Retro der Woche 26/2022

Sicherlich muss man Nikita Plaksin zu den bedeutendsten Retrokomponisten der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts rechnen: Auf dem Gebiet der klassischen Retroanalyse hat er viel in hoher Qualität komponiert, aber auch — ungewöhnlich für einen sowjetischen Koponisten, hat er sich auch intensiv mit Märchenschach, speziell mit Märchenretros (typischerweise systematische Untersuchungen zu Lastmovern bei speziellen Bedingungen) beschäftigt.

Heute allerdings möchte ich euch ein klassisches Stück von ihm vorstellen.

Nikita Plaksin
Schachmatni Westnik 1993, Dr. L. Ceriani zum Gedenken, 1.-2. Preis
Geschichte des sBg2? (10+13)

 

Alle fehlenden weißen Steine wurden von den schwarzen Bauern geschlagen: sBf5 und sBg5 haben zusammen zweimal geschlagen, und unser „Thema-Bauer“ auf g2 kommt offenbar von c7.

Dabei müssen neben fehlenden weißen Turm und weißer Dame auch die vier fehlenden Bauern geschlagen worden sein — dafür müssen aber alle vier umgewandelt haben. Und von den weißen Bauernschlägen sieht man direkt nur f6xe7, aber auch [Ba2] und [Bb2] müssen je einmal geschlagen haben, um umwandeln zu können; [Bc2] und [Bh2] müssen also schlagfrei auf ihrer Linie umgewandelt haben. Damit haben wir die Umwandlungsfelder b8 für [Ba2], c8 für [Bb2] und [Bc2] sowie h8 für [Bh2].

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Retro der Woche 23/2022

Wie beinahe immer wurde auch beim diesjährigen Treffen der Märchenschachfreunde in Andernach eine neue Bedingung vorgestellt und gleich kompositorisch erprobt. Dieses Mal war es Dister, erfunden von Andreas Thoma, der es wie folgt (um einige Sonderfälle und Verbindungen mit anderen Bedingungen gekürzt) erklärt:

„Beim Dister (etwas ausführlicher könnte man auch Distancer sagen) geht es um den maximalen Abstand zweier bestimmter Diagrammsteine, der Bezugssteine S1 und S2, die im bzw. unter dem Diagramm festgelegt sind. Beim maxdister muss Schwarz so ziehen, dass die Entfernung zwischen S1 und S2 nach Beendigung des Zuges (inclusive eventueller Wiedergeburten) maximal ist. Dabei bleibt die Wirkung auf den gegnerischen König normal (wie beim Längstzüger). Die Parade von Schachgeboten gegen den eigenen König hat Vorrang vor der Dister-Bedingung. Beim mindister ist minimale statt maximaler Distanz gefordert.“

Und wie beinahe immer gewann auch in diesem Jahr eine Beweispartie das entsprechende Thematurnier!

Michel Caillaud
Andernach 2022, 1. Preis
Beweispartie in 17 Zügen, MaxDister; Bezugssteine kopfstehend (14+15)

 

Wenn ihr euch ein wenig in die Bedingung eingedacht habt, werdet ihr euch sicher schnell über den „Dister-Bauern“ auf h5 wundern: Er hatte natürlich auf h7 die Maximaldistanz zum anderen Bezugsstein Ba2 – wir konnte er dann nach h5 kommen? Oder konkreter: Wie konnte er nach h5 gezwungen werden, denn nach den „normalen“ Dister-Regeln hätte er sich nicht bewegen dürfen, da jeder Zug von h7 ja die geforderte Maximaldistanz verringert hat.

Ein wenig weiteres Nachdenken ergibt, dass kein Zug des [Bh7] direkt auf der h-Linie erzwungen werden kann: Weder h7-h6 noch h7-h5.

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Retro der Woche 22/2022

Heute geht das Treffen der Märchenschachfreunde in Andernach schon wieder zu Ende. Da möchte ich euch wie schon in der letzten Woche wieder eine Märchenschach-Beweispartie zeigen – und irgendwie komme ich natürlich an der Bedingung Andernachschach nicht vorbei, die, wen wundert es, bei einem dieser Treffen vorgestellt und sofort kompositorisch ausprobiert wurde.

