Retro der Woche 32/2020

Nachtrag vom 3. Oktober 2020: Im endgültigen Bericht zum 8. FIDE World Cup wurde diese Aufgabe mit dem 2. Preis ausgezeichnet; in der Quellenangabe habe ich dies angepasst.

In der letzten Woche hatte ich den ersten Preis in der Retroabteilung des 8. FIDE Worldcups vorgestellt; heute möchte ich euch die erste ehrende Erwähnung zeigen, ein klassisches „Löse auf“ Stück, das mir recht gut gefällt, das ich, aber das ist reine Geschmacksache, vielleicht sogar etwas weiter nach oben gesetzt hätte.

Dmitrij Baibikov
8. FIDE Worldcup 2020, 2. Preis
Löse die Stellung auf (12+14)

 

Bei Schwarz fehlen nur [Bg7] und [Bh7], bei Weiß ebenfalls zwei Bauern auf den Königsflügel, zusätzlich ein Springer und [Lc1]. Und gerade dieser Läufer ist besonders wichtig: Er muss nach Hause kommen, damit Weiß mit der Rücknahme von b2-b3 den mächtigen Knoten im Nordwesten auflösen kann.

Keine Doppelbauern sind im Diagramm auszumachen, und doch sehen wir schnell, dass Schwarz auf a und b überkreuz geschlagen haben, denn anders kann das Matt durch sBa6 nicht zustande gekommen sein.

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Retro der Woche 30/2020

Ursprünglich fälschlich zum zweiten Mal als “RdW 29/2020” überschrieben.

Vor zwei Wochen hatte ich hier das erstplatzierte „Sonstige Retro“ aus dem StrateGems Jahresturnier 2019 vorgestellt; wie angekündigt soll nun der erste Preis der Beweispartien folgen.

Michel Caillaud
StrateGems 2019, 1. Preis
Beweispartie in 28 Zügen (12+15)

 

Betrachten wir zunächst einmal die Schlagfälle: Bei Weiß fehlen drei Bauern sowie die Dame, bei Schwarz nur ein Bauer. Zweimal (mit [Bb7] und [Bd7]) hat Schwarz auf die c-Linie geschlagen, und zweimal hat auch [Ba7] auf seinem Weg nach a2 geschlagen: Bei Schwarz fehlt ja nur ein Bauer, daher kann Weiß nicht zweimal geschlagen haben (entweder a2xb3xa4 oder ein Kreuzschlag auf a und b), um Ba2 durchzulassen.

Damit sind einerseits alle schwarzen Schläge geklärt, und andererseits wissen wir, dass der fehlende schwarze Bauer nicht geschlagen haben kann, er muss also auf der h-Linie geschlagen worden sein.

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11. WCCT

Erst hat es so lange gedauert, und dann ging es doch schneller als angekündigt: Die Ausschreibung zum 11. WCCT (World Chess Composition Tournament) ist heute veröffentlicht worden.

Der deutsche Captain Frank Reinhold wird noch eine spezielle Aufbereitung machen, worin dann auch die deutschen “Abteilungsleiter” und organisatorische Details bekannt gegeben werden. Ich kann aber bezüglich Retro schon verraten, dass ich wieder als Ansprechpartner und soweit erforderlich Koordinator zur Verfügung stehen werde. Wer also gern sich auf das Retro-Thema stürzen möchte, möge damit schon anfangen und sich gern bei mir melden.

Auch bei diesem WCCT wird Deutschland wieder die eingesandten Retros mit bewerten; wer gern mitrichten möchte, kann mir auch dazu schon Bescheid geben!

Retro der Woche 20/2020

Am letzten Dienstag hatte ich an den zehnten Todestag von Alexander Kisljak (27.12.1938—5.5.2010) erinnert und schon angekündigt, dass ich heute ein weiteres seiner klassischen Retros vorstellen werde.

Dazu habe ich eine Aufgabe herausgesucht, die nun 20 Jahre alt ist; ein feines Widmungs-stück für Hans Gruber, der damals 40 Jahre alt wurde. Und der hat für dieses Jahr ja schon seine Geburtstagsfeier in Andernach angekündigt…

Alexander Kisljak
feenschach 2000, 1. Preis, Hans Gruber zum 40. Geburtstag
Löse die Stellung auf! (14+11)

 

Die Frage, die sich bei Aufgaben dieser Art stets als erste stellt („Wer beginnt mit der Rücknahme?“), ist hier leicht beantwortet: Weiß beginnt, denn der schwarze König steht durch Tg3 im Schach. Dieses Schach kann nur durch einen Entschlag zurückgenommen werden, und damit sind durch die weiteren vier Bauernentschläge von Weiß (axb, exd, fxe, gxf) alle fünf fehlenden schwarzen Steine erklärt.

Bei Schwarz sehen wir einen Bauernschlag [hxg6], der zweite fehlende Stein ist direkt aus dem Diagramm noch nicht zu erklären.

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Retro der Woche 19/2020

Ich hatte es ja vor zwei Wochen schon angekündigt: Zu der dort vorgestellten Aufgabe will ich heute noch ein „Vergleichsstück“ vorstellen – nicht, um selbst diesen Vergleich mehr oder weniger vollständig durchzuführen, sondern um euch einzuladen, das selbst zu machen, also die Aufgabe vom 19. April noch einmal hervor zu holen und gedanklich neben das heutige Stück zu stellen. Das ist sicherlich sehr spannend für euch selbst, und wenn ihr dann eure Ergebnisse im Kommentar postet, auch für andere Le/öser.

