Zügen (14+14)

 

Zählen wir die weißen Züge, so stellen wir fest, dass alle im Diagramm verbraucht sind: 2+1+4+4+4+4=19. Daraus ergibt sich auch, dass Weiß rochiert haben muss, denn ansonsten benötigte der weiße König drei Züge bis b1. Ferner ist klar, dass die drei Zentralbauern des Weißen jeweils einen Doppelschritt gemacht haben müssen. Sie also können nicht trickreich die beiden fehlenden schwarzen Bauern geschlagen haben.

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Retro der Woche 50/2014

Heute stelle ich ein „kleines“ Stück vor: klein bezüglich der Zügezahl, aber mit interessantem und originellem Inhalt — aber hättet ihr das bei dem Autor anders erwartet? Ich auch nicht…

Reto Aschwanden
Die Schwalbe 2003, 1. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 14,0 Zügen (14+14)

 

Um euch noch ein wenig neugieriger zu machen hier der Beginn des Kommentars zu dieser Aufgabe in der PDB: „Interessante und neue Idee, die gar nicht so leicht zu beschreiben ist.“

Das sollte euch dann endgültig zum Selbstlösen ermuntern, allzu schwer ist das Stück auch nicht…

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Retro der Woche 49/2014

Wenn ein solcher Könner wie Silvio Baier einen offensichtlichen Umwandlungsstein im Diagramm einer Beweispartie stehen lässt, wenn dann dieses Stück auch noch die höchste Auszeichnung in einem bedeutenden Turnier gewinnt, dann muss diese Umwandlungsdame entweder thematisch sein — oder der Inhalt muss so originell sein, dass der Preisrichter sie deswegen akzeptiert.

Wenn ihr das Stück noch nicht kennt, dann ratet einmal, was nun der Grund ist?

Silvio Baier
FIDE World Cup 2011, 1. Preis
Beweispartie in 25,0 Zügen (10+14)

 

Bei Weiß sieht die Stellung sehr einfach aus: Home Base, also alle weißen Steine, die noch auf dem Brett zu finden sind, stehen auf ihren Standfeldern der Partieausgangsstellung.

Beginnen wir also mit dem Zählen der minimalen Züge bei Schwarz: Egal, welche der beiden schwarzen Damen Original oder Umwandlungsstein ist, bedurfte es mindestens dreier Damenzüge: entweder h1-h3 und d8-d6-h2 oder g1/h1-h2 und d8-d7-h3. Die Züge zur Umwandlung müssen wir nun den Bauernzügen zuschlagen. Damit haben wir offensichtlich 1+3+4+3+3+10=24.

Damit ist noch ein schwarzer Zug offen.

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