Die Bedingung ist sehr einfach erklärt: „Nichtkönigliche Steine wechseln, wenn sie einen gegnerischen Stein schlagen, als Teil des Zuges die Farbe.“ – so ist sie im Schwalbe-Lexikon definiert.

Auch der Autor dieser Aufgabe war in diesem Jahr wieder in Andernach!

Dirk Borst
feenschach 1997, Preis
Beweispartie in 21 Zügen, Andernachschach (16+12)

 

Zunächst einmal bemerken wir: Orthodox kann die Stellung nicht in 21 Zügen, nicht in einer ungeraden Zahl von Zügen erspielt werden, da Weiß eine gerade Zahl von Zügen spielen müsste, um die Partieanfangsstellung wiederherstellen zu können.

Wir sehen, dass bei Schwarz vier Bauern fehlen – also schlug wegen der Märchenbedingung Schwarz (!) vier Mal mit Bauern. Da ist aber erst einmal nichts sichtbar!

Wenn uns sonst nichts einfällt, wenn etwa die Schlagbilanz anhand der Bauernstruktur keine Hinweise gibt, dann zählen wir einfach die schwarzen sichtbaren Züge. Da sehen wir 3+2+3+2+3+1=14 – damit sind noch sieben Züge frei! Das ist sehr viel, aber vielleicht hilft uns das doch weiter? Dazu stellen wir uns die Frage, wie denn die weiße Bauernphalanx wieder geschlossen werden konnte, wenn doch gleich vier Bauern durch Schlagen weiß wurden – und was haben sie geschlagen?

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Retro der Woche 08/2022

In der letzten Woche hatten wir hier eine Aufgabe gesehen, in der eine Steinart (Grashüpfer) in einem Märchenretro das inhaltliche Spiel bestimmte. Heute möchte ich euch eine Beweispartie zeigen, in der Ähnliches geschieht; das ist der erste Preis aus dem sehr starken Retro-Informalturnier von StrateGems 2012, also vor 10 Jahren.

Nicolas Dupont
StrateGems 2012
Beweispartie in 23,5 Zügen (14+15)

 

Beim ersten Blick auf die Diagrammstellung schaut es aus wie eine Home Base Position – aber dann sieht man den dritten weißen Turm, der ziemlich weit entfernt von seinen eigenen Truppen dem schwarzen König Schach bietet.

Schauen wir dann einmal nach den Schlägen: Bei Weiß fehlen drei Bauern, von denen einer als dritter Turm noch auf dem Brett steht. Ferner sehen wir zwei Bauernschläge durch Schwarz (axb und bxc). Damit müssen die beiden fehlenden Bauern geschlagen werden, das aber klappt nicht direkt.

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Retro der Woche 07/2022

Mal wieder ein nettes Märchen-Retro gefällig? Nein, das wird nicht besonders schwer, und „die Klassik“ überwiegt – trotzdem bekommen wir sehr Märchentypisches zu sehen!

Die kopfstehende Dame im heutigen Diagramm ist ein Grashüpfer: der zieht wie eine Dame, benötigt aber genau einen Sprungbock, hinter dem er landet. Ist der Landeplatz durch einen Stein der anderen Farbe besetzt, so wird dieser geschlagen. Bei allen Märchensteinen in Retroproblemen wird vorausgesetzt, dass sie durch Bauernumwandlungen entstanden sind.

Nikita Plaksin
feenschach 1981
Letzte 9 Züge? (13+12)

 

Der schwarze Grashüpfer ist offensichtlich durch Umwandlung des [Bb7] entstanden. Er bietet im Diagramm dem weißen König Schach, hat aber (als Grashüpfer) keinen letzten Zug; also muss er gerade umgewandelt haben: R 1.d2xXe1=G+.

Betrachten wir die weißen Steine, sehen wir, dass bei Weiß drei Bauern fehlen: [Bg2], [Bh2] und (wahrscheinlich) [Ba2]. Die aber müssen sich alle drei umgewandelt haben, da sie sonst nicht geschlagen werden konnten.