Silvio Baier, Version Roberto Osorio
Die Schwalbe 2015
Beweispartie in 30,5 Zügen (13+10)

 

Wahrscheinlich sofort springt der schwarze Bauer a2 ins Auge: das muss der [Bd7] sein, der sich bis zur a-Linie durchgefressen hat. Gleichzeitig fehlen bei Weiß „nur“ drei Bauern, die aber [Bd7] zumindest nicht alle selbst entsorgt haben konnte; wir können also mit drei weißen Umwandlungen rechnen?

Zählen wir einmal die sichtbaren weißen Züge: 4+1+1+4+3+5=18 –- es sind also „nur“ 13 Züge frei, Weiß kann also nur zwei Umwandlungen gespielt haben, einen der fehlenden Bauern muss also der schwarze Eindringling selbst geschlagen haben.

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Retro der Woche 18/2020

Üblicherweise denkt man bei „Märchen-Retros“ an Bedingungen wie beispielsweise Anticirce oder Duellantenschach, die allgemein die zugrunde liegenden Schachregeln ändern. Viel seltener sind Märchenretros, bei denen Märchensteine verwendet werden: Da muss man stets erklären, wie sie denn entstanden sind.

Gelegentlich trifft man auf Aufgaben, in denen in der Partieanfangsstellung bestimmte Stei-ne durch Märchenfiguren ersetzt werden; auf ein Beispiel P1240680 sei hier hingewiesen.

Eine Alternative ist, quasi als Märchenbedingung die Umwandlung in eine bestimmte Märchenfigur zuzulassen; so macht es Dmitrij Baibikov in unserer heutigen Aufgabe.

Dmitrij Baibikov
Julias Fairies 2018, 1. Preis 2017-2018
Letzte 20 Einzelzüge, Umwandlung in Grashüpfer erlaubt (13+11)

 

Kurz zur Erinnerung: Ein Grashüpfer zieht in Damenrichtung und hüpft für seinen Zug auf das Feld hinter dem ersten Stein in seiner Zugrichtung. Ist das Feld von einem Stein anderer Farbe besetzt, so wird der geschlagen; ist es von einem Stein eigener Farbe besetzt, so ist der Zug unmöglich, da das Zielfeld blockiert ist. (Beispiel: wKe1, wLf1, wGa1, sKf6, sBa5a6: mögliche Grashüpferzüge sind Gg7, Gxa6, aber nicht Gf1)

Wir können uns rasch überlegen, dass die Zulassung von Grashüpfern nichts an der üblichen Zählung von Bauernschlägen ändert, dass aber jeder im Rückspiel entstandene Grashüpfer wieder entwandelt werden muss.

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Retro der Woche 17/2020

Anfang des Monats hatte ich schon darauf hingewiesen, dass die Problemzeitschrift harmonie, die Torsten Linß schon als Jugendlicher unter schwierigen Bedingungen in der DDR herausgegeben hatte, leider ihr Erscheinen (zumindest vorläufig) eingestellt hat.

Im letzten Heft 142 erschien nun der Retro-Preisbericht 2015-2016, den Hans Gruber kurzfristig anstelle des ursprünglich benannten Richters erstellt hatte. Von den 37 im Berichtszeitraum veröffentlichten Aufgaben waren 32(!) Märchen-Verteidigungsrückzüger. Ich habe allerdings für heute eine der drei orthodoxen Beweispartien ausgesucht:

Silvio Baier
harmonie 2015, 3. Preis 2015-2016
Beweispartie in 30 Zügen (11+13)

 

Man sieht, dass der weiße Doppelbauer auf der a-Linie für alle drei Schläge der fehlenden schwarzen Steine verantwortlich zeichnet: Noch allerdings können wir nicht sagen, ob nun der Bauer auf a5 oder der auf a7 von d2 kommt.

Wir sehen auch, dass bei Schwarz drei Bauern fehlen, die [Bd2] niemals alle direkt schlagen konnte: Dafür käme höchstens [Bd7] nach einem Schlag (oder [Bf7] nach drei Schlägen) in Frage, die beiden anderen Bauern müssen auf dem Königsflügel umgewandelt haben, um dann die Umwandlungssteine oder die zugehörende Originalfiguren zu opfern.

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Retro der Woche 07/2020

Weshalb wirkt beispielsweise eine Beweispartie mit Allumwandlung auf uns „harmo-nisch“? Weil die vier Umwandlungen einfach „zusammenpassen“, da alle möglichen Offiziere genau einmal erwandelt werden. Und dabei wirkt eine einfarbige Allumwandlung oder eine, bei der zwei weiße und zwei schwarze Umwandlungen erfolgen, harmonischer als eine mit der Farbverteilung 1:3, denn hier wird das Spiel auf die Farben verteilt ein wenig uneinheitlich sein. Das ist es bei einer einfarbigen Allumwandlung offensichtlich noch mehr -– aber da entsteht die Einheitlichkeit aus der klaren Aufgaben- und Farbverteilung.

Ähnlich erscheint es auch bei der Verbindung unterschiedlicher Themen – und dafür habe ich heute ein, wie ich finde, sehr hübsches Beispiel herausgesucht.

Silvio Baier
Die Schwalbe 2013, 2. Preis
Beweispartie in 27 Zügen (14+14)

 

Der Versuch, sich der Lösung über das übliche Abzählen er sichtbaren Züge zu nähern, könnte zu grauen Haaren (solange noch nicht vorhanden) führen: Wir sehen bei Weiß 3+0+1+1+1+6=12, bei Schwarz 2+0+3+1+0+5=11 Züge – mehr als die Hälfte der Züge sind noch frei!

Allerdings hilft uns hier die Analyse der Schlagfälle und der Bauernstruktur schon entscheidend weiter.

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