Warum?

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Retro der Woche 06/2022

Das letztjährige Champagnerturnier (Ein Stein schlägt mindestens zwei Umwandlungssteine), traditionell im Rahmen des WCCC von Michel Caillaud organisiert und gerichtet, hat auch im Jahr 2021 wieder sehr gute Retros hervorgebracht. Die Aufgaben, die den ersten bzw. den dritten Preis in der Abteilung für Beweispartien erhalten hatten, habe ich hier schon gezeigt; heute möchte ich auf den zweiten Preis zurückkommen.

Roberto Osorio & Jorge J. Lois
Champagnerturnier 2021, 2. Preis Gruppe A
Beweispartie in 22 Zügen (13+13)

 

Die Analyse der schwarzen Stellung ist recht einfach: Nur ein Zug ist sichtbar, es fehlen die drei östlichen Bauern, ansonsten haben wir die schwarze Partieanfangsstellung auf dem Brett.

Die Aktionen des Weißen sind schon komplizierter: Wir sehen auf dem Brett 1+1+3+2+4+6=17 Züge – gleich fünf sind also noch frei! In denen müssen aber die beiden fehlenden weißen Bauern verschwinden und ebenso der [Lc1], der wegen der Felderfarbe nicht auf a6 geschlagen werden konnte!

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Retro der Woche 02/2022

Als Preisrichter für die Retro-Urdrucke der Schwalbe im Jahr 2022 konnte ich Richard Dunn, meinen Sachbearbeiter-Kollegen von The Problemist, gewinnen. Aus seiner Rubrik, konkret vom Januar 2021, habe ich für heute eine Beweispartie eines Autors ausgesucht, an dessen Werken ich immer Freude habe.

Rustam Ubaidullajew
The Problemist 2021
Beweispartie in 15,5 Zügen (14+12)

 

Rustam ist kein wahnsinnig produktiver Komponist: Die PDB enthält 77 Aufgaben von ihm – und davon sind 74 Beweispartien! Ohne sich auf spezielle Modethemen zu konzentrieren sind seine Aufgaben stets originell und attraktiv zu lösen. Ich glaube, das gilt auch für das heutige Beispiel. Und so ist es nicht überraschend, dass ich in dieser Rubrik bereits mehrere seiner Aufgaben vorgestellt habe. Wenn ihr Lust und Zeit habt, nutzt einfach die Suchfunktion, um die Aufgaben zu finden, zu lösen oder durchzuspielen!

Das heutige Beispiel ist relativ kurz, sodass ich nur wenige Hinweis zur Lösung geben möchte. Bei Weiß fällt natürlich sofort die Homebase auf; da gibt es also keine Züge zu zählen. Die schwarzen zu zählen ist schon deutlich interessanter:

4+1+1+3+0+4=13 – zwei Züge sind also frei? Nein, nicht wirklich, denn woher sTd8 auch kommen mag, dem muss einer der beiden Springer Platz gemacht haben: der muss also einschließlich seiner Rückkehr zwei Mal gezogen haben, und damit sind alle schwarzen Züge erklärt.

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Retro der Woche 01/2022

Im Retro der Woche 42/2021 hatte ich den ersten Preis in der Beweispartie-Abteilung des Retro-Turniers 2019 in der Schwalbe vorgestellt. Heute will ich den zweiten Preis folgen lassen, der mir auch sehr gut gefällt, da er eine sehr originelle Idee höchst elegant präsentiert.

Reto Aschwanden
Die Schwalbe 2019, 2. Preis Gruppe A
Beweispartie in 18,5 Zügen (14+14)

 

Kein einziger Bauernschlag ist im Diagramm auszumachen, bei Schwarz ist nur ein einziger Zug zu sehen — also beginnen wir mit dem Zählen der weißen Züge: Sicherlich können wir daraus erste Schlüsse ziehen.

Also: 3+1+3+4+1+5=17 — zwei Züge sind noch frei. Aber waren wir da nicht zu optimistisch? Was passierte beispielsweise auf der h-Linie?

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